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Feuer - Verborgene Sehnsucht - Feuer 2

Coreene Callahan

 

Verlag Heyne, 2013

ISBN 9783641104436 , 512 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR


 

2

Ein gleichmäßiges Summen lag in der stickigen Luft, der leise Klang begleitete den schnellen Abstieg des Aufzugs. Die sanft gleitende Fahrt im Lift hätte Ausdruck vollkommener Perfektion sein können. Aber diesmal nicht. Nicht heute Nacht. Nie wieder. Bis in alle Ewigkeit würde der kleine, stählerne Innenraum Angela Keen an einen Käfig erinnern.

Und an ein Meer aus Schmerzen.

Sie kniff die Augen zusammen und versuchte, die letzten Stunden zu vergessen. In diesen Erinnerungen lag nichts Gutes. Ob sie Minuten oder Stunden alt waren, spielte keine Rolle. Die Vergangenheit musste bleiben, wohin Angela sie verbannt hatte, nämlich fest verschlossen in einer Kiste ganz hinten in ihrem Hirn.

Zusammen mit ihrer Angst.

Aber die Panik schnürte ihr die Kehle zu. Sie zwang sich, Luft zu holen, lehnte sich gegen die Gefangenschaft auf … gegen das Schicksal. Gegen Gott. Gegen jeden, der ihr einfiel, während sie die Arme verdrehte und versuchte, die Kabelbinder an ihren Handgelenke zu lockern. Keine Chance. Die Dinger gaben kein Stück nach. Das Plastik hielt. Und es war fachmännisch angebracht.

Und sie sollte es wissen. Wie oft hatte sie im Dienst Verbrechern wie diesem hier genau solche Handfesseln angelegt? Hundert Mal? Zweihundert … tausend?

Mann, was für eine Ironie. Sie war Detective im Morddezernat. Und vollkommen hilflos.

Ihre ganze Ausbildung – Kampfsport, Schusswaffenqualifikation, Überlebenstraining – wofür? Nur um jetzt hier von einem muskelbepackten Psychopathen festgehalten zu werden. Als Gefangene eines Krieges, von dessen Existenz sie bis vor ein paar Stunden nicht einmal gewusst hatte.

Drachen. Heilige Scheiße, wer hätte an so etwas gedacht?

Sie nicht. Der restliche Planet auch nicht. Ihres Wissens hatte die Menschheit keine Ahnung, dass Bestien mit Schuppen und Klauen unter ihnen lebten.

Sie schluckte, kämpfte gegen das ständige Aufbegehren ihres Magens an und wünschte sich, ihr wäre das Wissen auch erspart geblieben. Aber die Wahrheit hatte nun mal ein paar schlechte Angewohnheiten. Etwa die, sie zur Weißglut zu treiben. Ihr eine weitere Dosis Realität zu verpassen, während der Kerl, der sie festhielt, sie von hinten anstieß. Im verzweifelten Versuch, Abstand zu dem Psycho in ihrem Rücken zu gewinnen, stolperte sie auf ihren rutschigen Papierschlappen zur Seite, der Saum des Krankenhauskittels strich über ihre Knie.

Dieser dreckige Bastard.

Ja, das klang passend. Aber »schwarzäugiger Hurensohn« traf es vielleicht noch besser. Razorback-Ratte klang auch ganz gut. Na ja, egal mit welchen Bezeichnungen sie Lothair bedachte, »freundlich« war jedenfalls nicht darunter. Der Typ trug die Bösartigkeit vor sich her wie einen Baseballschläger und wusste, wie man damit umging.

