dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Gib's mir, Schatz! - (K)ein Fessel-Roman

Ellen Berg

 

Verlag Aufbau Verlag, 2013

ISBN 9783841206343 , 320 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

Geräte

9,99 EUR


 

Kapitel eins


»Schatz, hast du meine Anti-Cellulite-Creme gesehen?«

Anne hatte die Frage kaum gestellt, als sie auch schon wusste: Das war ein Fehler gewesen. Ein schwerer Fehler.

Gerade noch hatte Joachim ihren Arm gestreichelt, jetzt ließ er ruckartig von ihr ab. Sein Blick wanderte zu Annes Schenkeln, die nur notdürftig von einem verwaschenen, ausgeleierten XXL-T-Shirt verdeckt wurden.

»Äh, wie wär’s mal mit ein bisschen Sport?« Er zog eine Grimasse. »Wäre jedenfalls besser, als dieses sauteure Zeugs zu kaufen. Oder glaubst du im Ernst, dass ein bisschen Creme irgendwelche Dellen ausbügelt?«

Anne war am Boden zerstört. Das hatte sie nun davon. Seufzend sah sie in den Badezimmerspiegel.

Eigentlich hatte sie sich den Auftakt zu dieser Nacht etwas anders vorgestellt. Nach langer, viel zu langer Zeit hatte sie auf ehelichen Sex gehofft. Die Ausgangsbedingungen waren nämlich gar nicht so übel gewesen. Gemessen an den üblichen Komplikationen sogar genial. Joachim hatte nicht vor, die halbe Nacht am Laptop zu verbringen. Im Fernsehen liefen weder Sport noch eine von seinen Lieblingskrimiserien. Lars, ihr fünfjähriger Sohn, schlief längst, und es sah nicht danach aus, dass er Annes geheime Sexpläne durch Brechdurchfall, Keuchhusten oder andere nächtliche Einlagen stören würde. Außerdem war ihr Mann heute auffallend entspannt gewesen.

Doch nun hatte sie selbst die zärtliche Stimmung abgefackelt, die in der Luft gelegen hatte.

»Also, ich hau mich dann schon mal hin«, gähnte Joachim.

Die Hoffnung stirbt zuletzt, dachte Anne. Heute ist die Nacht der Nächte, Cellulite hin oder her.

»Nicht einschlafen, komme gleich nach!«, flötete sie.

Joachim kratzte sich ausgiebig am Rücken, eine Angewohnheit, die Anne ausgesprochen abtörnend fand.

»Das sagst du immer, und dann dauert es Stunden«, beschwerte er sich. »Was treibst du bloß vor dem Schlafengehen? Deine Dellen zuspachteln?«

»Vielen Dank für die nochmalige Erinnerung, dass ich nicht mehr taufrisch bin«, fauchte Anne.

Joachim grinste schief. »Immer wieder gern.«

Er gab Anne einen Klaps auf den Po. Einen dieser kumpelhaften Klapse, die sie hasste, weil sie in etwa so erotisch waren wie die unförmigen Boxershorts mit Bart Simpson-Aufdruck, die Joachim neuerdings trug.

»Hey, ich bin eine Frau, schon vergessen? Und eine Frau hat …«, sie räusperte sich, um dann todesmutig hervorzustoßen: »Gewisse Bedürfnisse!«

»Ach ja?« Joachim ordnete gedankenverloren sein Gemächt in den unendlichen Weiten der Boxershorts. Auch so ein Abtörner. »Ich würde sagen, du hast ein Problem mit den zwei Chinesen.«

»Wie jetzt?«

Selbstverliebt betrachtete Annes Mann seinen Oberkörper im Spiegel, bevor er antwortete: »Stei-Ling und Tei-Ming.«

Vollkommen verdattert stand Anne da. »Soll ich im Lexikon nachschlagen, oder kannst du etwas deutlicher werden?«

»Na, dein Sty-ling ist grenzwertig – oder findest du dieses T-Shirt etwa sexy? Und dein Ti-ming, na ja. Wenn du mit deinem Beautyprogramm fertig bist, befinde ich mich regelmäßig im Tiefschlaf. Was auch immer du heute noch mit mir vorhast – weck mich bitte nicht dabei auf.«

Damit trollte er sich.

