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Im Sturm des Lebens - Roman

Nora Roberts

 

Verlag Heyne, 2013

ISBN 9783641111533 , 672 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

1


Die Flasche Castello di Giambelli Cabernet Sauvignon, Jahrgang ’02, erreichte auf der Auktion einhundertfünfundzwanzigtausendfünfhundert amerikanische Dollar. Viel Geld, dachte Sophia, für Wein, der so mit Gefühl durchsetzt ist. Der Wein in dieser schönen alten Flasche war aus Trauben gemacht worden, die in dem Jahr geerntet worden waren, als Cesare Giambelli das Weingut Castello di Giambelli in den Hügeln nördlich von Venedig gegründet hatte.

Damals konnte Castello beides bedeuten, einen Schwindel oder übergroßen Optimismus, je nachdem, aus welchem Blickwinkel man es betrachtete. Cesares bescheidenes Haus und seine aus Stein gebaute Kellerei waren alles andere als schlossähnlich, aber seine Weinstöcke waren königlich, und er hatte ein Imperium mit ihnen begründet.

Nach fast einem Jahrhundert war vermutlich auch ein hervorragender Cabernet Sauvignon nur noch als Salatsauce verwendbar und nicht mehr zum Trinken geeignet, aber es war nicht Sophias Aufgabe, sich mit dem Mann mit dem Geld zu streiten. Ihre Großmutter hatte Recht gehabt, wie immer. Für das Privileg, ein Stück Geschichte der Giambellis zu besitzen, würden sie bezahlen, und zwar reichlich.

Obwohl sie wahrscheinlich beides sowieso nicht vergaß, notierte sich Sophia das letzte Gebot und den Namen des Käufers, um ihrer Großmutter nach der Auktion eine Mitteilung zu schicken.

Sie nahm an diesem exklusiven Jahrhundertereignis nicht nur als Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit teil, die die Werbung und den Katalog für die Auktion gestaltet und herausgebracht hatte, sondern auch als Vertreterin der Familie Giambelli.

Und in dieser Eigenschaft saß sie still hinten im Raum und beobachtete den Verlauf der Auktion.

Sophia hatte die Beine graziös übereinandergeschlagen. Den Rücken hielt sie gerade, wie sie es in der Klosterschule gelernt hatte. Sie trug ein schwarzes Nadelstreifenkostüm, von einem italienischen Designer maßgeschneidert, das sowohl geschäftsmäßig als auch äußerst weiblich wirkte. Genauso sah Sophia sich auch selbst.

Ihr Gesicht war scharf geschnitten, ein blassgoldenes Dreieck, das beherrscht wurde von tief liegenden braunen Augen und einem großzügig geschnittenen Mund. Ihre Wangenknochen standen deutlich hervor, und sie hatte ein energisches Kinn. Immer schon hatte sie skrupellos ihr Gesicht als Waffe eingesetzt, wenn es ihr angebracht erschien.

Vor einem Jahr hatte sie ihre taillenlangen Haare zu einem kurzen schwarzen Bob mit Stirnfransen abschneiden lassen. Es stand ihr gut. Sophia wusste genau, was ihr stand.

Sie trug die alte Perlenkette, die ihre Großmutter ihr zu ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag geschenkt hatte, und ihr Gesicht zeigte einen Ausdruck höflichen Interesses. Sie verglich diesen Gesichtsausdruck immer mit dem »Vorstandsblick« ihres Vaters.

Als das nächste Objekt ausgestellt wurde, hellte sich Sophias Miene auf, und sie verzog ihre Mundwinkel zu einem leichten Lächeln.

Es war eine Flasche Barolo, Jahrgang ’34, aus dem Fass, das ihr Urgroßvater zu Ehren der Geburt ihrer Großmutter Di Teresa genannt hatte. Auf dem Label der privaten Reserve prangte ein Bild von Teresa mit zehn Jahren, dem Jahr, in dem der Wein lange genug in dem Eichenfass gereift und auf Flaschen gezogen worden war.

