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Das Böse in uns/Ausgelöscht - Zwei Smoky-Barrett-Romane in einem Band. Smoky Barrett, Bd. 3 und Bd. 4

Cody Mcfadyen

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2015

ISBN 9783732512652 , 928 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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KAPITEL 10


Rosemary erwacht um halb sieben vom schrillen Alarm ihres Weckers. Sie denkt einen Moment daran, ihn abzustellen und weiterzuschlafen, schließlich ist Sonnabend. Der Gedanke ist verführerisch, doch der Tadel ist augenblicklich und entschieden.

Nein, so funktioniert das nicht. So funktionierst du nicht. Disziplin tagein, tagaus, von heute an bis ans Ende deiner Tage. Es ist die einzige Möglichkeit.

Also zwingt sie sich in eine sitzende Haltung, lässt die Beine aus dem Bett baumeln. Ihre Füße berühren kurz den Holzboden; dann spürt sie die Kälte und zieht sie reflexhaft wieder zurück.

Kaffee. Ich brauche Kaffee.

Sie streckt sich und wundert sich wie so oft, warum sie sich so verspannt und träge fühlt. Schließlich ist sie erst vierunddreißig, und es ist vier Jahre her, dass sie ihr Leben zurechtgerückt hat.

Das ist der Preis, den du für deine Sünden zahlst.

Rosemary wirft einen flüchtigen Blick aus dem Fenster. Sie wohnt in einem Apartment in Simi Valley, Kalifornien – seit nunmehr vier Jahren, seit sie hierher geflüchtet ist, um ein neues Leben anzufangen. Es ist eine hübsche Wohnung, zwei Zimmer, eine gemütliche Einrichtung ohne jegliche Ecken und Kanten. Beigefarbene Teppiche und cremeweiße Wände, Holzböden im Schlafzimmer und in der Küche – es reicht, um sie wunschlos zufrieden zu machen.

In der Luft liegt ein kühles Frösteln, nicht gerade typisch für einen Septembermorgen. Sie ist nackt, und die Kühle macht ihre Brustwarzen hart. Sie schaudert, bekommt eine Gänsehaut.

Sie steht auf und tappt ins Badezimmer. Sie stößt einen spitzen Laut aus, als sie sich auf die Toilettenbrille setzt – sie fühlt sich an ihrem Hintern wie Eis an. Rosemary pinkelt, die Knie zusammengedrückt, wischt sich ab, steht auf, spült. Bevor sie das Badezimmer verlässt, wirft sie im Spiegel einen prüfenden Blick auf ihren Körper.

Sieht gut aus, wie immer. Zu dumm, dass es nie sonderlich hilfreich war.

Rosemary stellt fest, dass ihre Brüste immer noch straff sind, perfekte 80C. Ihr Bauch ist flach, keine Bindegewebsrisse, keine Narben. Sie ist knapp einssiebzig groß. Nicht schlank, aber auch nicht fett. Sie hat kräftige Arme und einen festen Hintern. Ihr Schamhaar ist blond, genau wie die schulterlangen Kopfhaare. Sie ist sehr froh darüber, sich nicht mehr rasieren zu müssen da unten.

Ein perfekter Körper. Andererseits – warum sollte es nicht so sein? Ich habe jedes Mal abgetrieben, wenn ich schwanger wurde. Achtmal insgesamt, jawohl. Mein Uterus ist so vernarbt, dass ich wahrscheinlich gar keine Kinder mehr kriegen könnte, selbst wenn ich wollte. Was wohl auch gut so ist. Kinder haben etwas Besseres verdient als mich.

Sie wendet sich vom Spiegel ab, verdrängt den Gedanken und geht ins Schlafzimmer zurück. Sie nimmt die Halskette und hängt sie sich um: ein kleines silbernes Kreuz an einem dünnen silbernen Kettchen. Sie kniet neben ihrem Bett nieder, die Knie auf dem harten, kalten Holzboden, beugt den Kopf nach vorn, schließt die Augen und fängt an zu beten, wie jeden Morgen.

»Gott, ich danke dir für einen weiteren Tag frei von jenem sündenvollen Leben, das ich früher geführt habe. Ich danke dir, dass du mir die Willenskraft gegeben hast, mich von den Verlockungen fernzuhalten und den Gelüsten zu widerstehen, die mich immer noch heimsuchen. Es wird besser, Herr, aber sie sind noch da. Manchmal denke ich an nichts anderes als an Drogen und ans Ficken, und dann will ich aufstehen und rausgehen und mir Koks und Alkohol reinziehen und einen hübschen großen Schwanz lutschen. Selbst jetzt, wo ich dies sage, wird meine Muschi feucht. Doch mit deiner Hilfe gelingt es mir, Tag für Tag zu widerstehen. Ich wende mich ab von jenen Versuchungen, und ich danke dir, dass du mir hilfst, die Kraft dafür zu finden, o Herr.«

Als sie vor vielen Jahren mit dem Beten angefangen hat, hatte sie sich noch nicht getraut, diese Sprache zu benutzen. Sie hatte saubere Worte benutzt und sich bemüht, reiner zu sein. Dann aber hat sie festgestellt, dass es sie nicht erleichtert hat. Es war unbefriedigend. Sie hat mit Vater Yates über ihr diesbezügliches Problem gesprochen.

Vater Yates war damals Mitte fünfzig, doch er war ziemlich cool. Er war ein Mann, der jedem eine Chance gab – ehemaligen Nutten genauso wie Drogensüchtigen auf Entzug. Solange er das Gefühl hatte, dass man es ernst meinte, war er für einen da. Nichts schien ihn aus der Ruhe zu bringen.

