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Selbstvertrauen - Die Kunst, dein Ding zu machen

Christian Bischoff

 

Verlag Ariston, 2014

ISBN 9783641130596 , 288 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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15,99 EUR


 

Kapitel 1

»WIE SOLL ICH DAS NUR MACHEN?«

»Wumm!«

Eine mindestens fünf Tonnen schwere Stahlkugel hängt am Seil, die der Abbruchbagger hin- und herschwingt.

»Wumm!«

Die Abrissbirne trifft die alte Fabrik ein zweites Mal. Es staubt. Einzelne Backsteine fallen auf den Schutt, aber der stabile Mauerrest steht noch. Der Bagger pendelt zurück, holt Schwung …

»Wumm!«

Ich bin sieben Jahre alt und auf dem Nachhauseweg von der Schule. Vor der Baustelle bleibe ich wie angewurzelt stehen. Mein Mund steht offen, meine Augen sind weit aufgerissen.

»Wumm!«

Was für eine Gewalt! Von der Mauer oben fällt ein erstes großes Stück herunter und schlägt krachend auf den Schuttberg. Der Baggerfahrer lenkt mit einer Handbewegung am Hebel den Ausleger zurück. Die Abrissbirne schwingt wie ein Pendel in der Luft. Im richtigen Moment dreht der Baggerfahrer den Ausleger in Richtung Mauer, sodass sich der Schwung verstärkt. Gleich wird er durchbrechen …

»Wumm!«

Die Mauer ist durch. Backsteine fliegen durch die Luft. Die Hälfte des Seitenflügels der Fabrik kracht lautstark zusammen. Bestimmt vier Stockwerke hoch. Wie das staubt. Mann! Wahnsinn! Hammer!

Ganz ähnlich kann es auch im Leben von Menschen sein, manchmal sind sie buchstäblich kurz vor einem Zusammenbruch!

Christiane ist erst bei Schlag Nummer eins oder zwei. Ihre Mauer steht noch.

Sie hat sich in meinem Seminar bislang ruhig und souverän verhalten, eine junge Frau mit kurzen Haaren und wachen Augen. Jetzt ist sie aufgestanden, hält das Mikro selbstsicher in der Hand und erzählt ganz ruhig und souverän. Wortgewandt ist sie. Ich merke gleich, dass es mit ihr kein emotionales Gespräch wird, sondern die Lösung auf der Sachebene liegt. Christiane ist so schnell im Kopf, sie gibt sich die Antworten selbst.

Ich setze mich auf die Kante der Bühne und zügle mein Temperament, konzentriere mich auf sie. Um was geht es bei ihr?

»Ich bin letztes Jahr aus meinem alten Job ausgestiegen.«

Aha. Sie lächelt und erzählt das im gleichen Tonfall wie: Ich bin heute Morgen um 7.30 Uhr aufgestanden. – Ich will von ihr wissen, warum sie ausgestiegen ist.

»Weil da meine Freiheit extrem beschnitten worden ist.«

Cool. Sie sagt das im gleichen Tonfall wie: Weil ich keinen Zucker im Kaffee mag. – Ich lasse sie weitererzählen. Sie schildert, dass sie es mit der Selbstständigkeit versucht, aber schnell gemerkt habe, dass das nicht ihrs sei. Ich lasse sie reden. Sie spricht druckreif. Doch dann …

»Joah.«

Pause.

»Dann hab ich mir erst mal …«

Oh, jetzt wird’s interessant, denke ich. Ihre Stimme verändert sich, wird leicht höher. Ihre Augen verengen sich. Sie zieht die Schultern an. Den Mund verzieht sie zu einem schiefen, unsicheren Verlegenheitslächeln. Sie stockt.

»… ja … das schöne Leben … gegönnt …«

Ihre Stimme geht am Ende nach oben wie bei einer Frage. Sie schaut zur Seite. Dann bekommt sie sich wieder in den Griff.

»… auf Eingebungen gewartet. Dann fiel mir ein Job vor die Füße …«

Hier unterbreche ich sie. Sie will schnell über ihre Unsicherheit hinweggehen, und ihr Kopf übernimmt bereits wieder das Kommando.

»Moment. Du sagst, du hast dir das schöne Leben gegönnt – aber in dem Moment wird deine Körpersprache unsicher. Ist dir das aufgefallen?«

Und ihr Kopf antwortet wie aus der Pistole geschossen:

»Das tut man ja normalerweise nicht!«

Ach so! Das tut MAN nicht! NORMALERWEISE! So ist das also. Wer bitte ist denn »man«? Und was bitte ist »normal«? Wer sagt denn, dass man das nicht tut, sich das Leben gönnen?

Fast allen von uns geht es so wie Christiane. Wir tragen ein mehrbändiges Regelwerk mit uns herum, das wir auswendig gelernt haben und das uns in jeder Situation kompetenten Rat gibt, was man zu tun und zu lassen hat. Dabei sind wir ja nicht doof. Wir wissen, Christiane weiß ganz genau, dass das nur die Konventionen sind, die stillschweigenden Verabredungen unserer Gesellschaft, die unausgesprochenen Vorgaben von außen, von unseren Eltern, der lieben Verwandtschaft, den Kollegen, den Lehrern und Professoren, dem Chef, ja allen um uns herum. Wir glauben zu wissen, was sie von uns erwarten. Und sie erwarten eine Menge!