Jetzt, mit siebenundsechzig, war Teresa Giambelli eine Legende, und ihr Ruf als Winzerin übertraf sogar den ihres Großvaters.

Dies war die erste Flasche dieses Labels, die jemals zum Verkauf angeboten wurde, und wie Sophia erwartet hatte, überschlugen sich die Angebote.

Der Mann neben Sophia tippte auf seinen Katalog, in dem das Foto von dem Label abgebildet war. »Sie sehen ihr ähnlich.«

Sophia rutschte ein wenig zur Seite und lächelte dem Mann zu. Er war ein distinguierter Herr um die sechzig. »Danke.«

Marshall Evans, fiel ihr ein. Makler in der zweiten Generation. Vermögen 500. Sie war stolz darauf, die Namen und statistischen Daten der Weinkenner und -sammler mit tiefen Taschen und teurem Geschmack auswendig zu kennen.

»Ich hatte gehofft, La Signora würde an der Auktion heute teilnehmen. Geht es ihr gut?«

»Ja. Aber sie ist anderweitig beschäftigt.«

Der Piepser in ihrer Tasche vibrierte. Leicht verärgert über die Unterbrechung ignorierte Sophia ihn, um weiterhin die Auktion beobachten zu können. Sie ließ die Augen durch den Raum schweifen. Ein beiläufig gehobener Finger in der dritten Reihe bewirkte, dass der Preis um weitere fünfhundert anstieg. Ein leises Nicken aus der fünften Reihe überbot die Summe.

Am Ende schlug der Barolo den Cabernet Sauvignon um fünfzehntausend. Sophia wandte sich zu dem Mann neben ihr und streckte ihm die Hand entgegen.

»Herzlichen Glückwunsch, Mr. Evans. Ihr Beitrag für das Internationale Rote Kreuz wird eine gute Verwendung finden. Und namens der Familie und des Unternehmens Giambelli hoffe ich, dass Sie Ihren Preis genießen.«

»Daran zweifle ich nicht.« Er ergriff ihre Hand und führte sie an die Lippen. »Ich hatte vor vielen Jahren einmal das Vergnügen, La Signora kennen zu lernen. Sie ist eine außergewöhnliche Frau.«

»Das ist sie.«

»Möchte ihre Enkelin mir vielleicht die Freude machen, heute mit mir zu Abend zu essen?«

Er war alt genug, um ihr Vater zu sein, aber Sophia war zu sehr Europäerin, um sich davon abschrecken zu lassen. Ein anderes Mal hätte sie zugestimmt und wahrscheinlich seine Gesellschaft genossen. »Es tut mir Leid, aber ich habe einen Termin. Vielleicht bei meiner nächsten Reise an die Ostküste, wenn Sie dann nichts vorhaben.«

»Ich werde dafür sorgen.«

Mit einem freundlichen Lächeln erhob sie sich. »Wenn Sie mich bitte entschuldigen möchten ...«

Sie schlüpfte aus dem Raum, zog den Piepser aus der Tasche und warf einen prüfenden Blick darauf. Nach einem Abstecher auf die Damentoilette blickte sie auf ihre Uhr und holte ihr Telefon aus der Tasche. Sie setzte sich auf eines der Sofas, gab die Nummer ein und platzierte ihr Notebook und ihren elektronischen Organizer auf dem Schoß.

Nach der langen, anstrengenden Woche in New York war sie immer noch aufgedreht, und als sie jetzt ihre Termine durchsah, stellte sie erfreut fest, dass sie noch Zeit hatte, um ein wenig einkaufen zu gehen, bevor sie sich fürs Abendessen umziehen musste.

