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KNUCKLEDUSTER - SciFi-Thriller

Andrew Post

 

Verlag Luzifer Verlag, 2020

ISBN 9783958351493 , 396 Seiten

2. Auflage

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

2,99 EUR


 

Kapitel 1


Künstliches Licht fiel durch ein dichtes Gewirr aus Kabeln und Leitungen auf den Mann mit den orange verfärbten Augen. Der Türsteher sah zu, wie er eine Zigarette nach der anderen rauchte, da es sonst nicht viel zu sehen gab. Als er auf die Uhr seines Handys schaute, tat der Türsteher dasselbe.

Um zehn vor elf steckte der Mann das Handy in die Tasche seiner Cabanjacke, trat seine Zigarette mit dem Stiefel aus und marschierte über die zugemüllte Allee. Es gab keine Schlange, darum ging er direkt zum Türsteher und rief über den markerschütternden Bass, der durch die Eingangstüren drang. Es war der Sound des Tages: einsame Cowboy-Countrymusik mit unpassend eingestreutem Schlagzeug. »Wie viel?«

»Zehn«, antwortete der stark tätowierte Türsteher zum hundertsten Mal an diesem Abend. Als der Mann seine Puzzle-Karte hervorholte, musterte er ihn. Hoch aufgeschlossen, gebaut wie ein Basketballspieler. Kurz geschnittenes, schlammbraunes Haar mit einer Welle vorn, gekrümmt durch eine Tolle. Ein langes, schmales Gesicht mit grob gewachsenem Wochenbart. Vertraut.

Es dauerte einen Moment, bis sich der Türsteher an letzten Monat erinnerte. Der Mann war schon mal hier gewesen, hatte Fragen gestellt, einen Kampf begonnen und jemanden halb totgeprügelt. Welche Waffe benutzte er noch mal? Unter diesem Namen war sie allen bekannt. Totschläger? Reifenmontierhebel? Socke voller Münzen? Nein, er benutzte seine Faust, gepanzert mit schwarzem Metall über den Fingern, einen Schlagring. Aber er bildete auch den Mittelteil seines Namens, wie beim Spitznamen eines Schwergewichtskämpfers. Irgendwas ›Knuckleduster‹ irgendwas.

›Irgendwas Knuckleduster irgendwas‹ hielt ihm sichtlich ungeduldig seine Puzzle-Karte hin.

Der Türsteher zog sie mit den tätowierten Händen durch sein Gerät und wartete, bis der Bildschirm etwas anderes, als eine Sanduhr anzeigte. Bevor ein Piepen die Abbuchung des Eintrittsgeldes bestätigte, traf ihn der Stoß einer Erinnerung.

Er sprang vor und versperrte dem Mann mit ausgestreckter Hand den Weg. »Hey, Kumpel, wir wollen heute Abend keinen Ärger. Hier sind eine ganze Reihe Typen, die nur abschalten und nicht gestört werden wollen, okay? Außerdem bist du nur einer und die sind Gott weiß wie viele. Glaubst du wirklich, es wär 'ne gute Idee hier Stress zu machen?«

Der Mann stand nur da. »Was hat Ihnen das Ding gesagt?«, fragte er kurz darauf und nickte in Richtung des Gerätes.

Der Türsteher blickte ihm in die Augen, die er nun aus der Nähe betrachten konnte. Er sah einen dunkelbraunen Farbton und noch etwas, bei dem er sich vorher nicht sicher gewesen war. Das Weiß erschien leicht in der Farbe einer Kürbisschale. Unheimlich.

Der Mann wiederholte seine Frage, was das Gerät ihm gesagt hätte, diesmal langsamer.

»G-Gar nichts«, stotterte er und wich den fixierenden Augen aus. »Der Boss wollte nicht die guten Geräte kaufen. Die hier ziehen nur Zehner ab und überprüfen, ob Sie mindestens einundzwanzig Jahre oder älter sind.« Er schüttelte das Gerät, als könnte er die Technik dadurch verbessern. »Und es sagt mir auch nicht, wer hier reingeht.« Er merkte, dass er zu viel redete und hielt die Klappe.

