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Fallen Angels - Die letzte Schlacht - Fallen Angels 6

J. R. Ward

 

Verlag Heyne, 2015

ISBN 9783641157142 , 512 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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5,99 EUR


 

Eins

Ab und zu brauchte frau einfach mal etwas Neues an die Füße.

Mit langen Schritten und einer ordentlichen Portion Hüftschwung stolzierte die Dämonin Devina durch die Lobby des Freidmont Hotels und fühlte sich dabei einfach fantastisch. In Gedanken war sie immer noch bei den Vergnügungen der letzten Nacht. Ihr Körper war in hautenges Leder gehüllt, angefangen bei ihren Doppel-D-Körbchen bis hin zu den Schuhen und allem dazwischen. Und was das Thema Pheromone anbetraf: Noch einen Hauch mehr davon, und ihre Fick-mich-Aura würde Löcher in die holzgetäfelten Wände brennen.

Natürlich zog sie jede Menge Blicke auf sich. Von Männern wie von Frauen. Kein Wunder: Caldwell, New York, war nicht besonders weit von New York City entfernt, und es stiegen immer wieder berühmte Leute hier ab. Auch wenn sie ihnen nicht aus Film oder Fernsehen bekannt vorkam, war sie doch eine Weltklasseschönheit.

Zumindest in ihrer aktuellen fleischlichen Hülle.

Aber zurück zu den Schuhen.

Auf dem Weg zum Hotelausgang schritt Devina gerade über den glänzenden, cremefarbenen Marmor, als ihr Blick plötzlich an diesen Stilettos hängen blieb. Wie angewurzelt blieb sie stehen. Die goldenen Louboutins befanden sich in einem Schaukasten, als handle es sich bei ihnen um kostbare Juwelen. Ein Spot von oben setzte sie ins richtige Licht. Oh, wie hinreißend: Das Material war mit einer Million winziger Swarovski-Kristalle bedeckt, sodass die Oberfläche wirkte wie flüssiger Stoff. Und erst die Form! Absätze so dünn wie Klingen und hoch genug für Spitzentanz. Winziger Zehenraum, um den Spann schön zur Geltung zu bringen. Verstecktes Plateau, damit der Fußballen trotzdem gut gestützt wurde.

Das i-Tüpfelchen war natürlich die rote Sohle, die Unterseite des Schuhs, die in der Farbe eines Liebesapfels leuchtete.

Es war Liebe auf den ersten Blick.

»Madam, möchten Sie sie vielleicht einmal anprobieren?«

Sie würdigte den Mann, der neben ihr aufgetaucht war, keines Blickes. Zu den Symptomen einer Zwangsneurose gehörte, von etwas völlig gefangen genommen zu werden, und die Enterhaken hatten sich wieder einmal in Devinas Herz gegraben. Obwohl sie fast eintausend Paar Schuhe im Schrank hatte, wurde ihr bei der Vorstellung, diese speziellen Exemplare nicht zu bekommen, dass jemand oder etwas den Kauf und die Inbesitznahme verhindern könnte, ganz eng in der Brust. Ihre Handflächen fingen an zu schwitzen, und das Blut pulsierte hämmernd in ihren Adern.

»Madam?«

»Ja«, hauchte sie. »Größe vierzig.«

»Dann kommen Sie bitte mit.«

Sie folgte ihm brav wie ein Lämmchen. Mit einem letzten Schulterblick versicherte sie sich, dass die Schuhe inzwischen nicht verschwunden waren. Notfalls könnte sie sie immer noch stehlen …

In ihrem Hinterkopf schrillte ein Warnsignal. Während des vergangenen Jahres hatte sie nämlich eine Therapie gemacht, um genau diese Art von Kontrollverlust in den Griff zu bekommen.

Devina, jetzt beruhige dich, verdammt noch mal. Das sind bloß Schuhe. Es ist nur …

Die werden deine Probleme mit Jim auch nicht lösen.

Okay, bei dem Gedanken wurde ihr speiübel.

Verflucht, was sollte sie sich denn stattdessen sagen? Sie versuchte, sich an den Wortlaut des Mantras zu erinnern, das ihr dabei helfen sollte, dieses unkontrollierbare Bedürfnis in gesündere Bahnen zu lenken, aber in ihrem neuronalen Netz herrschte irgendwie gerade Stau. Sie konnte nichts anderes denken als: nehmen, besitzen, zählen.

Nehmen, besitzen, zählen …

Nehmen, besitzen, zählen …

Scheiße, das war ein echter Rückfall. Dank dieser tiefenentspannten Dame jenseits der Wechseljahre, mit der Promotionsurkunde an der Wand und dem Sofakissenkörper, hatte Devina in Sachen Zwangsstörung einige Fortschritte gemacht. Aber das hier … das war echt alte Schule, und zwar nicht auf die gute Art und Weise.

Und ja, sie wusste genau, weshalb es passierte.

Es war einfacher, an die Schuhe zu denken.

Die Boutique befand sich im hinteren Teil des Foyers, und als sie durch die Glastür trat, half die Parfüm geschwängerte Luft nicht gerade, das Brennen zu lindern. Das Einzige, was jetzt helfen würde, wäre …

»Größe vierzig, sagten Sie?«, fragte der Verkäufer.

Devina funkelte ihn an. Mr. Ich-kann-mir-nicht-mal-eine-Schuhgröße-merken trug einen teuren Anzug und eine Seidenkrawatte. Sein grau meliertes Haar hatte er aus der Botox-glatten Stirn gekämmt. Wie sich herausstellte, handelte es sich bei dem edlen Boutiqueduft um sein Aftershave, und beim Herumnesteln an seinem Taschentuch konnte man sehen, dass seine Fingernägel auf Hochglanz poliert waren.