»Bereit, dir dein neues Zuhause anzugucken, Süße?«, fragte die Ratte und kam näher. Seine Stiefel kratzten über den Stahlboden, und mit klopfendem Herzen lehnte sie sich von ihm weg. »Zellenblock A wird dir gefallen. Ist gemütlich. Und du hast Gesellschaft.«

Angela spürte einen Knoten im Magen. Bisher hatte sie es vermieden, mit Lothair zu sprechen. Sie konnte seine Nähe nicht ertragen, geschweige denn den Klang seiner Stimme, aber …

Diese Information konnte sie sich nicht entgehen lassen. Wenn noch weitere Frauen im Gebäudekomplex der Razorback gefangen gehalten wurden, musste sie das wissen.

»Wie viele?« Sie zuckte zusammen, als ihr die Frage über die Lippen kam. Himmel, sie klang heiser. Wie die Opfer der Gewaltverbrechen, mit denen sie jeden Tag sprach. Aber im Moment entsprach sie dieser Beschreibung wohl auch selbst nur allzu gut. Allein der Gedanke daran weckte den Wunsch in ihr, sich hinzusetzen und in Tränen auszubrechen. »Wie viele sind hier?«

»Bis jetzt zwei. Aber es werden noch mehr.« Er summte leise hinter ihr, seine Zufriedenheit war so offensichtlich, dass Angela sich umdrehen und ihm den Kopf abreißen wollte. Zu dumm, dass sie keine Waffe hatte. »Frauen mit mächtiger Energie, wie du … optimale Gene für Ivars Projekt. Und sie schmecken gut, besser als die Huren aus der Innenstadt. Hmm, ja. Ich kann es kaum erwarten, noch mal von dir zu kosten, Süße.«

Angela biss die Zähne zusammen und weigerte sich, auf die Bemerkung einzugehen. Lothair war schlau, skrupellos und brutal. Er wollte, dass sie sich daran erinnerte, wie es sich angefühlt hatte, als er hungrig über sie hergefallen war. Dass sie den Druck seiner Lippen an ihrer Kehle noch einmal spürte, seine rauen Hände auf ihrem Körper, das schreckliche Saugen und Schmatzen hörte und …

Nein. Auf gar keinen Fall.

Sie weigerte sich, daran zu denken. Wollte nicht eine Sekunde des Übergriffes erneut durchleben oder darüber nachdenken, dass Lothair ihr etwas Lebenswichtiges genommen hatte. Was? Sie wusste es nicht genau, aber die schreckliche Erfahrung ließ sie nicht mehr los. Spulte so lange durch ihren Kopf, bis die ersten Tränen hinter ihren Lidern brannten. Sie atmete zitternd aus und schob die Panik beiseite: packte den Schmerz in eine kleine Kiste und schickte die Erinnerung im Geiste in ein anderes Postleitzahlengebiet, während sie sich etwas anderes ins Gedächtnis rief. Eine Erinnerung, die sich nicht recht fassen ließ, auch wenn sie wusste, dass sie da war … tief vergraben, umgeben von einer undurchdringlichen Mauer.

R. Sie erinnerte sich an einen Namen, der mit R anfing. Und an etwas anderes. Eisblaue Augen: Wunderschön und voll Sorge schimmerten sie in der Dunkelheit. Sie hielt sich an dem Bild und dem Gefühl, das es in ihr weckte, fest – sicher, glücklich, stark genug, um mit dem fertigzuwerden, was sie als Nächstes erwartete.

Und das musste ein anständiger Arschtritt sein.

Selbstmitleid würde ihr nicht weiterhelfen. Einfallsreichtum und schnelles Denken waren dagegen überlebenswichtig. Sie war tough, gut ausgebildet und konnte bestimmen, welcher Schmerz sie traf und welcher nicht. Als sie die mentalen Barrikaden hochzog und sich hinter ihrem psychologischen Schutzwall verschanzte, warf sie einen Blick über die Schulter. Braune Augen begegneten den ihren, so dunkel, dass die Pupillen mit der Iris verschmolzen. Sie hob das Kinn und gab sich selbst ein Versprechen. »Ich werde dich umbringen, weißt du das?«

Er lachte. »Ich glaube, der Versuch würde mir gefallen, Süße. Bitte … keine falsche Zurückhaltung.«

