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Devoted - Geheime Begierde - Erotischer Roman

S. Quinn

 

Verlag Goldmann, 2013

ISBN 9783641118693 , 352 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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7,99 EUR


 

❧ 8

Es ist der Abend vor meiner Abreise nach London, und Jen hat mich zum, wie sie es nennt, »letzten Abendmahl« eingeladen. Sie hätte Nachrichten, meinte sie. Gute Nachrichten sogar. Und außerdem heiße Schokolade, Brandy, Marshmallows und Popcorn. Das Popcorn gibt es hoffentlich separat, aber bei Jen weiß man nie so recht.

Ich drücke dreimal auf die Klingel – unser Geheimzeichen –, woraufhin der Türöffner summt. Jen wohnt in einem dieser nagelneuen, festungsartigen Apartmentkomplexe mit viel Glas und Beton. »Big-Brother-Haus«, so bezeichne ich ihn immer, weil an jeder Ecke Kameras installiert sind.

Jen ist bereits nach der Oberstufe von der Schule abgegangen, weil sie keine Lust auf ein Studium hatte. Stattdessen suchte sie sich einen gut bezahlten Job in der PR-Branche und zog in diese Wohnung. Ihr Vater schäumte zwar vor Wut, aber Jen hat nun einmal ihren eigenen Kopf. Sie hat sich vorgenommen, eines Tages eine eigene PR-Agentur auf die Beine zu stellen.

Ich habe versucht, auf Jens Balkon ein paar Pflanzen zu züchten, gewissermaßen als ihren eigenen kleinen Garten, aber sie sind allesamt eingegangen. Jen hat viele Talente, ein grüner Daumen gehört jedoch eindeutig nicht dazu.

Ein Anflug von Traurigkeit überfällt mich, als ich vor ihrer Wohnungstür stehe. Allein bei der Vorstellung, sie allein hier zurückzulassen, bekomme ich Heimweh. Wir sind wie Schwestern und haben praktisch unser ganzes Leben lang alles gemeinsam gemacht – das erste Mal im Park Cider probiert, für dieselben Stars geschwärmt, uns das Gefühl beim ersten Kuss anvertraut. Einfach alles.

Noch bevor ich klopfen kann, reißt sie die Tür auf. »Ich habe tolle Neuigkeiten!« Sie zerrt mich herein. »Oh, du hast Wein mitgebracht. Super! Trinken wir ihn als Aperitif?«

Wir kichern.

Das Apartment ist sehr großzügig geschnitten, mit einer offenen Küche, die durch einen Frühstückstresen vom Wohnzimmer getrennt ist. Panoramafenster bieten einen herrlichen Ausblick auf den Park. Das sei tausendmal besser als ein eigener Garten, behauptet Jen. Zumindest kann sie ihn nicht vertrocknen lassen.

Jen macht den Wein auf und deutet mit einem Nicken auf den DVD-Stapel auf dem Couchtisch. »Und? Kommst du von selbst auf meine Überraschung?«

»Es hat etwas mit Marc Blackwell zu tun«, antworte ich langsam.

Ich nehme die oberste DVD. Mit den Augen eines Fremden – ein Kunstfilm, der bei den Kritikern viel Lob geerntet, den Durchbruch aber nie ganz geschafft hat. Ich drehe die Hülle um und blicke in das Gesicht des jugendlichen Marc Blackwell. »Er sieht so jung aus. Das muss der erste Film sein, in dem er mitgespielt hat.«

»Nein«, widerspricht Jen und gießt den Wein in kostbare Kristallgläser. »Seine ersten Rollen hatte er schon als Kind. Und Werbespots hat er auch gedreht. Sein Vater war offenbar ziemlich ehrgeizig und hat Marcs Karriere schon sehr früh angekurbelt.«

