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Heliosphere 2265 - Band 8: Getrennte Wege (Science Fiction)

Andreas Suchanek

 

Verlag Greenlight Press, 2013

ISBN 9783944652214 , 100 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

2,49 EUR


 

 

*

 

Lieutenant Commander Belflair starrte nachdenklich auf die Holosphäre. Sie hatte es gewagt, die Sensoren zu aktivieren. Da bisher keine feindlichen Schiffe aufgetaucht waren, um sie mit Torpedos und Lasern abzuschießen, war ihr das Glück wohl weiterhin hold. Das Ergebnis der Analyse wiederum war besorgniserregend. Insgesamt fünf Wurmlöcher aus geballter Sivor-Strahlung hatten die Sensoren entdeckt. Diese waren allerdings viel zu klein, als dass ein Mensch sie hätte benutzen können. Zudem war das Strahlenlevel derart hoch, dass lebendes Gewebe in unmittelbarer Nähe der Ereignishorizonte sofort vernichtet werden würde.

Trotzdem schlimm genug, dass die schon so weit gekommen sind. Vor ein paar Monaten hätte ich mich noch darüber gefreut.

Aber die technische Entwicklung machte gerade jetzt riesige Sprünge. Die geheimen Berichte von Admiral Isa Jansen und ihren Rebellen auf der Erde verdeutlichten, dass Sjöberg Millionen in den Verteidigungsetat pumpte. Die Werften arbeiteten unter Hochdruck, neue Schiffe wurden entworfen und gebaut. Und die Space Navy rekrutierte, was das Zeug hielt. Angeblich plante der Präsident sogar, eine allgemeine vierjährige Wehrpflicht für jeden Bürger der Solaren Union einzuführen. Kirby hoffte inständig, dass sich das nur als ein Gerücht erwies.

Die Sicherheit der Schiffe ist in der Hand genetisch gezüchteter Alphas, und E.C.s kontrollieren über Killchips die gesamten Führungscrews.

Tolle Aussichten waren das.

Sie aktivierte den Scan der offenen Phasenfunkports. Tatsächlich: Es gab einen öffentlichen Zugang. Natürlich waren über diesen keine Informationen zu bekommen, und wenn sie weiterbohrte, würde man sie zweifellos bemerken. Aber immerhin konnte sie auf die Metadaten der Signaturheader zugreifen. Und in diesen standen die entsprechenden Projektkürzel.

Kirby zuckte mit den Schultern. Das musste einstweilen genügen. Möglicherweise vermochten die Untergrundgenetiker auf lange Sicht mit Antworten auszuhelfen. Sie deaktivierte die Sensoren und brachte das Schiff zurück zum Rendezvouspunkt.

 

*

 

Dreadnought TORCH, am Sammelpunkt der Rebellenflotte, Krankenstation, 10. Juli 2266, 09:10 Uhr


 

Lustlos stocherte Lieutenant Commander Lorencia in ihrem Salat herum. Das Sandwich hatte sie nicht einmal angerührt. Mittlerweile gehörte es zum täglichen Ritual, auf der Krankenstation der TORCH zu frühstücken. Quasi als Ersatz für das allmorgendliche Frühstück mit Noriko in der Messe der HYPERION. Immerhin konnte sie hier Selbstgespräche führen, ohne dass es jemandem auffiel.

Die Nacht war viel zu schnell verstrichen. Die Worte von Doktor Tauser hatten sie wachgehalten, gingen ihr immer wieder durch den Kopf. Die Frage der Schuld. Und natürlich der Gefühle. Bisher war sie überzeugt gewesen, in Noriko einfach eine Freundin gefunden zu haben. Eine sehr gute Freundin. Mittlerweile war sie nur noch verwirrt und stellte alles infrage.

Vielleicht war es das schlechte Gewissen, das sie dazu getrieben hatte, der I.O. des Schiffes zu helfen. Oder es war von Anfang an tatsächlich mehr gewesen. Das Bedürfnis nach Nähe und … was? Sie wusste es einfach nicht. Und leider gab es niemanden, mit dem sie darüber sprechen konnte. Gut, Doc Tauser natürlich. Aber obwohl ihr das Gespräch mit ihm durchaus gutgetan hatte, schreckte sie vor einem weiteren zurück. Sie war doch nicht bescheuert. Und ein Trauma hatte sie auch nicht. Das waren völlig normale Alltagsprobleme – naja, mehr oder weniger. Dafür benötigte niemand einen Psychodoc.

Wütend starrte sie das Sandwich an. Schließlich griff sie danach und biss ein großes Stück davon ab. Zwar hatte sie noch immer keinen Hunger, doch etwas musste sie essen. Andernfalls würde ihr Körper die nächste Zehnstundenschicht nicht überstehen.

Im Grunde lief es auf eine simple Frage hinaus: Schuld oder Liebe? Fühlte sie sich schuldig für all die Fehler, die sie begangen hatte und die Norikos Leben negativ beeinflusst hatten – oder fühlte sie Liebe? Was empfand sie für Noriko Ishida? Vielleicht eine gefährliche Mischung aus beidem? Und was noch viel wichtiger war: Spielte es überhaupt eine Rolle?

Sie schaute zum Stasetank hinab. Das bleiche Gesicht ihrer Vorgesetzten, Kollegin und Freundin ließ sie aufschluchzen.

Was ist nur los mit mir?! Reiß dich zusammen, Lorencia!

