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City Crime - Vermisst in Florenz - Band 1

Andreas Schlüter

 

Verlag Tulipan Verlag, 2013

ISBN 9783864291685 , 144 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

Geräte

9,99 EUR


 

FLORENZ!


Finn kam sich total bescheuert vor. Er saß am Abfertigungsgate des Flughafens und trug diesen blöden Brustbeutel, in dem sein Ausweis und seine Bordkarte steckten, damit sie nicht verloren gingen. An einem Band um den Hals gehängt wie eine Hundemarke! Als ob er zu dämlich wäre, einen Ausweis in seiner Tasche aufzubewahren.

»So sehen die Flugbegleiter gleich, dass du abgeholt werden musst«, hatte seine Mutter ihn zu beruhigen versucht. Aber genau das war ja das Schlimme. Er trug einen Brustbeutel, damit JEDER sofort sah, dass er eine Begleitperson brauchte. Unfähig, sich allein zurechtzufinden. Wie ein Baby, das im Kinderparadies eines Möbelhauses nach seiner Mami schrie!

Finn überlegte gerade, ob er den Brustbeutel nicht einfach zusammenknüllen und in die Hosentasche stecken sollte, als schon eine Flugbegleiterin mit einem breiten Lächeln auf ihn zukam und säuselte: »Du bist Finn?«

Die Versuchung war groß, mit »Nein!« zu antworten. Er war, soweit er es überblickte, der einzige Junge, der ohne Begleitung mit dieser Maschine flog und einen entsprechenden Brustbeutel um den Hals trug. Wer also sollte er wohl sonst sein als eben Finn Martens, gebucht auf die Maschine um 9 Uhr nach Florenz? Finn antwortete nicht, sondern folgte ihr einfach nur stumm wie ein Geheimagent, den man kurz vor seinem Abflug doch noch festgenommen hatte und nun abführte.

Er bekam einen Sitzplatz am Fenster in der dritten Reihe. Wenigstens ein guter Ausblick. Es war nicht sein erster Flug. Er war mit seiner Familie schon öfter in den Urlaub geflogen: nach Mallorca, Paris, Faro und nach Antalya.

Leider noch nie nach New York oder Kanada, wohin Joanna am liebsten mal fliegen würde. Er würde, wenn er einen Wunsch frei hätte, gern mal nach Südafrika reisen.

Aber nun erst mal nach Florenz. Die Vorfreude, die er seit Wochen empfand, seine Schwester und seinen Vater wiederzusehen, war nun weitgehend der Aufregung und auch Angst gewichen. Gemeinsam mit Joanna musste er herausfinden, was mit seinem Vater passiert war!

Die Flugbegleiterin reichte ihm ein Spielzeugflugzeug und einen kleinen Malkasten.

»Kann ich ’ne Cola bekommen?«, fragte Finn, während er das Geschenk der Fluggesellschaft für Kleinkinder mit einer Handbewegung ablehnte.

»Später«, versprach die Frau mit dem Halstuch in den Farben der Fluglinie, steckte das Geschenk ein und bot ein anderes an: »Kopfhörer?«

»Gern!«, freute sich Finn und wollte zulangen.

»2 Euro 50!«

Finn verzog das Gesicht. ›Dumme Nuss!‹, dachte er und schaute aus dem Fenster. Währenddessen schoben sich die restlichen Fluggäste ins Flugzeug.

Auf die beiden Plätze neben ihm setzten sich ein Junge, den Finn ein bisschen älter schätzte als sich selbst, vielleicht in Joannas Alter, und – so vermutete Finn – dessen Vater.

»Hallo«, begrüßte Finn ihn knapp.

»Ciao!«, antwortete der Junge.

Finn war verwundert: Hieß »Ciao« nicht so viel wie »Auf Wiedersehen«? Der Kellner in der Pizzeria jedenfalls verabschiedete sich immer so. Aber der Junge war doch gerade erst gekommen?

Finn sah wieder aus dem Fenster. Doch der Junge tippte ihm gegen den Arm. »Andrea!«

Finn schaute sich um. Hatte der Typ auch eine Schwester? Finn konnte kein Mädchen entdecken. Trotzdem sagte er: »Meine Schwester heißt Joanna!«

»Andrea!«, wiederholte der Junge.

Finn nickte. Schon klar!

Der Junge schüttelte den Kopf. »Mi chiamo Andrea!« Dabei tippte er mit dem Finger stolz gegen seine Brust.

Finn verstand. Aber was war mit dem Typ los? Machte der alles umgekehrt? Zur Begrüßung sagte er »Ciao« und er trug einen Mädchennamen! Finn versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, und sagte nur: »Ich bin Finn!«

»Finne?«, fragte der Junge und grinste.

Finn verzog das Gesicht. Sollte das jetzt ein müder Witz sein? »Nee, alter Schwede!«, antwortete er. Sollte Mister Alles-Umgekehrt doch denken, was er wollte. Finn schaute wieder aus dem Fenster. Die Maschine startete.

Andrea, der auf dem Mittelplatz saß, versuchte über Finn hinweg ebenfalls einen guten Blick aus dem Fenster zu erwischen. Finn presste sich so weit wie möglich in die Rückenlehne. So konnten sie beide gemeinsam hinausschauen und sehen, wie das Flugzeug abhob und die Stadt unter ihnen immer kleiner wurde. Bis sie schließlich die Wolkendecke durchbrochen hatten, die den Blick auf die Stadt versperrte. Es war, als würden sie durch ein Meer aus Watte fahren, über dem nichts als blauer Himmel und Sonne zu bewundern waren.

