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Bin ich blöd und fahr in Urlaub? - Zuhausebleiben ist der beste Trip

Falko Löffler

 

Verlag Goldmann, 2014

ISBN 9783641118204 , 240 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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7,99 EUR


 

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Reiseverweigerung
ist Wellness

Wir leben in einer Zeit, in der alle nach Ausgeglichenheit streben, nach Work-Life-Balance, nach innerer Ruhe. Die meisten Menschen versuchen diesen Zustand zu erreichen, indem sie in ihren hektischen, überbordenden Alltag zwischen die normalen Geschäftstermine noch zusätzliche Verpflichtungen wie Sport oder Geselligkeit einbauen, denen sie dann hinterherhetzen müssen, weil sie den Überblick verlieren und angesichts ihres übervollen Kalenders in Stress geraten. So richtet sich die Tagesplanung einzig danach, alle Aufgaben zu erledigen und zwischendurch pflichtschuldigst Entspannung zu suchen. Wenn das halbwegs gelungen ist, unterliegen diese Menschen dem Zwang, anderen Leuten von ihren Erlebnissen zu berichten und soziale Medien mit wandteppichgroßen Fotos zuzupflastern, auf denen sie im Wellnesstempel, in der Natur oder im Restaurant mit dem teuren Wein blöd rumgrinsen. Solche Veranstaltungen werden im Zweifelsfall gern auf ein ganzes Wochenende oder einen noch längeren Zeitraum ausgedehnt, und das nennt man dann Urlaub.

Der soziale Status eines Individuums wird in manchen Kreisen abgelesen an der Häufigkeit, Distanz und Dauer der jährlichen Auszeiten und der Frequenz der Wellness- und Urlaubstage. Mitleidig belächelt werden diejenigen, die nur ein Mal pro Jahr wegfahren. Schlimmstenfalls haben diese Einfaltspinsel sogar eine verachtenswerte Pauschalreise gebucht – damit landen sie auf der untersten Stufe der Erholungskette. Mit diesem immerwährenden Druck leben Leute, die gern verreisen. Jeder von ihnen muss mit den eigenen Erlebnissen und Urlauben angeben können und den ultimativen Urlaub erleben, die Mutter aller Entspannungen finden. Die Urlaube sollten länger sein, weiter entfernt und natürlich VERDAMMT NOCH MAL OFFENSICHTLICH ERHOLSAMER als der ihrer Zeitgenossen!

Reisen und die andauernde Jagd nach Wellness kann ziemlich erschöpfend sein.

Ist das wirklich etwas, dem Sie hinterherhecheln wollen? Möchten Sie sich in diesen unwürdigen Wettstreit begeben und dabei etwas fundamental Wichtiges aus den Augen verlieren: nämlich Ihr inneres Gleichgewicht?

Jeder Mensch ist anders. In den charakterlichen Ausprägungen gibt es viele Schattierungen. Gerade was die Bereitschaft angeht, sich mit der Welt auf der anderen Seite der Türschwelle zu befassen, unterscheiden sich Menschen stark. Und doch lassen sie sich knallhart in zwei Gruppen unterteilen:

Reisesüchtige: Ihnen fällt die Decke auf den Kopf, sobald sich der erste Sonnenstrahl zeigt und sie immer noch nicht draußen sind. Ein Zeitraum von mehr als 2 Tagen, der nicht mit mindestens einem Ausflug ausgefüllt wird, ist für sie ein Gräuel. Sie lieben das Unbekannte und stürzen sich kopfüber in Abenteuer. Sie können aus dem Stegreif aufzählen, wo sie schon überall waren, und planen immerzu den nächsten Trip. Ständig sind sie auf der Suche nach Leuten, denen sie zum Thema Urlaub in den Ohren liegen können. Wenn sie mit ihren Gedanken alleine sind, drehen sie am Rad. Ihre Wohnung ist für sie ein notwendiges Übel, um dort Koffer, Rucksäcke, Zelte und Flugtickets aufzubewahren. Sie selbst verbringen darin so wenig Zeit wie möglich. Die Vorstellung, in den eigenen vier Wänden auf sich allein gestellt zu sein – vielleicht sogar für mehrere Stunden am Stück! –, ist für sie psychologisch gleichbedeutend mit sieben Jahren Einzelhaft in einem Keller im Schwarzwald. Immerzu brauchen sie die Bestätigung von außen, dass sie ein tolles Leben führen und viel erleben, sonst haben sie das Gefühl, überhaupt nicht zu existieren.

