dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Die Brut - Roman

Thea Dorn

 

Verlag Manhattan, 2006

ISBN 9783894808136 , 311 Seiten

Format ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

7,99 EUR

  • Der dunkle Spiegel - Historischer Roman
    Todesmuster - Roman
    Cryptonomicon - Roman
    Tango Criminale
    Thai-Juwelen

     

     

     

     

 

 

Der Bildschirm blieb schwarz. Sie war nur fünf Minuten auf die Dachterrasse gegangen, um eine Zigarette zu rauchen. Als sie in ihr Arbeitszimmer zurückkam, war der Laptop abgestürzt. Ganz gleich, welche Tasten sie drückte, der Bildschirm blieb schwarz. Sie griff nach dem Branchenverzeichnis, um die Panik zu bekämpfen, die ihren Magen zusammenzog.
Computerspiele. Computerschulen. Computerreparaturen. Siehe Datenverarbeitungsanlagenreparaturen und -Wartung.
Sie blätterte.
Dachdeckereien. Dachziegel. Datenverarbeitung, Programmierung.
Da. Datenverarbeitungsanlagenreparaturen und -Wartung.
Computernotdienst. 24-Stunden-Hotline.
Sie entschied sich für die Anzeige mit dem roten Stern. Nach dem zehnten oder elften Klingeln meldete sich eine müde Stimme.
»Computernotdienst Schäfer.«
»Hier ist Tessa Simon.« Sie wartete. Am anderen Ende der Leitung gab es keine Reaktion. »Mein Laptop ist abgestürzt.« Ihr Magen krampfte sich weiter zusammen. Warum reagierte der Mann nicht? Ach, Sie sind's, Frau Simon. Was kann ich für Sie tun? Das sollte er sagen.
»Welches Fabrikat?«, fragte der Mann und klang noch müder.
»Macintosh.«
»Macintosh sind wir nicht mehr zuständig.«
»Halt. Hören Sie.« Tessa spürte, dass der Mann das Gespräch beenden wollte. »Ich habe morgen eine wichtige Sendung. Ich brauche meinen Laptop.«
»Der Techniker kommt um sieben.«
Tessa schaute auf die Uhr. Es war kurz nach Mitternacht.
»Ich brauche jemanden, der sich jetzt um meinen Laptop kümmert. Morgen früh ist es zu spät.«
»Tut mir Leid. Kann ich nichts machen.«
»In Ihrer Anzeige steht 24-Stunden-Hotline
»Bin ich nicht ans Telefon gegangen?«
»Bitte! Ich kann meine Sendung morgen nicht moderieren, wenn ich heute Nacht nicht an das Material herankomme, das mir meine Redaktion noch mailen wollte.«
»Ich sag Ihnen aber gleich, das kostet erst mal hundertfünfzig Euro für die Anfahrt. Plus fünfzig Euro Nachtzuschlag. Und wie gesagt: Macintosh sind wir nicht mehr zuständig.«
Tessa legte auf, obwohl das kleine Mädchen in ihr weiter bitte, bitte rufen wollte. Mit dreiunddreißig war sie zu alt, um dem kleinen Mädchen den Hörer zu überlassen. Sie betrachtete ihre schlanken, leicht gebräunten Knie, die sie durch die Glasplatte des Schreibtischs hindurch sehen konnte. Sie moderierte Auf der Couch, eine der angesagtesten Talkshows, die es im deutschen Fernsehen gab. Zwar nur auf einem Regionalsender, aber dies hier war das Sendegebiet. Der Nagellack an ihrem rechten großen Zeh blätterte. Obwohl sie erst vorgestern bei der Pediküre gewesen war. Sie musste mit der Kosmetikerin reden.
Tessa versuchte einen weiteren Neustart. Der Bildschirm flackerte kurz, dann wurde er wieder schwarz. Der Laptop begann sonderbare Geräusche zu machen. Selbstverdauung, dachte Tessa. Mein Computer frisst sich selbst.
Sie fuhr zusammen, als das Telefon klingelte. Unbekannte Nummer, sagte das Display. Es musste der Computernotdienst sein. Frau Simon, das ist mir schrecklich unangenehm, ich hatte Ihren Namen nicht richtig verstanden, und deshalb, also, na ja .. . Selbstverständlich schicke ich gleich unseren besten Techniker vorbei. Ich verspreche Ihnen: In einer Stunde ist Ihr Laptop wieder flott.