»Rosemary, die Dinge, die du Gott sagen möchtest, die unreinen Dinge, wie du sie nennst … verrate mir doch, wie es ist, wenn sie dich überkommen.«

»Wie ein Zwang, Vater. Wenn ich was zu trinken brauche oder richtig geil aufs Ficken bin – bitte verzeihen Sie, Vater –, dann ist es, als würden schwarze Wellen über mich hinwegschwappen, eine nach der anderen. Wenn ich mich ihnen entgegenstemme, werden die Zwänge nur noch stärker. Aber wenn ich über sie rede, wenn ich sie in Worte kleide, verschafft es mir ein wenig Erleichterung.«

»Nenn mir ein Beispiel.«

Sie hatte ihn angestarrt. »Sie wollen, dass ich so darüber rede, als würde ich gerade daran denken?«

»Ganz recht.«

»Ich weiß nicht, Vater. Ich rede von sehr schmutzigen Dingen.«

Er hatte gekichert. »Rosemary, ich habe jedes Schimpfwort gehört, das es auf der Welt gibt. Ich habe im Beichtstuhl Dinge gehört, die dir den Atem verschlagen würden … Beichten über Sodomie, die Phantasien von Männern, die Kinder missbrauchen … glaub mir, ich komme mit allem zurecht, was du mir zu sagen hast.«

Sie sah ihn an und glaubte ihm, doch es fiel ihr immer noch schwer. Die Dinge, die sie empfand, die Worte, um diese Dinge zu beschreiben … sie waren geheim. Es hatte mal eine Zeit gegeben, da hatte sie diese Worte gelebt, hatte diese Worte ausgesprochen, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken. Diese Zeit war vorbei.

Andererseits …

Sie konnte spüren, dass es eine gewisse Erleichterung mit sich bringen würde, wenn sie die dunklen Dinge, die in ihr hochschäumten, ausformulierte.

Doch was, wenn …

Es war die große Sorge, die größte von allen, die Sorge, die uns alle daran hindert, uns zu unseren Sünden zu bekennen.

»Vater, wenn ich … wenn ich das tue …« Sie biss sich auf die bebende Unterlippe. »Versprechen Sie mir, dass Sie mich hinterher nicht verstoßen?«

Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen. Er packte ihr Kinn und zwang sie, den Blick zu heben. Die Güte, die sie in seinen Augen sah, erweckte in ihr das Verlangen, vor Erleichterung zu weinen.

»Ich verspreche es, Rosemary. Ich verspreche es bei meiner Liebe zu Gott.«

Sie weinte ein wenig, und er wartete in Ruhe ab, bis sie sich beruhigt hatte. Dann wischte sie sich die Augen und fing an zu reden, erzählte ihm von diesen dunklen Geheimnissen. Die Worte kamen aus ihr hervor wie eine Flut, dunkel und furchtbar und voller Not, gesprochen zu werden.

»Manchmal, Vater, will ich einfach nur ficken, wissen Sie? Nicht Liebe oder Zärtlichkeit oder irgendwas in dieser Art. Ich will einen Schwanz im Mund und in meiner Fotze, am besten, nachdem ich mir so viel Koks reingezogen und so viel Alkohol gesoffen habe, wie ich in die Finger kriegen kann. Ich will es. Und während ich es will, spüre ich, wie es mich anmacht, wie das Verlangen noch stärker wird. Verstehen Sie, was ich meine?

So war es schon immer, Vater. Die Leute denken, Frauen wie ich wären Opfer, und manche sind es wahrscheinlich auch. Aber ich nicht. Ich konnte nie genug davon kriegen. Nie. Je dreckiger, desto lieber. Spuck mich an, piss mir ins Gesicht, mach mich zu einer Hure … es törnt mich nur noch mehr an und macht meinen Orgasmus noch geiler. Ich will es tagelang, wochenlang. Ich will gevögelt werden, bis mir der Schädel platzt.«

Die Worte waren aus ihr geströmt, unzensiert, und dann war sie fertig. Sie hatte einen Blick auf Vater Yates riskiert und war erleichtert gewesen, kein Erschrecken und kein Urteil im Gesicht des Geistlichen zu sehen. Auf seine Weise vielleicht noch wichtiger war, dass sie nicht den geringsten Hunger bei ihm sah, nicht den Hauch von Gier. Keine Spur von voyeuristischem Nervenkitzel.

»Ich danke dir, Rosemary«, sagte Vater Yates. »Wie fühlst du dich jetzt, nachdem du das alles ausgesprochen hast?«

»Besser«, hatte sie ohne Zögern geantwortet. »Das Verlangen ist schwächer geworden. Es ist wie …« Sie suchte nach den passenden Worten. »Es ist, als würde man einen dicken alten Pickel ausdrücken. Es tut weh, aber es ist eine Erleichterung, wenn er dann rauskommt, wissen Sie?«

Er hatte gelächelt und genickt. »Ja. Ja, ich weiß.« Seine Miene wurde wieder ernst, und er legte ihr eine Hand auf die Schulter und sah ihr in die Augen. »Darüber zu sprechen ist besser, als es zu tun, meinst du nicht, Rosemary?«

Sie hatte ihn angeblinzelt, überrascht von diesem erstaunlichen Gedanken.

War es besser? In dieser Gesellschaft hatte sie manchmal nicht das Gefühl. Sag in der Öffentlichkeit »Schwanzlutschen«, und es kann durchaus sein, dass du in einem Aufzug die Gelegenheit dazu bekommst.

Und doch … es war ein großer Unterschied, ob man lediglich über das Saufen und Ficken redete oder ob man nach einem Filmriss mit dem Sperma eines Fremden im Anus aufwachte.

»Ich glaube, Sie haben recht, Vater.«

...