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Über den Umgang mit Menschen

Adolph Knigge

 

Verlag Goldmann, 2009

ISBN 9783641012212 , 475 Seiten

Format ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR


 

Siebentes Kapitel (S. 234-235)

Über die Verhältnisse zwischen Herrn und Diener

1. Es ist traurig genug, daß der größte Teil des Menschengeschlechts durch Schwäche, Armut, Gewalt und andre Umstände gezwungen ist, dem kleinern zu Gebote zu stehn, und daß oft der Bessere den Winken des Schlechtern gehorchen muß. Was ist daher billiger, als daß die, denen das Schicksal die Gewalt in die Hände gegeben hat, ihren Nebenmenschen das Leben süß und das Joch erträglicher zu machen, diese glückliche Lage nicht ungenützt lassen?

2. Wahr ist es aber auch, daß die mehrsten Menschen zur Sklaverei geboren, daß edle, wahrhaftig große Gesinnungen und Gefühle hingegen nur das Erbteil einer unbeträchtlichen Anzahl zu sein scheinen. Lasset uns indessen den Grund dieser Wahrheit weniger in den natürlichen Anlagen als in der Art der Erziehung und in unsern durch Luxus und Despotismus verderbten Zeiten suchen. Durch sie werden eine ungeheure Menge Bedürfnisse erzeugt, die uns von andern abhängig machen.

Das ewige Angeln nach Erwerb und Genuß erzeugt niedrige Leidenschaften, zwingt uns zu erbetteln und zu erkriechen, was wir für so nötig zu unsrer Existenz halten, statt daß Mäßigkeit und Genügsamkeit die Quellen aller Tugend und Freiheit sind.

Bleiben nun die mehrsten Menschen stumpf für feinre Empfindungen und unfähig zu erhabenen, hohen Gesinnungen, so sind sie doch nicht alle unerkenntlich gegen großmütige Behandlung noch blind gegen wahren Wert. Rechne also weder auf die Zuneigung und Achtung noch auf freiwillige Folgsamkeit derer, die Dir unterworfen sind, wenn diese selbst fühlen, daß sie moralisch besser, weiser, geschickter sind als Du, daß Du nötiger ihrer bedarfst als sie Deiner, wenn Du sie mißhandelst, schlecht für wesentliche Dienste belohnst, die Schmeichler unter ihnen den graden, aufrichtigen, treuen Dienern vorziehst, wenn sie sich schämen müssen, einem Manne anzugehören, den jeder haßt oder verachtet, wenn Du mehr von ihnen verlangst,

als Du selbst an ihrer Stelle würdest leisten können, wenn Du Dich weder um ihr moralisches noch ökonomisches noch physisches Wohl bekümmerst, ihnen den Lohn ihrer Arbeit so sparsam zuteilst, daß sie verzweifeln oder Dich betrügen müssen oder wenigstens keine frohe Stunde haben können, wenn Du nicht Rücksicht nimmst auf ihren körperlichen Zustand, sie verstoßest, sobald sie alt und schwächlich werden, wenn Du ihnen wenig Ruhe und Schlaf erlaubst, wenn sie, indes Du schwelgst, in rauher Jahreszeit bis nach Mitternacht, vielleicht gar dem bösen Wetter bloßgestellt, auf Dich voll tötender Langeweile warten müssen, wenn Dein lächerlicher Hochmut ein Gegenstand ihres Spottes wird oder Dein Jähzorn sie mit Schimpfwörtern überhäuft, wenn sie mit aller Aufmerksamkeit kein freundliches Wort von Dir gewinnen können – Gradheit, Redlichkeit, wahre Menschenliebe, Würde und Konsequenz in unsern Handlungen zu zeigen, das ist, so wie überhaupt das sicherste Mittel uns allgemeine Achtung zu erwerben, so insbesondre geschickt, uns der Ehrerbietung und Zuneigung derer zu versichern, die von uns abhängen, uns oft ohne Schminke, in mancherlei Launen sehen, und gegen welche wir uns also schwerlich lange verstellen können.