Auf der Frustskala von eins bis zehn war Anne kurz vor hundert. Wütend musterte sie ihr Spiegelbild. Okay, das T-Shirt war nicht gerade ein Knaller, und mit ihren achtunddreißig war sie auch nicht mehr so knackig wie diese jungen Dinger, die hüftwackelnd durch die Gegend rannten und ihre straffe Haut vorführten. Aber sie war immer noch ziemlich ansehnlich. Langes, blondes Haar floss in sanften Wellen über ihre Schultern. Ihre rehbraunen Augen waren auch nach dem Abschminken ausdrucksvoll, ganz ohne Wimperntusche und Kajal. Und abgesehen von dem bisschen Cellulite hatte sie wirklich noch eine einigermaßen gute Figur.

Nur das strahlende Lächeln, in das sich Joachim einst verliebt hatte, war verschwunden.

Anne sah in das blasse, erschöpfte Gesicht einer Frau, die sich zwischen Job und Muttersein aufrieb, täglich ein vollwertiges Abendessen auf den Tisch des Hauses zauberte, die Wohnung in Schuss hielt, den gemeinsamen Sohn zum Kindergarten, zum Malkurs, zum Fußballtraining fuhr. Und wieder abholte, versteht sich.

Zwischen diesen ganzen Aktivitäten war noch mehr verschwunden als nur ihr strahlendes Lächeln – das erregende Prickeln zwischen ihr und ihrem Mann. Wann hatten sie eigentlich das letzte Mal miteinander geschlafen? Anne erinnerte sich dunkel an ein flüchtiges Geplänkel im letzten Sommerurlaub. Jetzt war Mai. Sollte das etwa normal sein? Tote Hose nach sechs Jahren Ehe?

Gedankenverloren kämmte sie sich die Haare. Sie sehnte sich ja nicht nur nach Lust und Leidenschaft. Anne wollte ein zweites Kind. Lars war fünf. Höchste Zeit für ein Geschwisterchen. Aber wie sollte das wohl entstehen ohne den üblichen Austausch von Körperflüssigkeiten? Also war jetzt Eile geboten.

Die Suche nach der Cellulite-Creme gab sie auf. Das blöde Zeug hatte ihr schon genug Scherereien eingebracht. Sie warf den Kamm auf die Ablage über dem Waschbecken, knipste das Licht im Badezimmer aus und schlich auf Zehenspitzen in den Flur. Mit angehaltenem Atem horchte sie, ob Lars wach geworden war. Alles ruhig, stellte sie erleichtert fest. Also los.

Als sie das Schlafzimmer betrat, war es darin stockdunkel. Man hörte nur die tiefen, regelmäßigen Atemzüge eines schlafenden Mannes, der offenbar jeden Gedanken an Sex aufgegeben hatte. Jedenfalls mit ihr.

***

»Hey, Schnecke, was ist los?«

Anne fuhr herum. Es war Samstagmittag. Ihr heiliger Samstagmittag. Wie immer war sie mit ihrer besten Freundin Teresa verabredet, von allen Tess genannt. Atemlos stand sie vor Anne und strich sich die Fransen ihres rotbraunen Kurzhaarschnitts aus der Stirn.

Sie kannten sich schon seit über zehn Jahren. Damals waren sie im selben Yoga-Kurs gewesen und hatten sich beide in den überirdisch schönen Yoga-Lehrer verknallt. Es war bei bloßer Schwärmerei geblieben, weil der gute Mann enthaltsam lebte. Aber sie hatten auf diese Weise eine Freundin fürs Leben gefunden.

Die siebenunddreißigjährige Tess war ein echter Hingucker: sinnlich, kurvenreich, aufreizend selbstbewusst. Jetzt hefteten sich ihre vergissmeinnichtblauen Augen auf Annes missmutiges Gesicht.

