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Ins weite Blau - Gedichte

Friedrich Hölderlin, Hans-Joachim Simm

 

Verlag Edition Erdmann in der marixverlag GmbH, 2014

ISBN 9783843804646 , 224 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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7,99 EUR


 

MENSCHEN, MENSCHEN!
WAS IST EUER LEBEN


Gedichte 1784–1789


M. G.2


Herr! was bist du, was Menschenkinder?

Jehova du, wir schwache Sünder,

Und Engel sinds die, Herr, dir dienen,

Wo ewger Lohn, wo Seligkeiten krönen.

Wir aber sind es, die gefallen,

Die sträflich deiner Güte Strahlen

In Grimm verwandelt, Heil verscherzet,

Durch das der Hölle Tod nicht schmerzet.

Und doch o Herr! erlaubst du Sündern,

Dein Heil zu sehn, wie Väter Kindern,

Erteilst du deine Himmelsgaben,

Die uns, nach Gnade dürstend, laben.

Ruft dein Kind Abba, ruft es Vater,

So bist du Helfer, du Berater,

Wann Tod und Hölle tobend krachen,

So eilst als Vater du zu wachen.

Das menschliche Leben


Menschen, Menschen! was ist euer Leben,

Eure Welt, die tränenvolle Welt,

Dieser Schauplatz, kann er Freuden geben,

Wo sich Trauern nicht dazu gesellt?

O! die Schatten, welche euch umschweben,

Die sind euer Freudenleben.

Tränen, fließet! o fließet, Mitleidstränen,

Taumel, Reue, Tugend, Spott der Welt,

Wiederkehr zu ihr, ein neues Sehnen,

Banges Seufzen, das die Leiden zählt,

Sind der armen Sterblichen Begleiter,

O, nur allzu wenig heiter!

Banger Schauer faßt die trübe Seele,

Wenn sie jene Torenfreuden sieht,

Welt, Verführung, manches Guten Hölle,

Flieht von mir, auf ewig immer flieht!

Ja gewiß, schon manche gute Seele hat, betrogen,

Euer tötend Gift gesogen.

Wann der Sünde dann ihr Urteil tönet,

Des Gewissens Schreckensreu sie lehrt,

Wie die Lasterbahn ihr Ende krönet,

Schmerz, der ihr Gebein versehrt!

Dann sieht das verirrte Herz zurücke;

Reue schluchzen seine Blicke.

Und die Tugend bietet ihre Freuden

Gerne Mitleid lächelnd an,

Doch die Welt – bald streut sie ihre Leiden

Auch auf die zufrieden heitre Bahn:

Weil sie dem, der Tugendfreuden kennet,

Sein zufrieden Herz nicht gönnet.

Tausend mißgunstvolle Lästerungen

Sucht sie dann, daß ihr die Tugend gleicht;

Beißend spotten dann des Neides Zungen,

Bis die arme Unschuld ihnen weicht;

Kaum verflossen etlich Freudentage,

Sieh, so sinkt der Tugend Waage.

Etlich’ Kämpfe – Tugend und Gewissen –

Nur noch schwach bewegen sie das Herz,

Wieder umgefallen! – und es fließen

Neue Tränen, neuer Schmerz!

O du Sünde, Dolch der edlen Seelen,

Muß denn jede dich erwählen?

Schwachheit, nur noch etlich’ Augenblicke,

So entfliehst du, und dann göttlich schön,

Wird der Geist verklärt, ein bess’res Glücke

Wird dann glänzender mein Auge sehn;

Bald umgibt dich, unvollkommne Hülle,

Dunkle Nacht, des Grabes Stille.

An die Nachtigall3


Dir flüstert’s leise – Nachtigall! dir allein,

Dir, süße Tränenweckerin! sagt es nur

Die Saite. – Stellas4 wehmutsvoller

Seufzer – er raubte mein Herz – dein Kehlchen –

Es klagte – o! es klagte – wie Stella ists.

Starr sah’ ich hin beim Seufzer, wie, als dein Lied

Am liebevollsten schlug, am schönsten

Aus der melodischen Kehle strömte.