Seine Stimme klang unheimlich, wie das Knarren von Ästen im Winter, es war der Klang der Isolation und des Massenmordes. Und als die Angst ihr das Rückgrat hinaufkroch, unterdrückte Angela ein Zittern, um sich nicht zu verraten. Denn das würde dem sadistischen Hurensohn gefallen. Oh, ja. Nichts machte ihn mehr an, als der Anblick ihrer Furcht. Das hatte sie im Verhörraum auf die harte Tour gelernt. Sie schob die Erinnerung beiseite. Ihre Erfahrung sagte ihr, dass der Bastard sie gerne eingeschüchtert und unterwürfig sah. Der Kerl war wirklich ekelhaft. Lothair war brillant mit großem B und ein skrupelloser Taktiker, maß ihre Schwäche, setzte sie gegen sie ein, trieb ihre Vorstellungskraft immer tiefer in die Gefahrenzone.

Himmel, warum brauchte der Aufzug so lange? Sie musste hier raus. Musste diesem manipulativen Mistkerl entkommen, denn …

Sie konnte ihn riechen. Fühlen, wie er sie anstarrte, auch wenn sie ihn nicht sah. Und während sein Blick über ihren Körper wanderte – wachsam, wartend –, zog sich ihr Magen zusammen. Ihre Muskeln spannten sich an, bereit loszuschlagen. Es würde sich so gut anfühlen, ihm eine zu verpassen. Einfach auszuholen und ihm den Ellbogen ins Gesicht zu rammen. Das Knacken zu spüren, wenn seine Nase brach, und seinen schmerzerfüllten Aufschrei zu hören. Aber das hatte sie bereits versucht, und ein verschlossener Aufzug war der letzte Ort, an dem eine Frau von Verstand mit einem wütenden Psychopathen festsitzen wollte.

»Denkst du daran wegzulaufen, wenn die Tür aufgeht, Süße?«, wie eine Giftschlange wand sich seine Stimme durch die Stille. Angela schrie innerlich. Er stieß sie mit der Stiefelspitze an. »Komm schon. Mach es interessant. Lauf.«

Angela schluckte ihre Wut zusammen mit einer unklugen Bemerkung hinunter. Man konnte Feuer nicht mit Feuer bekämpfen. Worte würden ihr nichts einbringen außer noch mehr blauen Flecken. Die beste Strategie war Schweigen. Ihre ausbleibende Reaktion würde ihn zur Weißglut treiben. Ihn vielleicht sogar so sehr verärgern, dass er einen Fehler beging und die Information preisgab, die sie brauchte, um sich zu befreien.

»Was? Nichts mehr zu sagen? Willst dich nicht mehr wehren?« Er beugte sich vor, viel zu nah, provozierte sie, ohne sie zu berühren. Ihr ganzer Körper verkrampfte sich. »Wie schade. Ich mag es, wenn meine Mädchen ein bisschen wehrhaft sind.«

Wehrhaft. Klar. Was er mochte, war ein lebendiger Sandsack, der weinte und um Gnade flehte. Diese Befriedigung gönnte sie ihm auf gar keinen Fall. Genauso wenig wie einen leichten Sieg.

Angela bewegte die Hände, um die Durchblutung anzuregen. Als ihre Fingerspitzen zu kribbeln begannen, machte sie sich bereit. Das leise Knarren und Schwanken des Aufzugs verriet ihr, dass sie fast angekommen waren. Sicher, sie mochte um Rettung beten, aber das hieß nicht, dass sie sich zurücklehnen und darauf warten würde. Sie wusste, was sie tat, hatte eine ganze Kiste voller Kampftechniken und strategischem Wissen im Kopf. Sie musste es nur einsetzen – konzentriert bleiben, aufpassen, einen Weg hier heraus finden.

Ein toller Plan … theoretisch. Das einzige Problem? Die Schläge...