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Perry Rhodan 2723: Nur 62 Stunden - Perry Rhodan-Zyklus 'Das Atopische Tribunal'

Michael Marcus Thurner

 

Verlag Perry Rhodan digital, 2013

ISBN 9783845327228 , 64 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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1,99 EUR


 

4.


Gucky:

Noch 50 Stunden

 

Er war müde. Erinnerungen plagten ihn. Träume, die sich mit der Realität vermengten. Manchmal verlor er sich in Gedanken, die ihm völlig fremd waren. Die er womöglich während seines Koma-Schlafs begonnen und zu keinem befriedigenden Ende gebracht hatte.

Er sah den TLD-Agenten an seiner Seite an. Er war ein hoch aufgeschossener Kerl mit Armen, die so lang waren, dass man den Eindruck hatte, die Hände müssten über den Boden streifen. Bergotte hieß er. Er stammte vom Mars, und er war hochrangiger Offizier. Attilar Leccore hatte Gucky glaubwürdig versichert, dass Bergotte der richtige Mann für ihn war.

Ein Schauer durchlief seinen Körper. Die Ärzte hatten ihm gesagt, dass diese unvermittelt auftretenden Reaktionen irgendwann einmal vorübergehen würden. »Wenn nicht in den nächsten Tagen, dann in einigen Wochen. Oder in einigen Jahren«, hatte der Nervenspezialist der Klinik mit einem dümmlichen Grinsen gemeint, um dann hinzuzufügen: »Du hast ja eh alle Zeit der Welt, Gucky.«

Was für ein Idiot! Hoffentlich würde er eines Tages wieder er selbst sein. Das änderte aber nichts daran, dass er derzeit ungewöhnlich starke Schmerzen verspürte, nervös und unsicher war und sich in seinem eigenen Leib wie ein Gast fühlte.

Bergotte führte ihn schweigend einen langen Gang entlang. Sie marschierten durch eines der untersten Stockwerke des TLD-Towers. So lange, bis sie einen kleinen Platz erreichten, an dem grimmig dreinblickende Agenten auf sie warteten. Gucky ließ das Prozedere einer gründlichen Durchleuchtung ein weiteres Mal über sich ergehen und wartete geduldig, bis die Untersuchung seines Begleiters ebenfalls abgeschlossen war.

»Es wurde die höchste Sicherheitsstufe ausgerufen«, sagte Bergotte achselzuckend.

»Natürlich. Es könnte sich ja ein positronisch gesteuerter Stoff-Gucky an meiner statt in den TLD-Tower eingeschlichen haben, um ein Attentat zu verüben. Oder ein Schwarzspringer, der eine kostenlose Transmitterpassage von Terrania nach Istanbul haben möchte.«

»Du bist sehr lustig«, sagte Bergotte, ohne auch nur einen Mundwinkel zu verziehen.

Und du eine trübe Tasse, die mir diesen Morgen verdirbt.

Sie erreichten die Transmitterstation. Rings um die zehn Torbögen standen Techniker und Bewaffnete. Es herrschte eine ungewöhnliche Angespanntheit. Immer wieder trafen Gucky neugierige Blicke. Man wollte wissen, wie es ihm ging, nach den Jahren, in denen er nicht mehr er selbst gewesen war. Vielleicht hatte man auch Mitleid mit ihm. Es war bekannt, dass er und Tekener ein gutes Verhältnis zueinander gehabt hatten.

Howser sprach leise mit einem der Techniker und winkte Gucky näher. »Die Verbindung steht«, sagte er. »Am Transmitterbahnhof Asanbasi erwartet man uns bereits. Man hofft, dass du den ermittelnden Behörden weiterhelfen kannst.«

Übersetzt heißt das wohl: Man findet es ganz und gar nicht gut, dass ich mich in die Arbeit der Istanbuler Sicherheitskräfte und des TLD einmische.