»Also war er ein Kinderstar?«

Jen nickt. »Wart’s ab, was ich sonst noch über ihn herausgefunden habe.«

»Was denn?«

»Ich habe im Büro ein bisschen recherchieren lassen«, erklärt Jen. »Offenbar tut er alles für die Leute, die ihm wichtig sind. Es ist nur eine Handvoll, die verteidigt er aber wie eine Löwin ihre Jungen.«

»Wirklich?« Ich ziehe die Brauen nach oben. »Und wer gehört zu seinem engsten Kreis?«

»Das Verhältnis zu seinem Vater war offenbar immer angespannt, und seine Mutter ist vor vielen Jahren gestorben. Aber er hat eine Schwester, außerdem ist er sehr eng mit einer Frau namens Denise Crompton befreundet.«

»Seine Mutter ist gestorben?«, murmle ich, während mir wieder einfällt, wie eisig er beim Vorsprechen war. »Das erklärt vielleicht, weshalb er nicht gerade warmherzig gewirkt hat.«

»Blödsinn.« Jen schüttelt den Kopf. »Du hast deine Mutter auch verloren und bist einer der warmherzigsten Menschen, die ich kenne.«

»In gewisser Weise hat es mir sogar geholfen, mich zu öffnen«, erkläre ich. »Die Tatsache, dass ich sie verloren habe, meine ich. Aber vermutlich kann so ein Erlebnis auch ins Gegenteil umschlagen und einen erst recht verschlossen machen.« Ich schlucke. »Denise Crompton – sie war auch beim Vorsprechen. Sie unterrichtet Musik und Tanz am College.« Ich setze mich aufs Sofa. »Und er beschützt sie vor der Öffentlichkeit, sagst du?«

»Aber hallo.« Wieder nickt Jen. »Er ist bekannt dafür, dass er sich gnadenlos mit jedem Paparazzo anlegt, der auch bloß in ihre Nähe kommt. Dasselbe gilt für seine Schwester. Offenbar ist sie drogensüchtig und hat einen kleinen Sohn. Er unterstützt sie finanziell, doch sie gibt das ganze Geld für Heroin aus. Es heißt, einmal hätte er sogar ihren Freund zusammengeschlagen, ihn danach aber mit Geld bestochen, damit er nicht an die Presse geht.«

»Die Vorstellung, dass ich bald Schauspielunterricht bei ihm haben werde, ist wirklich schräg. Er ist so …« Ich lasse mich auf dem Sofa zurücksinken.

»Heiß«, wirft Jen ein. »Wie hat er bei deinem Vorsprechen ausgesehen?«

»Ganz anders als auf der Leinwand«, antworte ich. »In seinen Filmen sieht er schon hammermäßig aus. Die Art, wie er sich bewegt, mit seinen Rollen verschmilzt. Diese Aura, die ihn umgibt. Aber in der Realität ist er … Keine Ahnung, ich war jedenfalls völlig fasziniert von ihm. Nicht nur, weil er gut aussieht. Das tut er natürlich auch, aber auf eine merkwürdige Weise. Er ist so blass und hatte ganz hohle Wangen. Trotzdem war etwas in seinen Augen. Sie hatten so etwas Durchdringendes. Eine Kraft, so als könnte ihn nichts und niemand wirklich berühren.«

»Aber trotzdem superattraktiv, stimmt’s?«

Wieder sehe ich Marc in seinem schwarzen, eng anliegenden Hemd und mit seinen blauen Augen vor mir, die mich förmlich durchbohrt haben. »Ich denke, so kann man es bezeichnen.«

»Wie willst du irgendetwas lernen, wenn du ihn die ganze Zeit anstarren musst?«

»Wie gesagt, er ist ein hervorragender Schauspieler«, gebe ich lachend zurück. »Absolut unglaublich. Ich kenne niemanden, der so eins wird mit seinen Rollen.«

»Weil er total durchgeknallt ist«, stellt Jen fest. »Wie viele gute Schauspieler. Vielleicht sogar alle.« Wir brechen in Gelächter aus.

