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Der Banknotenfälscher - Roman

Edgar Wallace

 

Verlag Goldmann, 2003

ISBN 9783894803049 , 169 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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4,49 EUR

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    Die blaue Hand - Roman
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    A.S. der Unsichtbare - Roman
    Die Bande des Schreckens - Roman
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1


Der große Ordinationsraum im Hause Harley Street Nr. 903 war ein Mittelding zwischen Salon und Bibliothek. Überall lagen Bücher umher, und von der üblichen Ausstattung einer ärztlichen Praxis war kaum etwas zu bemerken.

In einer Ecke führte eine Tür aus poliertem Holz in einen gekachelten Raum, dessen Einrichtung schon eher auf eine medizinische Tätigkeit hindeutete: ein Tisch mit Glasplatte, gläserne Regale und verschlossene, verglaste Wandschränke, angefüllt mit langen Reihen von Flaschen aller Farben und Größen sowie sorgsam verdeckten Bakterienkulturen.

Peter Clifton, der seit vier Jahren regelmäßig Dr. Wells Sprechstunden aufsuchte, hatte diese Tür noch nie geöffnet gesehen. Er saß auf der Armlehne eines schweren Klubsessels und blickte, ohne etwas wahrzunehmen, starr durchs Fenster hinaus. Peter haßte es, seine Gefühle zu zeigen, und gerade in diesem Augenblick wollte er niemandem sein Gesicht sehen lassen, nicht einmal Dr. Donald Wells.

Dann aber gab er sich einen Ruck und wandte sich dem Mann zu, der breitbeinig vor dem Kamin stand und ihn durch die Rauchschwaden seiner Zigarette nachdenklich aus dunklen Augen musterte. Dr. Wells war ziemlich hager und erschien dadurch größer, als er wirklich war. Sein dunkles, melancholisches Gesicht mit dem gepflegten schwarzen Schnurrbärtchen hatte fast etwas Unheimliches, doch das war wie weggewischt, wenn er lächelte. Und jetzt lächelte der Arzt, als er dem Blick seines Patienten begegnete.

Peter holte tief Atem und erwiderte das Lächeln. »Es war wirklich ein außerordentlicher Glückstag für mich, als ich damals auf der Suche nach einem Zahnarzt versehentlich zu Ihnen gekommen bin!«

»Mein lieber Junge«, antwortete der Arzt kopfschüttelnd, »das beruht ganz auf Gegenseitigkeit; möglicherweise habe ich Ihnen geholfen, aber Sie waren der großzügigste Patient, den ich jemals hatte.«

Wieder lächelte Peter. »Sie haben mich damals aber nicht nur von meinen Zahnschmerzen befreit, sondern auch gleich den ganzen Menschen geheilt«, entgegnete er.

Der Arzt wurde ernst. »Ich habe lediglich Ihre Depressionen bekämpft. Doch Ihren Entschluß haben Sie auf dem Gutachten meines großen Kollegen Sir William Clewer aufgebaut. Ich selbst hätte es nicht gewagt, mich so bestimmt zu äußern wie er, und ich muß Ihnen leider sagen, daß ich Anfälle der befürchteten Art auch jetzt noch für nicht ganz ausgeschlossen halte. Die Hauptgefahr scheint allerdings beseitigt zu sein. Ich hielt es nicht für richtig, Sir William gegenüber meine Bedenken zu äußern, aber vielleicht konsultieren Sie ihn noch einmal?«

Peter schüttelte heftig den Kopf: »Ich werde in Zukunft einen weiten Bogen um die Harley Street machen. Das klingt zwar höchst undankbar, aber...«

Der Arzt winkte ab. »Absolut verständlich«, erklärte er kurz. Dann ging er plötzlich auf ein anderes Thema über: »Wann wird denn die Feier stattfinden?«

Er sah, wie sich das Gesicht seines Patienten verdüsterte – eine merkwürdige Reaktion bei einem sehr reichen und sehr gut aussehenden jungen Mann, der im Begriff stand, das schönste Mädchen zu heiraten, das Dr. Wells jemals gesehen hatte.

»Um – um zwölf Uhr dreißig. Sie werden doch kommen? Der Empfang findet im Ritz statt, und dann fahren wir nach Longford Manor hinaus. Ich glaubte, daß Jane eine Reise aufs Festland vorziehen würde, aber sie will unbedingt nach Longford.«

Eine Zeitlang herrschte Schweigen. Wells beobachtete aufmerksam das Gesicht seines Patienten, dann fragte er plötzlich: »Weshalb dieses Stirnrunzeln?«

Peter zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Mir ist nicht wohl bei alledem... Es war eine so ungewöhnliche Brautwerbung... Und Jane ist manchmal so eigenartig... Kalt wäre nicht das richtige Wort, gleichgültig auch nicht – vielleicht eher unnahbar. Ich weiß dann nie, was in ihr vorgeht; sie wird mir so fremd, und das erschreckt mich. Alles hat so seltsam angefangen...«

Donald Wells Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.

»Damit, daß ich Sie ihr vorstellte«, meinte er.

»Das war die beste Tat, die Sie je vollbrachten. Ich liebe Jane! Aber ich weiß, daß es bei ihr anders ist. Alles kam so überstürzt. Ich bin ja ganz ungebeten in ihr ruhiges Heim hineingeplatzt und habe sie förmlich in eine Verlobung gedrängt, bevor sie noch Zeit hatte, mich besser kennenzulernen... Das war sicher keine Brautwerbung, wie sie ein junges Mädchen erhofft...«

Er biß die Zähne zusammen, und auf seinem Antlitz zeigte sich wieder der gequälte, müde Ausdruck. »Ich habe sie einfach gekauft, Donald!« endete er nach einer kleinen Pause ruhig.