Sie wandte schnell den Blick ab. Sie konnte sich momentan einfach nicht mit so etwas auseinandersetzen. Sie trug die Verantwortung für die HYPERION. Theoretisch konnten sie jeden Augenblick von einer Armada regierungstreuer Schiffe entdeckt werden. Ein einzelner Verräter in den eigenen Reihen, der die Position an die Feinde durchgab, reichte aus.

Mit einem letzten Aufseufzen warf sie Salat und Sandwich in den medizinischen Recycler, straffte die Schultern und ging davon. Die Arbeit rief. Ein weiterer Tag wartete. Ein weiterer verdammter Tag.

 

*

 

NOVA-Station, Alzir-System, 10. Juli 2266, 12.25 Uhr


 

Er stand im Dämmerlicht und wartete. Das Quartier lag tief in den Eingeweiden der Station, die Smart-Wall-Monitore waren deaktiviert. Kein Geräusch war zu hören, nur sein eigener Herzschlag.

Nur einer. Wie ungewohnt der Verlust seines Erstherzes doch war.

Dann endlich, fünfzehn Minuten nach dem Beginn der Mittagspause der Alphaschicht, glitt das Schott zur Seite. Captain Ivo Coen, ehemaliger Kommandant der TÈQUÁN, betrat sein Privatquartier.

Lukas beobachtete jede Bewegung des Mannes, war auf die möglichen Reaktionen vorbereitet. Die bionischen und nanomechanischen Erweiterungen seines Körpers gaben ihm einen Überblick über die Situation. Der Captain war müde und frustriert. Der optische Zoom enthüllte zudem eine Weitung der Pupillen.

Er nimmt Medikamente.

Lukas wusste von dem Verlust, den der Mann ertragen musste. Bei dem Angriff auf Pearl waren seine Frau und die Kinder ums Leben gekommen. An einem solchen Schicksalsschlag konnte man zerbrechen. Coen machte jedoch weiter. Mochte er auch Tabletten nehmen, die seinen Schmerz betäubten, er weigerte sich offensichtlich aufzugeben. Sein Gesicht wirkte müde.

»Hallo, Captain«, sagte er.

Die Reaktion des Mannes kam viel zu langsam. Als er den Pulser gezogen und auf Lukas ausgerichtet hatte, war der längst heran und prellte ihm die Waffe aus der Hand.

»Ich will Ihnen nichts tun, nur reden«, machte er Coen klar. »Hören Sie mir zu, und ich bin so schnell hier heraus, wie ich aufgetaucht bin.«

»Wie sind Sie hier hereingekommen?«

Bei den Sicherungssystemen wundert es mich, dass hier nicht täglich mindestens ein unangemeldeter Besucher auftaucht. Lukas ermahnte sich selbst. Das Eindringen war dank seiner Erweiterungen einfach gewesen. Gewöhnliche Menschen würden vermutlich scheitern. »Uninteressant. Wichtiger ist, wer ich bin und was ich Ihnen anbiete. Heute, im Hangar vor dem Landepod, Sie wollten den Lieutenant retten.«

»Woher wissen Sie … Ja, das wollte ich.« Coen stellte die Gegenwehr ein. »Aber ich habe es nicht.«

Lukas ließ von ihm ab. »Der E.C. hätte Sie direkt hinterhergeworfen. Sie waren nicht in der Position, den Lieutenant zu retten. Was, wenn ich Ihnen sage, dass sich das bald ändern könnte.«

»Und wie, Commander Akoskin, sollte das zu bewerkstelligen sein?«

Lukas wollte schon weitersprechen, als er endlich begriff. Coen kannte seinen Namen. Und es war kein Zufall, dass er im Verlauf ihres Gesprächs bis zu seinem Schreibtisch zurückgewichen war. Plötzlich hielt der Captain einen Pulser in der Hand.

»So gefällt mir die Unterhaltung schon besser. Ihr Pulser ist deaktiviert«, sagte Coen. Er setzte sich auf die Kante seines Schreibtisches und behielt Lukas genau im Blick. »Dachten Sie wirklich, dass ein Vollbart und gefärbtes Haar Sie gänzlich unkenntlich machen? Also, was wollten Sie gerade sagen?«

Natürlich hätte Lukas den Captain problemlos entwaffnen können. Seine Implantate verliehen ihm die notwendige Wendigkeit und Schnelligkeit. Außerdem konnte er es an winzigen Veränderungen der Körperhaltung, Mimik und Gestik erkennen, wenn Coen feuern würde. Doch er wollte den Mann als Freund gewinnen, nicht als Feind.

»Sie wissen so gut wie ich, dass Sjöberg und seine I.S.P. die Solare Union zerstören. Sie halten ein Staatengebilde mit eiserner Faust zusammen, das man längst nur noch als Diktatur bezeichnen kann.« Lukas versuchte, sich zu entspannen und das Fehlen seiner Erweiterungen zu ignorieren. Er hätte sie einfach nicht mehr aktivieren dürfen. Die Gewohnheit kam viel zu schnell. »Ich habe es in Ihren Augen gesehen, als der Lieutenant vor den Marines floh.«

»Er war ein Saboteur. Manch einer würde sagen: Terrorist.«

Lukas lachte auf. »Ein Wort, das heutzutage verdammt oft gebraucht wird. Aber sei’s drum, er hätte trotzdem ein ordentliches Verfahren verdient. Vielleicht wurde er ja auch nur reingelegt, und ein anderer löste die Bomben aus. Das werden wir nun niemals...