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Die Sünderin von Siena - Roman

Brigitte Riebe

 

Verlag Diana Verlag, 2009

ISBN 9783641012731 , 561 Seiten

Format ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR

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Zwei


Der feuchte Schwamm erwies sich schließlich als Rettung, und obwohl Matteo inzwischen bleierne Müdigkeit in den Armen spürte, setzte er ihn großzügig ein. Anstatt wie bei seinen bisherigen Fresken die Pigmente lasierend zu verwenden, hatte er erstmals buttrigen Kalk gewählt, was einen gut deckenden Auftrag erlaubte und gleichzeitig viele Lichter setzte. Durch die zusätzliche Nässe gelang es ihm nun, erstaunlich weich zusammenklingende Farben zu erzielen. Fast schien es, als wollten das Blau des Frauengewandes und das leuchtende Goldgelb des Männermantels ineinander verschmelzen – und doch war es bei genauerem Hinsehen eher eine Sinnestäuschung, falls die reichlich aufgestellten Wachsstöcke mit ihrem flackernden Licht nicht trogen.

Jedenfalls mochte er die beiden Gestalten, die da unter seinen Händen auf der sorgfältig vorpräparierten Wand entstanden: die zur Fülle neigende, mütterliche Anna, die von innen zu strahlen schien wie ein junges Mädchen, jetzt, da endlich ihr sehnlichster Wunsch sich erfüllte, ebenso wie Joachim, der sie in freudiger Aufregung umfing, kein Greis, wie in zahlreichen traditionellen Darstellungen, sondern ein kraftvoller, würdevoller Mann jenseits der Lebensmitte. Aber das war erst der Anfang, das prominente Mittelstück, das zunächst die Augen aller Betrachter auf sich ziehen würde, während Matteo für die versteckteren Ecken, die erst später an der Reihe waren, ganz andere Überraschungen parat hatte.

Er trat zurück, um sein Werk aus einiger Entfernung zu begutachten, und stieß dabei einen Fluch aus, denn die heruntergebrannte Kerze, die er sich auf den Kopf gebunden hatte, träufelte ihm heiße Wachstränen in die Augen. Ungeduldig riss Matteo sich die provisorische Konstruktion herunter und wäre dabei fast versehentlich auf Nevio getreten, der hinter ihm auf einem Lumpenbündel schnarchte. Der Junge hatte sich geweigert, nach Hause zu gehen, nachdem Matteo angekündigt hatte, die Osternacht durchzumalen, um die besondere Stimmung dieser Stunden einzufangen.

»Kein anständiger Lehrling verlässt seinen Meister«, hatte Nevio gemurmelt, die Lider schon schwer vor Müdigkeit. »Solange du bleibst, werde natürlich auch ich durchhalten.« Kurz danach war er allerdings wie ein gefällter Baum umgesunken und hatte sich seitdem nicht mehr gerührt.

Liebevoll betrachtete ihn Matteo. Von Tag zu Tag mochte er ihn mehr, diesen anhänglichen, aufgeweckten Kerl, der geschickte Hände hatte und vor allem so schön staunen konnte. Als er ihm erklärt hatte, dass die Begegnung von Anna und Joachim an der Goldenen Pforte als symbolische Zeugung der göttlichen Jungfrau betrachtet werde, röteten sich Nevios Wangen.

»Das lass aber besser meine Mutter nicht hören!«, hatte er gesagt, sichtlich verlegen. »Die glaubt nämlich ohnehin, dass du mich verderben wirst. Ständig liegt sie mir in den Ohren, ob bei dir nicht doch heimlich Frauen ein- und ausgehen. Dabei hab ich die ganze Zeit außer ihr noch kein anderes weibliches Wesen in deinem Haus gesehen.«

Das Rascheln von Stoff ließ Matteo aufhorchen.