Der Anrufbeantworter sprang an. Hastig griff Tessa nach dem schnurlosen Telefon. »Ja?«
»Kommst du gerade vom Joggen?« Die Stimme am anderen Ende der Leitung gluckste.
»Ach, du bist's.«
»Klingt das enttäuscht?«
»Mein verdammter Laptop ist abgestürzt.«
»Hast du ihn nicht richtig festgehalten?« Die Stimme gluckste wieder.
»Sebastian. Es ist nicht lustig.« Tessa legte den rechten Fuß auf ihr linkes Knie und begann an dem Nagellack herumzupulen. »Ich habe morgen die Behrens in der Sendung. Die wollten mir noch das große Interview schicken, das im Magazin erscheint.«
»Hast du schon versucht, den Laptop mit dieser Taste, wo man eine Büroklammer reinstecken muss, neu zu starten?«
»Ich habe die Reset-Taste ungefähr hundert Mal gedrückt.«
»Gibt es nicht so Rund-um-die-Uhr-Notdienste?«
»Da arbeiten bloß Idioten.«
Es entstand eine Pause.
»Wartest du nur auf eine Mail oder brauchst du auch Sachen, die auf deinem Computer gespeichert sind?«, fragte Sebastian schließlich.
»Das ist doch egal. Hin ist hin.«
»Wenn es nur um das Interview geht, kannst du denen in der Redaktion sagen, sie sollen es an meine Adresse schicken.«
»Und? Dann liest du es mir am Telefon vor?« »Mein Laptop steht in meinem Zimmer.« »Was?« Tessa ließ ihren rechten Fuß auf den Boden zurückplumpsen. Der große Zeh war fast geschält.
»Ich hatte keine Lust, ihn diesmal mitzuschleppen.« Sie stieß einen Seufzer aus. »You saved my night.« »Immer.«
Tessas Gesichtszüge entspannten sich. Kein Lachen der Welt kroch ihr tiefer unter die Haut als das von Sebastian. »Weißt du schon, ob du es morgen schaffst?«
»Ich denke, dass ich den letzten Flieger noch erwische.«
»Prima. Ich mach dann nach der Sendung auch nicht so lang.«
»Wer's glaubt.«
»Ich vermiss dich so.«
»Ich dich auch.«
Sie wollte gerade auflegen, das Ohr noch warm, das Lächeln auf den Lippen, als ihr einfiel: »Halt. Wenn ich an die Mail ran will, brauche ich dein Password.«
»Oh ja«, sagte Sebastian. »Tasso.«
»Tasso? I hate you.«
»Wenn ich zurück bin, mach ich Tessa draus.«
»Versprochen?«
»Versprochen.«
»Schlaf schön.«
»Du auch. Ciao.«
»Ciao.«
Tessa hatte noch immer ein Lächeln auf den Lippen, als sie die Treppe ins untere Stockwerk hinunterging. Vor zwei Monaten erst war sie mit Sebastian in das Dreihundert-Quadratmeter-Loft eingezogen. Ich liebe diese Wohnung, dachte Tessa, als sie durch den dunklen Wohnbereich ging, an dem schlichten hellgrauen Filzsofa vorbei, das so breit und tief war, dass man zu zweit darauf liegen konnte. Schon als Studentin hatte sie vor diesem Sofa gestanden. Ein Klassiker, hatte die Verkäuferin damals gesagt und hinterhältig gelächelt, als habe sie längst erkannt, dass in Tessas Budget nicht einmal die linke Armlehne dieses Sofas vorgesehen war.
Sebastians Arbeitszimmer lag schräg unter dem von Tessa. Er hatte ihr das hellere, größere Zimmer mit dem Zugang zur Dachterrasse kampflos überlassen, nicht nur, weil er sie liebte, sondern weil er streng genommen gar kein Arbeitszimmer brauchte. Sebastian Waldenfels war Schauspieler. Ein berühmter. Bis vor kurzem hatte er nur auf der Bühne gestanden. Jetzt drehte er seinen zweiten Kinofilm. Herbstsommer. Er spielte einen Schriftsteller, der begeistert in den Ersten Weltkrieg zieht und Jahre später desillusioniert zurückkehrt.
Sie musste lächeln, als sie das Licht anknipste und die vielen Ordner und Schachteln sah, die sich in den deckenhohen Regalen stapelten.