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Heilen verboten - töten erlaubt - Die organisierte Kriminalität im Gesundheitswesen

Kurt G. Blüchel

 

Verlag C. Bertelsmann, 2009

ISBN 9783641010959 , 433 Seiten

Format ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR


 

5. Die »soziale« Enteignung (S. 306-307)

Auf dem Marsch in den Armeleutestaat

Die Goldgrube Gesundheitswesen schreibt rote Zahlen. Auch für Deutschlands Ärzte sind die Zeiten garantierten Wohlstands vorbei. Furchteinflößende Jahre liegen bereits hinter ihnen, noch schlimmere stehen ihnen vielleicht bevor. Schon heute kämpfen sie rabiat um jeden Euro. Doch am Ende wird das, wie es den Anschein hat, alles nichts nutzen. In Sachsen und einigen weiteren neuen Bundesländern droht seit Ende der Neunzigerjahre angeblich 25 Prozent aller Arztpraxen der Ruin, in Hamburg und Berlin sind es nach Angaben der regionalen Standesorganisationen sogar 30 Prozent. Nach Einschätzung der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein müssen ärztliche Praxen mittlerweile auf breiter Front mit dem Bankrott rechnen.

Bereits 1996 prognostizierte Wolfgang Grebe, Standesfürst der hessischen Internisten, »werden zum Jahresende viele Kollegen von ihren Steuerberatern erfahren, dass sie schon pleite sind«. 1500 von 8400 niedergelassenen Ärzten in Grebes Sprengel hätten also spätestens um die Jahrtausendwende aufgeben müssen. Selbst im wohlhabenderen Süden der Republik breitet sich allerorten Katerstimmung aus, auch in Münchener Arztpraxen geht die Angst um. Zahlreichen Medizinern steht das Wasser bis zum Hals, war in einer großen deutschen Tageszeitung vor längerer Zeit zu lesen. Durch die angekündigte Nullrunde der Bundesgesundheitsministerin sehen viele der 4500 niedergelassenen Mediziner und Psychotherapeuten in Bayerns Hauptstadt nun besonders schwierige Zeiten anbrechen. Axel Munte, Vorsitzender der bayerischen Kassenärzte, rechnet mit einer Pleite welle unter seinen Kollegen.

Ein Großteil der Praxen werde noch künstlich am Leben erhalten, zur Sicherung des Bankkredits. Wolf von Römer, ein anderer Arzt, der in München seine Praxis betreibt: »Wir arbeiten wie die Wilden und stehen finanziell vor dem Ruin.« Die unsichere wirtschaftliche Lage gehe den Kassenärzten an die Nieren. Es gebe zahlreiche Praxisinhaber, die erwögen, ihre Kassenzulassung ganz an den Nagel zu hängen. »Der normale Kassenpatient rechnet sich nicht mehr«, sagt auch Gunther Karlbauer, einer der besonders gestressten Mediziner. Pro Quartal behandelt der Neurologe mit Praxis in der Münchener Innenstadt 150 seiner 1200 Patienten gar umsonst, weil das Budget, das ihm für ein Vierteljahr zusteht, überschritten sei: »Als Kassenarzt bist du heute zerrissen zwischen Ethik und Ökonomie.«1

Ein Parkinsonkranker etwa, der intensive Betreuung und viele Medikamente brauche, sei zum »unkalkulierten wirtschaftlichen Risiko« geworden. Anfang 2003 sei ihm die jüngste Quartalsabrechnung auf den Schreibtisch geflattert, und sie habe seine Laune nicht unbedingt verbessert. Der Fall des Münchener Arztes wurde von der Süddeutschen Zeitung erneut aufgegriffen. Dort hieß es: »40 Euro erhält der Münchner Kassenarzt Gunther Karlbauer für jeden Patienten im vergangenen Quartal, vor zehn Jahren waren es noch 170 D-Mark pro Patient. Solch massive Honorareinbußen, sagt er, habe es in keiner anderen Berufsgruppe gegeben. In diesem Jahr, mit der von Ulla Schmidt verordneten Nullrunde, werde sich diese Summe noch einmal mindestens 5 Prozent verringern.«

Das Blatt fügte hinzu: »Karlbauer kennt Kollegen, die mittlerweile weniger verdienen als die schlecht bezahlten Assistenzärzte in Kliniken.« Nagen unsere einst auf der Schaumkrone der Wohlstandswelle reitenden Ärzte heute am Hungertuch? Zugegeben, mit 3800 Euro brutto kann ein Assistenzarzt im Krankenhaus keine großen Sprünge machen. Aber wie sieht es im wirklichen Leben aller übrigen Mediziner aus? Beginnen wir mit dem offenbar prekären Fall des Dr. Gunther Karlbauer. Wie er selbst behaup tet, hat er 1200 Scheine im Quartal und eine Reihe von Privatpatienten, die seine Praxis »subventionieren«. Für die 1200 Krankenscheine à 40 Euro erhält der Münchener Doktor demnach 48 000 Euro im Quartal, 192000 Euro im Jahr.