Dann sah’ ich auf, sah’ bebend, ob Stellas Blick

Mir lächle – ach! ich suche dich, Nachtigall!

Und du verbirgst dich. – Wem, o Stella!

Seufztest du? Sangest du mir, du süße?

Doch nein! doch nein! ich will es ja nicht, dein Lied,

Von ferne will ich lauschen – o! singe dann!

Die Seele schläft – und plötzlich schlägt die

Brust mir empor zum erhabnen Lorbeer.

O Stella! sag’ es! sag’ es! – ich bebe nicht! –

Es tötete die Wonne, geliebt zu sein,

Den Schwärmer. – Aber tränend will ich

Deinen beglückten Geliebten segnen.

An meinen B.5


Freund! wo über das Tal schauerlich Wald und Fels

Herhängt, wo das Gefild leise die Erms durchschleicht,

Und das Reh des Gebürges

Stolz an ihrem Gestade geht –

Wo im Knabengelock heiter und unschuldsvoll

Wen’ge Stunden mir einst lächelnd vorüberflohn –

Dort sind Hütten des Segens,

Freund! – du kennest die Hütten auch;

Dort am schattichten Hain wandelt Amalia.

Segne, segne mein Lied, kränze die Harfe mir,

Denn sie nannte den Namen

Den, du weißts, des Getümmels Ohr

Nicht zu kennen verdient. Stille, der Tugend nur

Und der Freundschaft bekannt, wandelt die Gute dort.

Liebes Mädchen, es trübe

Nie dein himmlisches Auge sich.

Die Unsterblichkeit der Seele


Da steh’ ich auf dem Hügel, und schau’ umher,

Wie alles auflebt, alles empor sich dehnt,

Und Hain und Flur, und Tal, und Hügel

Jauchzet im herrlichen Morgenstrahle.

O diese Nacht – da bebtet ihr, Schöpfungen!

Da weckten nahe Donner die Schlummernde,

Da schreckten im Gefilde grause

Zackigte Blitze die stille Schatten.

Jetzt jauchzt die Erde, feiert im Perlenschmuck

Den Sieg des Tages über das Graun der Nacht –

Doch freut sich meine Seele schöner

Denn sie besiegt der Vernichtung Grauen.

Denn – o ihr Himmel! Adams Geschlechte sinds,

Die diese Erd’ im niedrigen Schoße trägt –

O betet an, Geschlechte Adams!

Jauchzet mit Engeln, Geschlechte Adams!

O ihr seid schön, ihr herrliche Schöpfungen!

Geschmückt mit Perlen blitzet das Blumenfeld;

Doch schöner ist des Menschen Seele,

Wenn sie von euch sich zu Gott erhebet.

O, dich zu denken, die du aus Gottes Hand

Erhaben über tausend Geschöpfe gingst,

In deiner Klarheit dich zu denken,

Wenn du zu Gott dich erhebst, o Seele!

Ha! diese Eiche – strecket die stolze nicht

Ihr Haupt empor, als stünde sie ewig so?

Und drohte nicht Jehovas Donner,

Niederzuschmettern die stolze Eiche?

Ha! diese Felsen – blicken die stolze nicht

Hinab ins Tal, als blieben sie ewig so?

Jahrhunderte – und an der Stelle

Malmet der Wandrer zu Staub das Sandkorn.

Und meine Seele – wo ist dein Stachel, Tod?

O beugt euch, Felsen! neiget euch ehrfurchtsvoll,

Ihr stolze Eichen! – hörts und beugt euch!

Ewig ist, ewig des Menschen Seele.

Mit grausem Zischen brauset der Sturm daher,

Ich komme, spricht er, und das Gehölze kracht

Und Türme wanken, Städte sinken,

Länder zerschmettern, wenn ich ergrimme.

Doch – wandelt nicht in Schweigen der Winde Dräun?

Macht nicht ein Tag die brausende atemlos?

Ein Tag, ein Tag, an dem ein andrer

Sturm der verwesten Gebeine sammelt.

Zum Himmel schäumt und woget der Ozean

In seinem Grimm, der Sonnen und Monde Heer

Herab aus ihren...