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Führung und Kunst
Klaus Götz (Hrsg.)
Verlag Rainer Hampp Verlag, 2006
ISBN 9783866180796 , 233 Seiten
Format PDF, OL
Kopierschutz Wasserzeichen
Autorität, Charisma und Teamgeist (S.101)
Zur Kunst der Führung im Orchester
Zusammenfassung
Die Leistung eines Orchesters hängt wesentlich davon ab, welcher Dirigent jeweils am Pult steht (Lebrecht, 1991; Allmendinger et al., 1996; Faulkner, 1973). Dennoch ist die Frage, wie der Dirigent die Orchestermusiker führt, bisher weder in der musikwissenschaftlichen Forschung noch in der Führungsforschung systematisch untersucht worden (Hunt, Stelluto & Hooijberg, 2004).
Vor diesem Hintergrund werden nachstehend Befunde aus empirischen Studien zur Führung und Kooperation im Orchester dargestellt. Die erste Studie zeigt, dass die künstlerische Leistung des Orchesters umso besser ausfällt, je autoritärer der Führungsstil des Dirigenten ist.
Dies gilt allerdings insbesondere dann, wenn die Musiker ihren Dirigenten zugleich als uneingeschränkte fachliche Autorität wahrnehmen (Boerner, 2002a; Boerner & Krause, 2002). Diese Autorität beruht vor allem auf der Expertise und dem Informationsvorsprung des Dirigenten (Krause et al., 2002).
Die zweite Orchesterstudie untersucht den Führungsstil des Dirigenten genauer und fragt zusätzlich nach der Rolle des „Klimas" im Orchester. Erwartungsgemäß zeigt sich, dass die Qualität des Orchesters steigt, je mehr der Dirigent einen „visionär-charismatischen" Führungsstil pflegt – jedoch nur dann, wenn zu-gleich unter den Orchestermusikern ein guter Teamgeist herrscht (Boerner & v. Streit, 2006).
1 Autoritärer Führungsstil des Dirigenten: Problemlösung und Problem zugleich ?
Dass ein Dirigent eher autoritär führt als demokratisch oder liberal, entspricht nicht nur der Alltagserfahrung vieler Musiker, sondern ist auch in der Literatur mehrfach beschrieben worden (Couch, 1983; Kamerman, 1983; Lebrecht, 1991). Orchesterdirigenten beschreiben ihren Führungsstil z.B. so:
Die Zweckmäßigkeit eines solchen Führungsstils lässt sich auf den ersten Blick leicht erklären: Die Notwendigkeit, bis zu hundert Musiker eines professionellen Orchesters technisch und künstlerisch zu harmonisieren, lässt kaum Spielraum für demokratische Interaktionsformen, wie ein weiteres Zitat illustriert: Sie dürfen auch nicht zu viel diskutieren, dann sind Sie sofort verloren. Der Musiker nutzt das aus (Boerner, 2002a, S. 149).
Bezeichnenderweise sind entsprechende Versuche einer konsequenten Demokratisierung von Entscheidungsstrukturen selbst in kammermusikalischen Ensembles bislang gescheitert (Boerner, 2002b). Ein Grund dafür liegt darin, dass die Musiker exakt synchronisiert werden müssen, um eine rhythmische und klangliche Ausgewogenheit zwischen allen Instrumenten zu erreichen. Dies gilt sowohl innerhalb der Instrumenten-gruppen als auch zwischen den verschiedenen Instrumentengruppen und für eventuelle weitere Mitwirkende einer Aufführung (Solisten, Chor).
Die Musiker müssen ihre Bewegungen (z. B. Bogenstriche), ihre Atmung und die Intensität ihres Spiels aufeinander abstimmen. Hierzu ist es notwendig, dass die Musiker eine Vorstellung davon haben, wie das jeweilige Stück im Idealfall klingen soll.
Um diesen „Sollwert" zu erreichen, müssen sie nicht nur genau auf die anderen Instrumente hören, sondern zugleich innerhalb von Sekundenbruchteilen auf ihre Kollegen reagieren. Besonders schwierig wird die klangliche und rhythmische Balance bei gemeinsamen Veränderungen der Lautstärke (z. B. crescendo) oder des Tempos (z. B. accelerando), die nur dann den gewünschten Ausdruck erreichen, wenn sie von allen Musikern im gleichen Maße und mit gleicher Intensität ausgeführt werden.
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