»Wenn ich wissen wollte, ob ein Freund von mir heute hier ist, könnten Sie es mir nicht sagen?«

»Nein.«

»Und wenn aus irgendeinem Grund heute was passiert …«

»Der Boss sagt, das ist ein Ort, an dem sich die Leute nicht beobachtet fühlen sollen«, antwortete der Türsteher und zitierte dabei den Barbesitzer und seine Vision für diesen speziellen Laden Wort für Wort. Er brauchte eine Sekunde, ehe er begriff, was der Mann mit der Frage angedeutet hatte. Er wollte gerade den Mund öffnen und eine Lüge ausspucken, um seine Spuren zu verwischen, da wurde er auch schon unterbrochen.

»Ich will nur einen Drink«, sagte der Mann mit tiefer, gleichmäßiger Stimme.

»Sie sind nicht hier, um jemanden aufzumischen? Sie haben den Kerl vor einem Monat fast getötet.« Er erinnerte sich an die blutige Szene, wie der Typ auf einer Liege herausgerollt wurde, Arm gebrochen, Kiefer zertrümmert. Hässliche Sache.

Er lächelte, zeigte dabei seine hohen, geraden Zähne und schüttelte den Kopf. »Nur ein kurzer Drink, dann bin ich weg. Pfadfinderehrenwort.«

Natürlich konnte der Türsteher jeden abweisen, den er nicht in der Bar haben wollte. Aber die Zeiten waren hart und sein Boss hatte ihm die Anweisung gegeben jeden reinzulassen, der nicht nackt war oder mit Glasscherben Symbole in den Körper ritzte. Zur Hölle, lasst auch die Bekloppten rein, die bringen Stimmung. Er gab dem Mann seine Puzzle-Karte zurück.

»Na schön«, sagte er und ballte eine Faust mit ausgestrecktem Daumen. Er zeigte über seine Schulter und trat zur Seite. »Gehen Sie weiter. Aber wenn Sie hier irgendeinen Scheiß mit jemandem anfangen, wandern Ihre Schlagringe in meine Tasche.«

»Darauf können Sie einen lassen.« Wie-auch-immer-sein-Name-war grinste und ging hinein.

 

Der Laden war voll und der Lärm überwältigend, konnte klaustrophobische Gefühle hervorrufen. Ohne Atempause ging ein Song in den anderen über. Schwere Klubmusik mit obszönen Texten, gefolgt von weiteren Country-Remixes.

Brody studierte die sich stetig verändernde Masse Tänzer unter den Stroboskoplichtern, farbigen Laserschwaden, die über ihre schweißnassen Körper schnitten. Die Lichter und konstanten Bewegungen der fuchtelnden Menge, vermittelten den Eindruck eines schwankenden Gebäudes in einer endlosen Spirale der Schwerelosigkeit, in der die Leute nicht tanzten, sondern um Stabilität auf wackligem Untergrund kämpften.

Brody stand an der Rückwand, weitab der Tanzfläche, und sah der Menge fünfzehn ohrenbetäubende Minuten lang zu. Er machte sich mit der Örtlichkeit vertraut, schaute nach den Ausgängen, der Position des Personals. Von jedem Besucher nahm er so viele Details wie möglich auf und glich sie mit dem Bisschen ab, das er über Jonah Billingsly wusste. Er hatte eine sehr grobe Beschreibung erhalten, irgendwas über ein altes Tattoo, das zu einem chaotischen Fleck verblichen war. Er kannte auch die Taten des Mannes, aber wer sah schon wie ein misshandelnder Freund aus?