»Wie schön!«, sagte eine weibliche Stimme, ihm so vertraut, dass er sich nicht umdrehen musste, um zu wissen, wer ihn da in der nächtlichen Kapelle unverhofft besuchen kam. »Die beiden sehen so innig aus. Und ich kann spüren, wie groß ihre Freude ist.«

»Nichts könnte bewegender sein, als gemeinsam die Ankunft eines Kindes zu erwarten«, sagte er. »Lass uns nur hoffen, dass Barna ähnlich denkt. Beim Auszahlen des Vorschusses war er noch äußerst zögerlich. Ginge es nach ihm, so müssten der Junge und ich bis zur Fertigstellung des Freskos von Luft und Wasser leben.«

» Der Rektor ist ein schwieriger Mann und ein sehr geiziger dazu«, sagte Celestina. War sie aufgeregt? Ihre Stimme klang höher als sonst. »Seitdem die gesamte Verwaltung von Santa Maria della Scala in seinen Händen liegt, ist er sogar noch knauseriger geworden. Doch seine Macht reicht weit. Und er hat einflussreiche Freunde, vergiss das nicht!«

Jetzt stand sie neben ihm, zu seiner Überraschung nicht wie gewohnt im schlichten Habit des Hospitals, sondern in einem Kleid aus schwerer weißer Seide, über dem sie eine ärmellose giornea mit roten und weißen Rosen auf blassgelbem Grund trug. Ihr schwarzes Haar war in der Mitte gescheitelt und locker nach oben genommen, was den kräftigen Hals vorteilhaft streckte. Leider jedoch machten die ungewohnt hellen Farben ihr Gesicht fahl und ließen vor allem die Warzen umso auffälliger hervortreten. Celestina hatte sogar Rosenöl aufgelegt, das in weichen Wellen zu ihm flutete.

Nichts davon entging dem Maler, während er sie aufmerksam musterte, weder ihr zunächst erwartungsvoller Ausdruck noch die jähe Resignation, die diesem folgte, als er offenbar nicht die gewünschte Reaktion zeigte. Nicht um der Osternacht willen hatte sie sich so fein gemacht, das wurde Matteo bewusst, sondern einzig und allein seinetwegen.

»Wie könnte ich das jemals?«, antwortete er.

»Von diesem Auftrag hängt einiges für dich ab.« Celestinas Stimme war schärfer geworden. »Man beobachtet dich, hat dich nie wieder aus den Augen gelassen. Seit damals ...« Sie legte die Hand auf den Mund, deutete auf Nevio.

»Damals ist lange vorbei. Ich lebe – und du hast mich nicht verraten. Allein das zählt. Und was den Jungen betrifft: Wenn der einmal schläft, dann schläft er.«

Celestina trat zur Seite, dabei fiel ihr Blick auf den Packen Zeichnungen, die eigentlich nicht für ihre Augen bestimmt waren. Zu gern hätte er das vermieden. Doch jetzt war es zu spät, um den Packen wegzuräumen.

»Sie?«, sagte Celestina und klang erstaunt. »Von allen Frauen in Siena ausgerechnet sie – weshalb, Matteo?«

»Ich weiß es nicht«, erwiderte er wahrheitsgemäß. »Es ist einfach so.«

»So, wie es damals auch bei Fiona war?«

» Celestina, lass uns dieses Thema lieber ...«

»Und wenn es das hier nicht gäbe?« Sie hatte seine Hand gepackt und an ihre Wange gepresst. »Wenn ich glatt wäre? Makellos und ebenmäßig wie sie, was dann?« Er spürte die unregelmäßigen Erhebungen auf der erhitzten Haut, die ihr das Leben von Anfang an so schwer gemacht hatten, und Mitgefühl stieg in ihm auf.