»Du siehst fertig aus«, befand sie und setzte sich.

Anne zuckte mit den Schultern. Eigentlich hatte sie sich auf Tess gefreut. Die samstäglichen Treffen mit ihrer Freundin waren immer ein kleines Highlight. Doch heute dümpelte ihre Laune auf einem historischen Tiefstand. Was konnte niederschmetternder sein, als vom eigenen Mann verschmäht zu werden?

Deprimiert ließ sie den Blick durch ihre Lieblingsbar »Lorettas Loft« schweifen: ein hellgrün gestrichener Raum mit unverputzten Eisenträgern, einem langen Tresen aus gewischtem Edelstahl und bequemen Korbstühlen. Zwei künstliche Palmen und eine zentimeterdicke Schicht weißen Sands beschworen ein gewisses Südseeflair. Die bodentiefen Fenster waren weit geöffnet und ließen die ersten Strahlen der Frühlingssonne herein.

Samstags tranken die beiden Freundinnen hier immer ihren Caffè Latte und lästerten ein bisschen über die aufgerüschten jungen Mädchen ab, die auf der Suche nach ihrem Prinzen waren. Was sich im Falle von Anne und Tess erledigt hatte. Anne war schließlich verheiratet, und Tess lebte mit Bernd zusammen, einem gutmütigen Mittdreißiger, der sich als Hausmann betätigte. Tess hatte einen rasend lukrativen Job als Investmentbankerin. Ihr Gehalt reichte locker für zwei.

»Sag schon, was ist los mit dir?«, wiederholte Tess ihre Frage.

Wie Anne trug sie Jeans und T-Shirt. Da sie beide nicht auf Männerjagd waren, bevorzugten sie bei ihren Treffen unkomplizierte Klamotten.

»Nix ist los«, murrte Anne. »Das ist ja das Problem.«

Tess rollte mit den Augen. »Wie soll ich das denn jetzt verstehen?«

Einen Moment lang zögerte Anne. Klar, mit Tess konnte man über alles reden. Doch was Anne bedrückte, war eine, nun ja, sehr intime Angelegenheit. Die intimste überhaupt: Sex. Und so vertrauensvoll ihr Verhältnis zu Tess auch war, spürte Anne dennoch eine gewisse Scheu bei dem Thema.

»Najaaaa«, antwortete sie gedehnt. »Es geht um Joachim. Und mich.«

»Du musst schon ein bisschen konkreter werden«, sagte Tess. »Habt ihr euch gestritten? Bringt er den Müll nicht runter? Lässt er die Tür offen, wenn er aufs Klo geht? Kümmert er sich zu wenig um Lars? Ist er …«

»Nein«, unterbrach Anne ihre Freundin, »soweit ist alles in Ordnung, aber …« Sie schluckte. »Darf ich dich mal was fragen?«

»Alles, was du willst«, versicherte Tess, während sie in ihrer riesigen Umhängetasche aus rotem Leder kramte.

Anne nahm all ihren Mut zusammen. »Wie läuft es bei euch denn so – im Bett?«

»Oh«, sagte Tess. Dann sagte sie eine Weile gar nichts.

Wortlos wühlte sie weiter in ihrer Tasche. Erst als der Kellner zwei Caffè Latte auf den Tisch gestellt hatte, erwiderte sie: »Ist das jetzt der Moment, wo du mir was verkaufen willst? Viagra zum Beispiel?«

Anne arbeitete als Empfangsdame bei einem Urologen, der sich auf Herren mit Potenzproblemen spezialisiert hatte. Entsprechend gehörte die Verschreibung von Viagra und anderen stärkenden Medikamenten zu seinem täglichen Programm, wie Anne ihrer Freundin einmal kichernd erzählt hatte. Die Nachfrage war überraschend groß.

»Quatsch«, zischte Anne. »Ich meine nur – ist es bei euch noch so wie am Anfang?«

Nachdenklich nippte Tess an ihrem Caffè Latte. »Ziemlich indiskrete...