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Gesammelte Werke

Friedrich Rückert

 

Verlag Jazzybee Verlag, 2012

ISBN 9783849634407 , 1379 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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0,99 EUR


 

Krankheit und Tod


 

Nicht wußt' ich, was mir fehlte,

Noch fühlt' ich, was mich quälte;

Es war mir nur Behagen

Zu klagen und zu klagen.

 

Nun fühl' ich, was mich quälet,

Nun weiß ich, was mir fehlet,

Nicht klag' ich aus Behagen

An bloßem Unbehagen.

 

Und nun, was dort mir fehlte,

Weiß ich, und was mich quälte,

Daß böse Ahnung zagte

Und in die Zukunft klagte.

 

#####

 

Trauriger Ahnung Gedanken

Schlage sogleich danieder,

Eh' sie in Körperschranken

Treten und werden Lieder.

 

Lebendig gewordne Gedanken

Sind nicht Schatten, sind Wesen.

Daß nicht sterben deine Kranken,

Sprich aus, daß du fühlst, sie genesen.

 

Greifst du darum in die Schranken,

Die Gott sich vorbehalten?

Nein, wenn er eingiebt Gedanken,

So will er sie auch halten.

 

#####

 

Ich hatte mir zwei Pforten

Am Hause gemacht,

Und glaubt' an allen Orten

Mich trefflich bedacht.

 

Verschlossen war die eine,

Die andere nicht,

Und recht verschlossen keine,

Besehn beim Licht.

 

Zur offnen Pforte flogen

Die Freuden hinaus,

Ein zur verschloßnen zogen

Die Sorgen ins Haus.

 

Die hatt' ich nicht verschlossen,

Durch die sie entflohn,

Was wußt' ich, daß verdrossen

Sie wollten davon?

 

Die hatt' ich wohl versiegelt,

Was hilfts, da sie nahn?

Sie haben sie entriegelt

Und weit aufgethan.

 

Nun mögen offen bleiben

Zwei Pforten am Haus;

Sie lassen doch sich treiben

Zu keiner hinaus.

 

Sie halten hier verschlungen

Im Mondschein den Tanz,

Wo aus Erinnerungen

Sie flechten den Kranz.

 

Man merket kaum im Hause

Die schwebende Schaar,

So still ist's, wo vom Brause

So laut einst es war.

 

Ihr weiten Räume schienet

So voll, nun so leer,

Seit euch zur Füllung dienet

Von Schatten ein Heer.

 

#####

 

Ach daß ohne Wehen

Wie ein Blüthenstrauch

Kinder könnten gehen

Aus dem Boden auch!

 

Daß sie ohne Leiden

Sinken in den Staub

Dürften und verscheiden

Wie ein Rosenlaub!

 

Mutter unterm Herzen

Trug sie schmerzenvoll,

Die sie unter Schmerzen

Sterben sehen soll.

 

#####

 

Ihr fünf Rosendorne,

Ihr fünf Rittersporne,

Ihr fünf Eisenhütchen,

Löwenrachenblütchen!

 

Ihr fünf Rosendorne

Was habt ihr im Zorne

Röslein nicht vertheidigt,

Als es ward beleidigt?

 

Ihr gespornten Ritter,

Ihr, als euch vom Schnitter

Ward die Braut entführet,

Habt euch nicht gerühret.

 

O ihr Eisenhütchen,

Kühlet euer Müthchen

Doch am Sensenmann,

Der sie hält im Bann!

 

Ach ihr Löwenmündchen

Klafft wie Löwenhündchen,

Wie ihr sie im Rachen

Seht dem grausen Drachen.

 

Jüngster wollt' es wagen,

Sich für sie zu schlagen,

Aber mitgefangen

Ist er mitgegangen.

 

Bleibt, daß ich verliere

Nicht auch euch, ihr viere!

Bleibt mit mir zu trauern

Unter Regenschauern!

 

#####

 

Als mein Seelchen schied,

Sollte sich erheben

Sanft ein Engellied,

Das es lehrte schweben,

Fliegen in den Wind.

 

Doch ein wilder Sturm

War die Nacht unbändig,

Selbst der alte Thurm

Wollte wie lebendig

Fliegen in den Wind.

 

Das ist wohl ein Hauch

Für des Aaren Schwinge;

Wird es glücken auch

Einem Schmetterlinge,

Fliegen in den Wind?

 

Rauhe Winterluft,

Schone, schonungslose!

Du verwehst den Duft,

Soll die schöne Rose

Fliegen in den Wind?

 

Doch als wie der Blitz

Fährt im Sturm hernieder,

Wird zum hohen Sitz

Auch der Funke wieder

Fliegen in den Wind.

 

Selber flög' ich gern,

Und das ist ein Wetter,

Daß ein Mensch auch lern'

Als wie dürre Blätter

Fliegen in den Wind.

 

Nicht nur Sand und Staub,

Sondern Kies und Steine,

Nicht nur welkes Laub,

Sondern ganze Haine

Fliegen in den Wind.

 

Doch nicht obenaus

Kann ich Flügel schlagen,

Wie der Vogel Strauß

Nur mir selbst entjagen,

Fliegen in den Wind.

 

Auch die Sehnsucht nicht

Kann sich dorthin heben,

Wo du schwebst im Licht,

Und so muß das Leben

Fliegen in den Wind.

 

Die kein Weh gethan auf Erden,

Muß nun leiden diese Wehn;

Daß sie dir erträglich werden,

Denke, daß sie auch vergehn.

 

Wenn das Leben überwindet,

Und sie blühet frisch und jung;

Dir und ihr wie bald verschwindet

Dieser Kämpf' Erinnerung.

 

Aber wenn sie unterlieget

Dieser Noth und Todespein;

Wo sie dort als Engel flieget,

Wird es auch vergessen sein.

 

#####

 

Aerzte wissen nach den Regeln

Aus der Welt kein Kind zu schaffen,

Ohne mit abscheul'chen Egeln

Die Naturkraft hinzuraffen.

 

Nie mehr werd' ich mich in Quellen

Unbefangen spiegeln;

Immer werd' ich in den Wellen

Schaudern vor Blutigeln,

 

Die das Leben mit dem Blute

Meines Kinds entsogen;

So mißhandelt ist das gute

Seelchen, ach, entflogen.

 

Aber nicht aus reinen Quellen,

Sondern styg'schem Sumpfe

Holt man diese...