Er hatte seinen Nimbus als außerordentlich begabter Mutant verloren. Man hatte womöglich Mitleid mit ihm, traute ihm nach seinem Unfall aber nichts mehr zu. Und vielleicht fürchtete man sich vor ihm. Davor, dass er seine neuen Begabungen noch nicht vollends unter Kontrolle hatte und er zum Sicherheitsrisiko wurde.

Gucky trat auf den Torbogentransmitter zu. Sein Herz schlug laut und rasch, er hatte Angst. Konnte Bergotte es hören? Wurden seine Biowerte aufgezeichnet und einer Bewertung unterzogen?

Es war ganz einfach und tausendfach erlebt: Er trat zwischen die beiden Torbögen und würde sich im nächsten Augenblick an einem anderen Ort befinden. Und dennoch war es dieses Mal anders. Während einer Teleportation hatte er sein Bewusstsein verloren und war ins Koma gefallen. Was, wenn ihm während des Sprungs nach Istanbul etwas Ähnliches passierte?

Bergotte nahm seinen rechten Oberarm und drückte sanft zu. Er nickte aufmunternd und brachte sogar ein Lächeln zustande.

Gucky dachte nicht länger über all die Wenns und Abers nach, die ihm durch den Kopf gingen. Er tat den entscheidenden Schritt nach vorn.

 

*

 

Hinter ihm stolperte Bergotte durch das Transmittertor. Bewaffnete nahmen sie in Empfang, der Agent und er mussten eine weitere Untersuchung über sich ergehen lassen. Erst nach einigen Minuten ließ man sie in Ruhe, brachte sie aus dem Gebäude der hiesigen Transmitterstation und setzte sie in einen Gleiter.

Es war früher Nachmittag. Die Sonne hatte noch längst nicht ihre volle Kraft entfaltet – und dennoch war es unangenehm heiß.

»Willkommen in Istanbul«, sagte sein Begleiter. Er blickte auf seinen Armbandkom, wohl um sich neue Instruktionen zu holen, und steuerte den Gleiter dann entlang einer abgesperrten Route.

Sie flogen in einen Schacht und landeten. Dunkelheit umgab sie, unterbrochen von vielen Lichtern aus kräftigen Scheinwerfern, die unruhig hin und her wanderten. Dutzende Terraner und Roboter schwirrten umher. Niemand scherte sich um den landenden Gleiter. Die Einsatzkräfte waren mit Vermessungen und Spurensicherung beschäftigt.

Justinian Bergotte entschuldigte sich und ging zwischen zwei laut streitende Gruppen. Er tat das, was er laut Guckys Unterlagen am besten konnte: Er vermittelte zwischen zerstrittenen Parteien. Die einen wollten so rasch wie möglich Ergebnisse bei der Suche nach Hinweisen auf die Mörder Ronald Tekeners finden, die anderen forderten eine möglichst gründliche Arbeit.

Gucky kam näher. Er sah und hörte sich um. Er lauschte in den Gedanken der Anwesenden, ohne allzu tief in Bereiche vorzudringen, in denen Persönlichkeitsstrukturen und geheimste Gedanken abgelagert waren.

Er schreckte vor den neuen, ungewohnten Eindrücken zurück. Das ist alles falsch, falsch und zu viel!, dachte er panisch. Ich mag diese Bilder nicht. Sie sind zu bunt, zu grell, überlagern einander, tun weh!

Er flüchtete aus den fremden Köpfen und Gedankenwelten, so schnell er nur konnte. Bergotte kam zu ihm zurück und sagte etwas, das Gucky nicht verstand. Er nickte und gab sich den Anschein höchster Konzentration. Er durfte sich keine Schwäche anmerken lassen, nicht in diesem Moment! Man würde ihn zurück in die Krankenstation schicken, weiteren Tests unterziehen, ihn vom Leben fernhalten. Das wollte er unter keinen Umständen.