Stubenhocker: Sie sind ruhig, gern für sich und bekommen keine Panikattacken, wenn sie mal einen Tag nicht unter Leute gekommen sind. Im Gegenteil wird ihnen in Menschenaufläufen oder beim Gedanken an ferne Länder ganz mulmig. Sie verzweifeln nicht, wenn ein Tag keine Überraschungen oder Abenteuer mit sich bringt, sondern streben eher nach beruhigender Berechenbarkeit. Sie empfinden nicht die Notwendigkeit, dauernd anderen von sich zu erzählen, im Gegenteil, sie schätzen das ausgewählte kommunikative Miteinander. Ihre Wohnung ist für sie der Mittelpunkt ihrer Welt. Sie verbringen darin so viel Zeit wie möglich. Die Vorstellung, mehrere Stunden auf sich allein gestellt in den eigenen vier Wänden zu sein, lässt sie vor Freude jauchzen. Zwar mögen Stubenhocker durchaus die Gesellschaft anderer Leute. Aber einerseits sollte diese nur in kleinen Dosen genossen werden, und andererseits missbrauchen Stubenhocker ihre Mitmenschen nicht zur permanenten Selbstbestätigung.

Letztere, die konsequenten Stubenhocker, sind von einigen Leuten geradezu geächtet. Diese Nihilisten der Wellness! Ungläubig werden sie von den anderen angeschaut, die regelmäßig verreisen, während die Stubenhocker mit ihrem Leben, so wie es ist, zu Hause, ganz zufrieden sind, und die eigentlich nur ihre Ruhe haben wollen. Sie sind schon mit sich im Reinen, wenn sich der Geräuschpegel um sie herum in Grenzen hält, die Zimmertemperatur angenehm ist und ein Buch griffbereit liegt. Stubenhocker sind Leute, die erst denken und dann sprechen, was in der bundesdeutschen Gegenwart des 21. Jahrhunderts eher die Ausnahme darstellt. Sie bemühen sich nicht rund um die Uhr um ihren sozialen Status, und es ist nicht ihr Lebensziel, andere zu übertrumpfen – ganz besonders nicht im olympischen Finale der Langstreckenreise und dem 24-stündigen Wellnessmarathon. Sie verschwenden keine Zeit, keine Energie und kein Geld im Wettbewerb der Reisesüchtigen. Doch weil sie eine Minderheit sind, werden die Stubenhocker an den Rand gedrängt und belächelt von denjenigen, die in Urlaub fahren und danach aller Welt lautstark davon berichten müssen.

Die Zeit ist reif, die Stubenhocker zu rehabilitieren. Nein, nicht nur das. Wir müssen die freie und bewusste Entscheidung gegen das Verreisen zu dem erklären, was es wirklich ist: ein eigener Lifestyle.