Er war zu fein herausgeputzt, um umgebracht zu werden. Außerdem, wie würde sie dann an ihre Schuhe kommen?

»Vierzig«, erwiderte sie scharf. »Ich habe Größe vierzig.«

»Sehr wohl, Madam. Darf ich Ihnen einen Sekt-Orange bringen?«

Nein, ich will meine verdammten Schuhe! »Nein, danke.«

»Wie Sie wünschen.«

Sich selbst überlassen, wanderte sie nun um den nachgemachten Aubusson-Teppich herum und sah sich die anderen hochpreisigen Verkaufsartikel an. Minaudière-Täschchen von Judith Leiber. Noch mehr Schuhe, aber keine dabei, die ihr Herz höher schlagen ließen. Jacken von Akris. Strickwaren von St. John. Kleider von Armani.

Als sie sich in einem der vielen Spiegel entdeckte, warf sie einen Blick auf ihr Hinterteil … und musste prompt wieder daran denken, wie sie die Nacht verbracht hatte.

Ihre einzig wahre Liebe hatte sie die ganze Nacht durchgevögelt. Oben in ihrer Suite hatten sie es ganze acht Stunden lang miteinander getrieben, genau wie sie es gewollt hatte. Und dass er sich dabei die ganze Zeit selbst verabscheut hatte, war das Sahnehäubchen gewesen.

Jim Heron war einfach ein höllisch guter Lover.

Leider war das jedoch nicht seine einzige Eigenschaft – und genau darin lag das Problem. Er war ein Betrüger. Und ein Lügner. Er begriff das Prinzip Monogamie nicht. Selbst jetzt, nach ihrer unglaublichen Nacht, war er zu einer anderen nach Hause gefahren.

Und, mein Gott, allein die Vorstellung, dass ihre Konkurrenz ausgerechnet diese Sissy-rühr-mich-nicht-an war! Nur wegen dieser ganzen Scheiße würde sie jetzt am liebsten alles in diesem Laden kaufen. Sogar den Schrott, der ihr gar nicht passte.

Als sie prompt anfing, Ding für Ding die Kosten zu überschlagen, musste sie sich selbst am Riemen reißen und ihr zwanghaftes Bedürfnis mit der Erinnerung daran lindern, dass sie im Krieg um die Menschheit mit drei zu zwei in Führung lag. Wenn sie also diese Runde um die aktuelle Seele gewann, bekam sie laut der Regeln, die der Schöpfer aufgestellt hatte, alles: Nicht nur durfte sie ihre kostbare Sammlung sowie ihre Kinder unten in der Hölle behalten, nein, sie erlangte auch noch die Herrschaft über die Erde und den Himmel.

Für jemanden mit ihrer Veranlagung kam das einem beispiellosen feuchten Traum gleich, einem Hauptgewinn im Lotto samt Jackpot in Milliardenhöhe.

Was das allein für ihre Schuhsammlung bedeuten würde! Sie könnte Manolo, Stuie und Christian allesamt versklaven und dazu zwingen, bis in alle Ewigkeit nur noch Modelle für sie herzustellen.

Und noch besser, sie würde Jim bekommen und …

»Madam, es tut mir ja so leid.«

Devina drehte sich um. Mr. Maniküre war aus dem Lager zurückgekehrt … aber er hatte keine Schachtel in der Hand. »Wie bitte?«

»Wir haben nur noch Größe neununddreißig vorrätig. Aber ich kann sie Ihnen bestellen und …«

Der Mann räusperte sich. Ein zweites Mal. Dann öffnete er den Mund, um nach Luft zu schnappen. Fasste sich mit den gepflegten Händen an die sorgfältig geknotete Krawatte. Fing an, die Augen zu verdrehen.

»Was wollten Sie gerade sagen?«, flötete Devina.

Er gab ein leises Schnappgeräusch von sich, während er versuchte, die Fassung zu wahren und gleichzeitig Luft in seine Lungen zu bekommen.

Verdammt, wenn sie ihn umbrachte, wie sollte sie dann im Lager die Schuhe finden?

Devina lockerte ihren unsichtbaren Griff. »Bringen Sie mir das Paar in neununddreißig.«

Der Mann suchte keuchend an einem Judith-Leiber-Ständer nach Halt, wobei er ein paar der Glitzerhandtäschchen herunterwarf.

»Sofort!«, verlangte sie und funkelte ihn an.

Hastig stolperte er über den Teppich, und sobald er hinter dem Seidenvorhang verschwunden war, hustete und keuchte er wie ein Asthmatiker im Gewächshaus. Doch nach ungefähr zwei Minuten und neununddreißig Sekunden kehrte er mit einem beigefarbenen Schuhkarton zurück. Nicht dass sie auf die Uhr geschaut hätte.

Er brabbelte etwas beim Näherkommen, doch sie nahm nichts davon wahr, so sehr hingen ihre Augen an der Schachtel in seinen Händen. Am liebsten hätte sie ihm das Ding entrissen, aber sie wollte die Schuhe an ihren Füßen sehen, selbst wenn sie nicht zu ihrem Outfit passten.

Andererseits waren Swarovskis zu schwarzem Leder ja eigentlich ein Klassiker.

Devina ließ sich auf einen der damastbezogenen Stühle sinken und streifte ihre schwarzen Guccis ab....