Die Bar-KI musste Wind davon bekommen haben, dass sich hier jemand länger als zehn Minuten ohne ein bestelltes Getränk aufhielt. Eine Frau erschien in durchschimmerndem Blau und mit aggressiv entblößten Brüsten. Sie meckerte ihn an: »Hey, Süßer, wie wär's mit einem Tall Boy? Das wären nur fünfzehn Buckaroos für die nächsten zehn Minuten.«

Brody winkte dem Hologramm ab, woraufhin die Frau einklappte und verschwand, um vor jemand anderem belästigend aufzutauchen, dem sie etwas vorwackeln konnte.

Sein Blick wanderte von einer Ecke zur anderen, vorbei an den tanzenden Transvestiten in ihren glitzernden Fummeln. Brody nahm an, dass ein aggressiver Säufer, der seine Freundin jede Woche bewusstlos prügelte, nicht viel von einem Tänzer aufwies.

Er beobachtete stattdessen die Gruppe an der Bar: Männer, gekleidet in schmutzige Overalls. Hafenarbeiter womöglich. Sie stießen mit dunklem Bier an und hauten Schnaps weg, der selbst dem stärksten Mann Tränen in die Augen trieb. Brody wusste nicht, welches Leben Jonah führte, denn Marcy hatte ihm nur vage Details gegeben. Aber es bestand eine gute Chance, dass er in dieser Gruppe war.

Brody wollte sehen, wie viel sie preisgaben, wenn er sich als einsamer Betrunkener ausgab, der bloß ein wenig plaudern wollte. Schwankend ging er auf die verkleidete Horde zu. Dabei trat er absichtlich auf einen der Stahlkappenschuhe. Er entschuldigte sich überschwänglich und ließ seine Augen vergeblich nach einem Ziel suchen, um schwer betrunken zu wirken. »Hey, hey, tut mir echt leid, man«, lallte er.

Der Typ schob seine Strickmütze hoch, damit er den Störenfried besser sah. Als er sich in die Lichtimpulse drehte, erkannte Brody ein hartes Gesicht, aufgedunsen und rötlich, mit dicken Augenbrauen und engen Lippen, die so spröde waren, dass sie verbrannt wirkten. Er schien zu überlegen, ob er wegen des Trittes auf seinen Schuh eine Szene sollte, bis ein neues Bier hingestellt wurde und Brody seine Puzzle-Karte auf die Bar klatschte, um dafür zu zahlen.

Der Barkeeper scannte sie mit seinem Handgerät und ging wieder, ohne sie berührt zu haben.

»Noch mal, tut mir leid, man. Wirklich.«

»Ist halb so wild. Sind sowieso alte Stiefel.« Der Hafenarbeiter klopfte Brody auf die Schulter, hob das Bier und nahm einen großen Schluck. Er ahnte nicht, dass er eindringlich beäugt wurde.

Marcy, die Frau mit dem zugeschwollenen Auge, die Brody kontaktiert hatte, erwähnte ein Tattoo am Handgelenk ihres Freundes, das einst ihren Namen beschrieb, nun aber eher einem verschwommenen Strichcode gleichkam. Als der Mann erneut den Krug hob, um einen weiteren Schluck zu trinken, sah Brody das Tattoo flüchtig unter der Manschette des Overalls hervorblitzen.

Diesmal war es leicht. Kein Herumfragen, keine falschen Hinweise, kein Bezahlen für Informationen. Der erste Blödmann, den er ansprach, war der, wegen dem er hergeschickt wurde. Manchmal liefen die Dinge einfach. Es spielte keine Rolle, welches Paar Jonah und Marcy früher gewesen waren, wenn sie denn überhaupt je glücklich miteinander sein konnten. Es zählte einzig, was Jonah nun war: Ein gemeiner Säufer, der Frauen schlug.
Brody betrachtete sich manchmal als die Summe einer Gleichung. Das Plus entsprach ihm, der lebenden Summe schlechter Taten.

Er ließ die Maske des fröhlichen Betrunkenen fallen, richtete sich auf und spürte sein Herz in einem plötzlich wachen, schnellen Rhythmus schlagen.

...