Matteo kannte keine Scheu, die Warzen zu berühren; für ihn waren sie ein Teil Celestinas, der zu ihr gehörte wie das dunkle Haar oder die wachen Augen. Doch er wusste, dass kaum einer so dachte wie er, und welch üble Kapriolen die Fantasie der meisten Menschen bei diesem Anblick schlagen konnte. Man hatte Celestina ausgelacht, verspottet, sogar bespuckt. Mütter zogen ihre Kinder enger an sich, sobald sie ihr begegneten; andere kreuzten heimlich die Finger hinter dem Rücken, als wäre sie eine Ausgeburt der Hölle und ihr Makel ansteckend, und waren sichtlich erleichtert, wenn sie endlich an ihr vorbei waren. Die Mauern des Hospitals boten einen gewissen Schutz und hatten ihr im Lauf der Zeit größeres Selbstvertrauen geschenkt. Dennoch musste sie mit ihrem Aussehen leben, Tag für Tag, Jahr um Jahr.

»Du bist meine kluge Vertraute, meine treueste Verbündete.« Müdigkeit lag in seiner Stimme, ebenso wie Zärtlichkeit. »Du weißt alles von mir. Ist das nicht schon sehr viel?«

Sie wich zurück, als könne sie die Berührung plötzlich nicht mehr ertragen.

»Weiß ich das wirklich, Matteo?«

»Nur ein Wort von dir – und mein Leben wäre verwirkt. Mein Schicksal ruht in deinen Händen. Auf ewig werde ich dir dankbar sein, Celestina.«

Sie zwang sich ein Lächeln ab.

»Lass uns lieber vom Augenblick reden. Du kannst sie wiedersehen, deine Gemma. Denn das möchtest du doch, oder etwa nicht? Ich nehme an, du hast sie bereits gesucht?«

»Woher weißt du das schon wieder?«

»Weil ich dich inzwischen beinahe so gut kenne, als hätte ich dich geboren.«

»Gemma heißt sie?« Sein Blick wurde weich. » Der Name passt zu ihr.«

Celestinas Lächeln erlosch. »Vermutlich musst du dich nicht einmal mehr allzu lange gedulden. Sie bereitet seit Mitternacht zusammen mit ein paar anderen Frauen das Festessen für die Waisenkinder vor.«

»Dann wird sie später auf dem Domplatz sein?« Plötzlich klang er wie ein aufgeregter Junge. »Bist du sicher?«

Sie wiegte langsam den Kopf. »Ich denke, ja. Gut möglich allerdings, dass dort noch jemand anderer nach ihr Ausschau halten wird. Du kennst doch Cecco, Lupo di Cecco?«

»Nur dem Namen nach. Ein Kaufmann, wie ich glaube, oder?«

»Ein vermögender Handelsherr mit großen Ambitionen. Jemand, der, wie die Leute hier sagen, mit allen Wassern gewaschen ist. Jemand, der nicht lange fackelt, wenn etwas seinen Vorstellungen zuwiderläuft.«

»Und was hat Gemma mit diesem Cecco zu tun?« »Einiges, Matteo, leider. Denn dieser Lupo di Cecco ist ihr Ehemann«, sagte Celestina bedächtig.

Jetzt begannen die Glocken zu läuten, die dunkel, voll klingenden des gegenüberliegenden Doms, die so mächtig hallten, dass das lang gestreckte Gebäude des Hospitals zu erzittern schien; kurz danach fielen die heller klingenden der anderen Kirchen ein.

Nevio fuhr schlaftrunken hoch.

»Die Glocken!«, rief er. »Sie sind zurück aus Rom geflogen und rufen uns zur Messe. Wir müssen sofort ...« Matteo bekam ihn gerade noch am Hemd zu fassen.

»Wir gehen ja«, sagte er. »Und natürlich zusammen, wie es sich für Meister und Lehrling gehört. Aber erst, wenn wir uns gründlich gewaschen und frische Kleidung angelegt haben.«

Celestinas Worte wirkten in Matteo weiter, obwohl es ihm zunächst gelang, äußerlich ruhig zu wirken. Hatte sie ihm das erzählt, um sich für seine...