»Vielleicht ist er ja gar nicht so durchgeknallt«, widerspreche ich und bekomme dabei eine Gänsehaut. »Wenn man überlegt, wie gut er auf seine Schwester und Denise aufpasst. Das klingt doch sehr nett.«

»Du versuchst grundsätzlich, das Gute in jedem Menschen zu sehen«, bemerkt Jen lächelnd. »Spar dir deine Meinung auf, bis ich dir erzählt habe, was ich sonst noch über ihn weiß.«

»Schieß los.«

»Keine seiner Beziehungen hat länger als ein paar Wochen gehalten. Und keines der Mädchen, mit denen er zusammen war, wendet sich später an die Presse. Das ist ziemlich ungewöhnlich. Es gibt ständig jemand Neues an seiner Seite. Ständig. Aber keine der Frauen bleibt länger bei ihm.«

»Vielleicht findet er sie großzügig ab, und sie haben deshalb keinen Grund, öffentlich über ihn herzuziehen.« Ich nehme die nächste DVD vom Stapel: Die vietnamesische Braut. »Den mag ich besonders gern.«

Jen drückt mir ein Glas in die Hand. »Dann sehen wir ihn uns an.«

Wenn Jen und ich uns einen Film ansehen, kann man eigentlich nicht von »ansehen« sprechen. Wir quasseln ununterbrochen dabei. Aber heute sitzen wir schweigend da und blicken auf Marc Blackwells gebräuntes, verschwitztes und schmutzverkrustetes Gesicht.

In diesem Film ist er gerade einmal sechzehn und blickt mit derselben Intensität in die Kamera, und trotzdem ist der Ausdruck irgendwie … anders. In seinem Blick liegt eine Weichheit und Offenheit, die in meinem Vorsprechen nicht zu sehen war.

»Er ist so süß, findest du nicht?«, meint Jen.

Ich sehe zu, wie Marc versucht, eine Waffe zu laden, die Kugeln jedoch seinen unerfahrenen Händen immer wieder entgleiten. Seine Wangenknochen sind nicht ganz so ausgeprägt wie heute, nicht ganz so kantig.

»Keine seiner Beziehungen hat länger als ein paar Wochen gehalten«, murmle ich, während mein Blick von dem jugendlichen Marc Blackwell auf dem Bildschirm zu dem Gesicht auf der Rückseite einer anderen DVD schweift, die den Mann von heute zeigt. Erst jetzt fällt mir auf, dass Marc als Erwachsener fast ausnahmslos kalte, harte Typen spielt. Actionhelden. Männer mit einer schrecklichen Vergangenheit.

»Ich frage mich, was mit ihm passiert ist«, sage ich zu Jen. »Was hat ihn so kalt werden lassen?«

»Wie gesagt, der Schlüssel liegt in seiner kaputten Kindheit. Sein Vater scheint ein echtes Ungeheuer gewesen zu sein.«

»Kann sein.«

»Man muss ihn ständig ansehen.« Jen trinkt einen Schluck Wein. »Wenn ich mir vorstelle, dass du morgen schon dem echten Marc Blackwell in die Augen siehst.«

»Das bezweifle ich.« Ich nippe an meinem Glas. »Morgen beziehen wir erst einmal unsere Zimmer und richten uns ein. Der eigentliche Unterricht beginnt erst übermorgen.« Ich schlage mir die Hände vors Gesicht. »Es ist unglaublich. Ich bin völlig fertig mit den Nerven. Sieh ihn dir bloß mal an.« Ich deute auf den Bildschirm. »Er ist so ein toller Schauspieler. Was ist, wenn ich nicht gut genug bin?«

»Mach dich nicht lächerlich. Er hat dich doch beim Vorsprechen gesehen und weiß, dass du spielen kannst.«

»Er hat mich beim Vorsprechen gesehen«, wiederhole ich, während mir die Bedeutung der Worte erst richtig bewusst wird. »Marc Blackwell hat mich beim Vorsprechen gesehen. Das ist so … Wahnsinn!«

»Und es hat ihm gefallen.«

Meine Hand zittert, als...