Jeremy DeMorney. Das bedeutete einen eleganten, geistreichen Abend in einem französischen Restaurant, Gespräche über Essen, Reisen und Theater. Und natürlich über Wein. Da er einer der DeMorneys vom Weingut Le Coeur und einer der Topmanager dort war, und sie zu den Giambellis gehörte, würde es sicher einige spielerische Versuche geben, einander Unternehmensgeheimnisse zu entlocken.

Und es würde Champagner geben. Gut, sie war in der Stimmung dafür.

Und am Schluss gab es garantiert einen romantischen Versuch, sie ins Bett zu locken. Nachdenklich fragte sie sich, ob sie wohl auch dazu in der Stimmung war.

Er war attraktiv und konnte amüsant sein. Wenn sie beide nicht gewusst hätten, dass ihr Vater mit seiner Frau geschlafen hatte, dann wäre die Vorstellung einer kleinen Romanze zwischen ihnen nicht ganz so peinlich und irgendwie inzestuös gewesen.

Allerdings war das schon einige Jahre her ...

»Hallo Maria.« Sophia verdrängte den Gedanken an Jeremy und den bevorstehenden Abend. Die Haushälterin der Giambellis war ans Telefon gegangen. »Ich habe einen Anruf vom Apparat meiner Mutter bekommen. Ist sie zu sprechen?«

»O ja, Miss Sophia. Sie hat schon auf deinen Anruf gewartet. Einen Moment.«

Sophia stellte sich vor, wie Maria durch den Flügel des Hauses eilte und dabei prüfte, ob es nicht noch irgendetwas aufzuräumen gab, was Pilar Giambelli Avano nicht schon selbst aufgeräumt hatte.

Mama wäre glücklich in einem kleinen, rosenbewachsenen Cottage, wo sie Brot backen, stricken und ihren Garten pflegen konnte, dachte Sophia. Sie hätte besser ein halbes Dutzend Kinder gehabt. Stattdessen musste sie sich mit mir begnügen.

»Sophie, ich war gerade auf dem Weg ins Gewächshaus. Warte, lass mich erst mal wieder zu Atem kommen. Ich habe nicht erwartet, dass du so schnell zurückrufst. Ich dachte, du seiest mitten in der Auktion.«

»Sie ist beendet. Und ich glaube, wir können sagen, sie war ein unglaublicher Erfolg. Ich faxe dir heute Abend oder morgen früh die Einzelheiten. Ich muss gleich wieder zurückgehen und mich um den Rest kümmern. Ist zu Hause alles in Ordnung?«

»Mehr oder weniger. Deine Großmutter hat ein Gipfeltreffen anberaumt.«

»Oh, Mama, sie stirbt doch nicht schon wieder? Das hatten wir doch erst vor sechs Monaten.«

»Acht«, korrigierte Pilar sie. »Aber wer zählt das schon nach? Es tut mir Leid, Liebes, aber sie besteht darauf. Ich glaube nicht, dass sie dieses Mal vorhat zu sterben, aber sie plant irgendetwas. Die Anwälte müssen das Testament noch mal ändern. Und sie hat mir die Kamee ihrer Mutter gegeben ...«

»Ich dachte, die hättest du schon letztes Mal bekommen?«

»Nein, letztes Mal war es die Bernsteinkette. Sie möchte alle bei dem Treffen sehen. Du musst zurückkommen.«

»Na gut, na gut.« Sophia blickte auf ihren Organizer und schickte Jerry DeMorney in Gedanken einen Abschiedskuss. »Sobald ich hier fertig bin, mache ich mich auf den Weg. Aber wirklich, Mama, ihre neue Gewohnheit, alle paar Monate zu sterben oder ihr Testament zu ändern, ist ziemlich lästig.«

»Du bist ein gutes Mädchen, Sophie. Ich werde dir die Bernsteinkette hinterlassen.«

»Vielen Dank.« Lachend legte Sophia auf.

Zwei Stunden später saß sie im Flugzeug und dachte darüber nach, ob sie in vierzig...