Damit wir uns verstehen: Es ist nicht der berüchtigte »Urlaub auf Balkonien« gemeint. Dieser ist das Methadon-Programm der verklemmten Reisesüchtigen, eine vorgeschobene Entschuldigung, warum man keinen Urlaub macht, gepaart mit Verweisen auf berufliche, private oder finanzielle Verpflichtungen. Balkonien – dieses Utopia des spießigen Kleinbürgertums und der Feigheit. Nein, das will niemand. ECHTE Reiseverweigerung geschieht völlig selbstverständlich. Wenn jemand das B-Wort zu Ihnen sagt, dann recken Sie Ihr Kinn vor und erwidern mit fester Stimme: »Ja, ich bleibe zu Hause, und, nein, ich lasse mir keinen Druck machen, mit den Reisesüchtigen zu konkurrieren. Ich vereinbare keine Termine, die mit Klangschalen zu tun haben, ich jage nicht der Erholung hinterher, und ich werde niemanden damit belästigen, wie toll es mir doch dadurch geht. Nur weil ich nicht in Urlaub fahre und gelegentlich auf den Balkon rausgehe, möchte ich nicht in die Schublade der Balkonien-Waschlappen gesteckt werden! Mein Ziel ist es nicht, so zu tun, als wäre ich im Urlaub, wenn ich zu Hause bin! Selbst wenn ich freihabe, verbringe ich gerne Zeit in meiner Wohnung, tagelang, ja wochenlang! Und das werde ich nicht mit irgendwelchen seltsamen Kunstwörtern rechtfertigen!«

Es gibt natürlich eine Grauzone. Nicht jeder, der ein Mal im Jahr verreist, qualifiziert sich als Reisesüchtiger – aber disqualifiziert sich eindeutig als Stubenhocker! Nun sind die Reisesüchtigen erwiesenermaßen die aktiveren und lauteren Menschen. Daher ziehen sie mehr Aufmerksamkeit auf sich, während die ruhigen Couch-Potatoes in der Unterzahl sind.

Manchmal überkommt es allerdings sogar einen Stubenhocker. Dann möchten Sie unter Leute kommen und mal etwas anderes sehen. Wenn das passiert, dann tun Sie es einfach. Sie selbst wissen am besten, was Ihnen bekommt. Steuern Sie frühzeitig in die andere Richtung, sobald es Ihnen zu viel wird. Wenn Sie verreisen, tun Sie es bewusst und haben immer alles in Kontrolle.

Vielleicht sind Sie jemand, der pflichtbewusst regelmäßig in Urlaub fährt, doch in Ihrem Inneren steckt ein Stubenhocker, der sich seine Neigung noch nicht eingestanden hat. Führen Sie ein Doppelleben und geben sich reiselustig, während Sie doch in Wirklichkeit einfach nur Ihren Frieden haben wollen?

Oder sind Sie schon ein Stubenhocker und haben genug davon, deswegen doofe Kommentare zu hören? Vielmehr möchten Sie lieber Ihre Mitmenschen mit sarkastischen Bemerkungen übers Verreisen beglücken? Das lässt sich einrichten.

Die Freuden des Nichtreisens

Ihr Leben ist ausgefüllt, Sie haben kaum Zeit zum Atmen. Sie kommen im Alltag nicht hinterher, sich neben Beruf und familiären Verpflichtungen um die Dinge zu kümmern, die Sie wirklich interessieren. Groß ist die Verlockung, sich aus allem herauszuziehen und einfach mal komplett abzuschalten. Wegfahren. Das Handy ausgeschaltet lassen. In eine andere Umgebung kommen und noch nie gesehene Eindrücke sammeln. Den Akku aufladen. Ganz so, wie Ihnen Ihre reisesüchtigen Bekannten vorschwärmen, die Illustrierten versprechen und die Spartensender anpreisen.

Fallen Sie nicht darauf herein! Sie fahren vielleicht in den Urlaub, sind eine Zeit lang aus Ihrem Umfeld heraus, aber dann …

… dann werden Ihre schlimmsten Befürchtungen über das Verreisen wahr. Die Organisation versagt, das Wetter spielt nicht mit, und Sie sitzen nur missmutig die Zeit ab.

… und dann kommen Sie nach Hause und stellen fest, dass sich nichts geändert hat. Alles ist beim Alten. Vielleicht ist Ihre Haut nicht mehr ganz so blass, und Sie konnten das eine oder andere Mal ausschlafen, aber Sie haben noch...