Und obwohl wir wissen, dass das nicht unser eigener Wille ist, obwohl unser Kopf genau weiß, dass wir nicht »man« sind – sag das mal einer unserem Unterbewusstsein! Unwillkürlich, unbewusst folgen wir diesem Regelwerk. Und in Band II im siebten Kapitel steht im 28. Absatz eben: Sich das Leben gönnen? Sorry. Ist nicht! Nicht erlaubt! Denn man muss doch seinen Lebensunterhalt verdienen! Malochen. Und malochen ist nicht La Dolce Vita, sondern Steine schleppen! Du hast dich gefälligst anzustrengen! Arbeit ist eine ernste Sache und kein Vergnügen! Von wegen »sich gönnen«! – Wo kämen wir denn da hin?

Ich frage in den Saal: »Wer möchte von Christiane jetzt lieber hören, welchen Job sie als Nächstes angefangen hat? Und wer möchte lieber hören, wie sie sich das Leben gegönnt hat?«

95 Prozent der Arme gehen bei Variante zwei hoch. Keiner interessiert sich für ihren Job. Alle interessieren sich für La Dolce Vita!

Jetzt ist Christiane baff. Ich frage sie, wie sie das denn gemacht hat, sich die Freiheit zu gönnen. Zum ersten Mal keine sekundenschnelle, druckreife Antwort. Sie überlegt. Überlegt. Und überlegt …

Dann antwortet sie stockend und unsicher.

»Ich … habe… den Tag so gestaltet … wie ich Lust hatte …Ich habe relativ wenig gemacht … von außen betrachtet. Aber ich bin endlich mal angekommen.«

Das kam zum ersten Mal von Herzen. Doch sofort schaltet sich wieder ihr Kopf ein: Sie erzählt von anderen Leuten, die auch mal eine Auszeit genommen und sich dann ein Round-the-world-Ticket gekauft haben, um die Welt zu sehen. Sofort zweifelt sie: Oh, hätte ich das nicht auch machen müssen? Und sofort ist sie wieder ins Gesellschaftsspiel eingetaucht: Selbst beim Auszeit-Nehmen gibt es also Konventionen! Selbst das Sich-frei-Machen muss Regeln folgen, weil man das so macht! Hätte ich die Zeit nicht besser nutzen sollen? Hab ich alles richtig gemacht?

Na klar! Ist ja auch völlig nutzlos, bei sich selbst anzukommen, oder? Ist doch völlig falsch, sich das Leben zu gönnen, stimmt’s? Ist doch einfach ungeheuer, sich Zeit für sich selbst zu nehmen, richtig? – Ich provoziere sie. Sie rechtfertigt sich damit, dass man den Perfektionisten eben nicht mit der Kündigung abstreift. Das ist es. Das ist ihr wirkliches Thema!

»Christiane, streift man den Perfektionismus nicht so leicht ab? Oder streifst du den Perfektionismus nicht so leicht ab? Was wolltest du gerade eigentlich sagen?«

Sie begreift sofort: »Das war nicht man, das war ich!«

Nur ein Wort anders – eine komplett andere Bedeutung! Anstatt schulterzuckend die Verantwortung für ihren Perfektionismus von sich zu weisen und der gesellschaftlichen Konvention anzuhängen, übernimmt sie plötzlich Verantwortung:

»Ich war es! Ich selbst bin perfektionistisch. Mein eigener Perfektionismus hat mich daran gehindert, mir mein Leben zu gönnen.«

Man-Aussagen sind Rechtfertigungen, Ablenkungen, sie nehmen den Fokus weg. Ich-Aussagen wirken selbstbestimmt. Einer Ich-Aussage kannst du nicht entwischen. Mit einer Ich-Aussage beziehst du Stellung. Nimmst eine Position ein. Machst das Leben zu deiner eigenen Aufgabe. Stellst dich hin und gibst ein Bekenntnis ab: Hier stehe ich und kann nicht anders! Noch nicht …

Der große Graben zwischen dem, was wir wollen, und dem, was wir tun … das ist ein Riesenthema. Warum hat Christiane nicht darauf gehört, was ihr Herz ihr sagte? Die sechs Monate Auszeit waren ein Ausbruch. Sechs Monate hat sie an der Freiheit geschnuppert. Es war ihr persönlich kreiertes Zeitfenster, um herauszufinden, was ihr wirklich am Herzen liegt. Aber sie war noch nicht so weit. Ihr Umfeld hat auf sie eingeredet. Die inneren Stimmen haben sie terrorisiert. Um sich herum hat sie nicht genügend Unterstützung gefunden, den Zwang, wieder mit dem üblichen Geldverdien-Kram anzufangen, endlich zu überwinden. Also hat sie die Expedition abgebrochen und sich wieder bei einem Konzern anstellen lassen.

Die Abrissbirne braucht eben meistens mehr als einen Anlauf, wenn du noch nicht geübt bist im Selberdenken und Freisein. Wenn du noch nicht genügend vertraut bist mit einem eigenverantwortlichen Leben. Wenn dein Umfeld, das dich zurück in die »Ordnung« zwingen will, noch immer stärker ist als dein Unabhängigkeitsstreben, dann bist du einfach noch nicht so weit. Dann ist dein Selbstvertrauen noch nicht groß genug.

Doch: Es ist alles in Ordnung. Mach dir keine Sorgen! Denn bei jedem Schlag der Abrissbirne wird die Mauer wackliger. Bei jedem Versuch purzeln ein paar Ziegel herunter. Und irgendwann hast du die Mauer durchbrochen!

Also bleib dran und bring eine Mauer nach der anderen zum Einbrechen. Wer hat denn gesagt, dass du von heute auf morgen dein Ding machen musst? Das kann kaum einer! Aber du kannst dranbleiben und kleine Schritte gehen. Bei jedem Mal schmeckst du ein wenig Freiheit. Die schmeckt verdammt gut! Was gut schmeckt, willst du wiederhaben. So funktioniert deine Psyche. Du...