Er schüttelte die letzten Bilderreste in seinem Kopf ab und versuchte, auf Bergotte zu fokussieren. Es gelang. Mühsam, aber es gelang.

»... freut alle Anwesenden sehr, dass du uns helfen möchtest«, sagte der schlaksige Mann. »Wir kommen derzeit nicht so recht weiter.«

Gucky sah, dass der TLD-Agent unter einer ausgeprägten Heterochromie litt. Sein linkes Auge glänzte stahlblau, das rechte war von mattem Rot, wohl das Erbe eines arkonidischen Vorfahren.

»Wie ist der Stand der Dinge?«, fragte Gucky. Er nahm Bergotte bei der Hand und ließ sich von ihm herumführen.

»Dieses Gelände hier war bloß ein Nebenschauplatz des Angriffs. Ein Teil der Robotdrohnen attackierte das Yali der Arkoniden.« Bergotte deutete nach links, auf ein Gebäude, aus dessen Innerem Rauch drang. »Ein anderer hatte es auf jene Wächter abgesehen, die im Freien Dienst taten. Touristenläden, Basarstände und die Kaffeehäuser wurden ebenfalls beschossen. Die Angreifer haben den Tod vieler Unbeteiligter bewusst in Kauf genommen. Sie wollten vom Chaos profitieren.« Der Zorn in Bergottes Stimme war unüberhörbar. »Und es ist ihnen auch gelungen.«

»Wo starb Tekener?« Gucky bemühte sich um ein möglichst distanziertes Auftreten. Er verdrängte den Gedanken an jahrtausendelange Freundschaft und Verbundenheit. Wollte er die Mörder fassen, musste er möglichst ruhig und analytisch an die Sache herangehen.

»Hier.« Bergotte deutete auf einen Fleck, der sich deutlich vom Graublau des Straßenbelags hervorhob. Er war weiß. Womöglich hatte man mit aller Gewalt die Spuren des Todes beseitigen wollen und war dabei übers Ziel hinausgeschossen.

»Gibt es keine Aufzeichnungen von der Auseinandersetzung?« Gucky drehte sich mehrmals im Kreis. »Dort drüben ist eine Kredit-Ladestation, die Kaffeehäuser hatten sicherlich auch Überwachungskameras im Einsatz. Und die Arkoniden werden diesen Platz kaum unkontrolliert lassen.«

»Die Celistas sind derzeit mit der Auswertung beschäftigt. Aber sie machen uns nur geringe Hoffnungen. Einige der Robotdrohnen waren mit Störstrahlern ausgestattet, die nicht nur Teile der Abwehrsysteme des Yalis blockierten, sondern auch alle Bildaufzeichnungen in einem Umkreis von mehreren Hundert Metern beeinflussten.«

Gucky sah nach oben. Die Reparaturarbeiten in den Goldenen Kavernen waren längst nicht abgeschlossen. Er hatte sich sagen lassen, dass dieses unterirdische Stadtviertel Istanbuls zu den schönsten weltweit zählte. Derzeit aber erblickte er bloß nackten Fels und Zerstörung, Leid und Elend.

»Wir müssen die Kreise weiterziehen«, sagte er. »Wenn's denn sein soll, überprüfen wir jeden einzelnen Touristen, der an diesem Tag nach Altin Magara gekommen ist. Es sollte für die zentrale Stadtpositronik kein Problem sein, Zeit-Weg-Diagramme für einige Zehntausend Besucher zu erstellen.«

Gucky wusste, dass auch diese Strategie kaum zum Ziel führen würde. Die Spuren eines Teleporters waren äußerst schwer zu verfolgen. Aber sie mussten tunlichst alle Möglichkeiten ausschöpfen.

Bergotte schüttelte zweifelnd den Kopf. »Istanbul ist nicht irgendeine Stadt, Gucky. Die Urbanpositronik TESEKKÜRLER ist dezentralisiert angelegt, einzelne Stadtteile streiten um die...