»Grandioso!«, strahlte Andrea und bedankte sich bei Finn dafür, dass der den Blick aus dem Fenster mit ihm teilte. »Grazie!«

Dann ließ er sich in seinen Sitz zurückfallen und nahm sich die Fußballzeitschrift vor, die es am Eingang des Flugzeugs gratis gegeben hatte. Eine deutsche Zeitschrift. Finn konnte eindeutig erkennen, dass Andrea sich nicht nur die Fotos ansah, sondern auch den Text las.

»Du sprichst Deutsch?«, fragte Finn.

»Na klar!«, antwortete Andrea.

»Aber …« Finn brach ab, überlegte kurz. Und begann seine Frage erneut: »Aber du hast die ganze Zeit Italienisch gesprochen!«

»Naturalmente!«, antwortete Andrea. »Wir fliegen gerade nach Florenz, oder nicht? Italien! Da man spricht Italienisch!«

›Pappnase!‹, dachte Finn und verzog das Gesicht. Das hätte Andrea ihm aber auch gleich sagen können, dass er zweisprachig war.

Doch im Laufe des Flugs entpuppte sich Andrea doch noch als netter Sitznachbar. Andrea wohnte bei seinem Vater in Deutschland und nutzte nun die Ferien, um mit ihm gemeinsam seine Mutter zu besuchen.

Also genau andersherum als bei Finn. ›Sag ich doch‹, dachte Finn, ›der Typ macht alles umgekehrt.‹

Als das Flugzeug zur Landung ansetzte, tauschten die beiden ihre Adressen aus, und zwar sowohl ihre deutschen als auch die italienischen.

Finns Vater wohnte gar nicht weit von Andrea’s Mutter entfernt, wie Andrea mit einem Blick auf den Zettel feststellte. Er kannte sich in Florenz bestens aus, denn so, wie Joanna nur für ein Jahr in Florenz lebte, war Andrea erst seit einem Jahr in Deutschland und würde auch nur noch ein halbes Jahr bleiben.

Vielleicht war da doch was dran, dass Kinder oder Jugendliche schneller Fremdsprachen lernten als Erwachsene, dachte Finn. Er war gespannt, ob Joanna schon halb so gut Italienisch sprechen konnte wie Andrea Deutsch. Er selbst war sogar im einfachen Englisch-Unterricht eine ziemliche Niete.

Das Flugzeug landete, und da Finn nur knapp vierzehn Tage bleiben wollte, trug er nur Handgepäck bei sich. Allerdings hatte er dafür zu Hause so wichtige Dinge wie sein Taschenmesser wieder aus dem Rucksack auspacken müssen. Das würde seine Mutter ihm nachbringen. Die hatte sich gewundert, wie man für fast zwei Wochen so wenig Gepäck benötigen konnte. Weil sie es sich gar nicht hatte vorstellen können, hatte sie sogar noch kontrolliert, ob er wirklich genug frische Unterhosen, Socken und Shirts dabeihatte. Das hatte er, laut dem Urteil seiner Mutter, nicht.

Doch Finn hatte abgewinkt. »Papa hat doch eine Waschmaschine! Wozu also so viel mitschleppen?«

Das hatte seine Mutter überzeugt, obwohl Finn nicht vorhatte, seine Kleidung während der Reise zu waschen. Das behielt er aber für sich.

Er brauchte also nicht am Gepäckband zu warten und konnte sofort hinausgehen. Wenn er nur nicht diesen blöden Brustbeutel tragen müsste! Denn die Flugbegleiterin hatte sich in den Kopf gesetzt, ihn zu eskortieren, bis sie gemeinsam Finns Vater getroffen haben würden. Aber das ging nicht! Sein Vater wartete natürlich nicht am Ausgang. Genau deshalb war er ja bereits jetzt und allein nach Florenz geflogen. Um seinen verschollenen Vater zu suchen. Das wiederum durfte er natürlich niemandem erzählen. Was sollte er tun?

Ihm fiel nichts Besseres ein als das, was er in der Schule immer tat, wenn er sich mal schnell verdünnisieren musste: Er ging aufs Klo. Die Flugbegleiterin wartete draußen vor der Toilettentür.

Finn schaltete sein Handy wieder ein, rief Joanna an und schilderte ihr das Problem.

»Okay«, sagte Joanna nur. »Ich regle das. Komm in zehn Minuten heraus.«

»Zehn Minuten?«, fragte Finn entsetzt. »Was soll ich denn zehn Minuten lang auf dem Klo machen?«

Joanna stöhnte auf. »Okay, dann in fünf Minuten.«

Doch auch fünf Minuten können sich ewig lang hinziehen. Das spürte Finn, als er sich in eine der Kabinen einschloss und auf seiner Handy-Uhr verfolgte, wie die Zeit verging. Fünf Minuten schienen an diesem Vormittag eine Stunde lang zu dauern. So jedenfalls kam es ihm vor, als er endlich, endlich nach viereinhalb Minuten die Toilette verließ. Die Flugbegleiterin stand noch immer da und fand es offenbar normal, dass Finn so lange gebraucht hatte. Jedenfalls setzte sie wieder ihr gewohntes Lächeln auf und schritt mit ihm gemeinsam zum Ausgang.

Finn verlangsamte seinen Gang. Er war gespannt, was Joanna sich hatte einfallen lassen. Wenn jetzt sein Vater nicht dastand, um ihn abzuholen, würde die Flugbegleiterin ihn nicht gehen lassen. Sie hatte es seiner Mutter in die Hand versprechen müssen. Seine Mutter war ohnehin schon sauer, wütend, ängstlich und aufgeregt gewesen, weil sie seinen Vater an den zwei Tagen vor der Abreise nicht erreicht hatte. Wann immer sie angerufen hatte, war Joanna dran gewesen und hatte irgendwelche Ausreden erfunden. Und auf seinem Handy war sein Vater seit seinem Verschwinden ebenfalls nicht erreichbar.

...