Der Arzt lachte kurz auf. »Sie lassen Ihrer Phantasie zu sehr die Zügel schießen, mein junger Freund! Wie hätten Sie denn das Mädchen kaufen können? Das ist doch wirklich Unsinn!«

Aber Clifton schüttelte traurig den Kopf.

»Natürlich habe ich nicht zu ihrem Vater gesagt, daß ich bereit wäre, hunderttausend Pfund für seine Tochter zu zahlen. Dann hätte er mich vermutlich hinausgeworfen. Aber ich fürchte, daß nur das Versprechen, ihr diese Summe zu überschreiben, Leith zu seiner Einwilligung veranlaßt hat. Dabei hatte ich Jane erst zweimal gesehen! Können Sie sich vorstellen, daß ich sie noch nie geküßt habe?«

»Dann würde ich damit aber noch heute beginnen«, meinte Dr. Wells trocken. »Ein Mädchen, das übermorgen einen jungen Mann heiratet, erwartet von ihm doch einige Zärtlichkeit.«

Peter fuhr sich durch das Haar. »Ich weiß – und es bedrückt mich sehr. Aber ich hatte einfach Angst... Angst, daß sie etwas über mich gehört hat. Sie wissen, was ich meine... Und hinzu kommt noch, daß ich nicht sicher bin, ob ich mit meinem Antrag vielleicht irgendwelche ihrer Zukunftspläne durchkreuzt habe. Vielleicht ist die Freundschaft mit Hale für sie doch etwas mehr gewesen als nur Freundschaft!«

»Aber niemand hat Jane zu ihrem Jawort gezwungen«, widersprach der Arzt.

Ein leises Klopfen ließ sich vernehmen.

»Das ist meine Frau«, meinte Wells. »Kann sie hereinkommen, oder wollen Sie noch ungestört mit mir sprechen?«

»Ich habe schon genug gesagt«, antwortete Peter niedergeschlagen.

Er ging der schlanken jungen Frau entgegen, die hereinkam. Marjorie Wells war fünfunddreißig Jahre alt, sah aber um zehn Jahre jünger aus und hatte noch dunkleres Haar als ihr Gatte.

»Man sagte mir, daß Sie hier seien«, begrüßte sie ihn mit einem Lächeln, das ihre blitzenden Zähne sehen ließ. »Es lebe der Bräutigam! Die Braut habe ich heute auch schon gesehen: strahlend, wie eine Braut aussehen soll – nur war sie leider in Gesellschaft eines anderen Mannes!«

Falls sie den strafenden Seitenblick ihres Mannes wahrgenommen hatte, so ließ sie es sich nicht anmerken. Marjorie war dafür bekannt, daß sie jeden ihrer Aussprüche mit etwas Bosheit würzte. Diesmal war die Dosis allerdings ziemlich stark.

Wells ging auf ihre Stichelei ein »Wer wird das schon gewesen sein? Wahrscheinlich doch der verrückte Basil Hale?«

»Natürlich war es Basil... Der gute, alte Basil! Ich kann mir vorstellen, daß er sich recht elend fühlt. Aber ich bin eine boshafte Klatschbase, nicht wahr?«

Peter nahm seinen Hut und lächelte grimmig: »Jawohl, das sind Sie wahrhaftig! – Wie ist es, Wells, wollen Sie morgen abend mit mir speisen?«

Der Arzt nickte.

»Sehr gern, aber es muß ein Junggesellenabend ohne Damen sein.«

Er begleitete ihn zur Haustür und wartete, bis Peter Cliftons Rolls Royce um die Ecke der Wigmore Street verschwunden war. Dann kehrte er ins Sprechzimmer zurück.

»Was fehlt Peter eigentlich?« fragte seine Frau leichthin, als ob ihr erst jetzt seine häufigen Besuche aufgefallen seien. »Er sieht doch ganz gesund aus.«

»Du solltest doch wissen, daß ich über die Krankheiten meiner Patienten niemals spreche, nicht einmal im Schlaf«, fuhr er sie an. »Mach dir also auch über Peter keine Gedanken, verstehst du mich? – Ja, was gibt's?«

Ein Hausmädchen stand in der Tür und überreichte ihm auf silbernem Tablett einen kleinen, versiegelten Brief. Wells riß den Umschlag auf, zog eine Visitenkarte heraus und überflog die wenigen Worte, die darauf gekritzelt waren.

»Gut, lassen Sie Mr. Rouper eintreten.« Dann wandte er sich an seine Frau: »Laß uns bitte allein. Ich werde später noch mit dir über Peter – und etwas anderes – sprechen.«

Gleich darauf stand ein hochgewachsener, breitschultriger Mann im Zimmer. Sein Haar war grau, aber seine Haltung war aufrecht wie die eines Soldaten. Dr. Wells schloß die Tür und bat seinen Besucher, Platz zu nehmen.

Mr. Rouper, Inspektor bei Scotland Yard, legte bedächtig seinen Hut auf den Tisch, zog umständlich seine Lederhandschuhe aus und nahm eine dicke Brieftasche aus der Innenseite seines Rockes. Erst dann ließ er sich nieder.

»Es tut mir leid, daß ich Sie stören muß«, begann er. »Ich weiß, Sie haben viel zu tun, aber ich muß Sie unbedingt sprechen.«

Der Arzt blickte ihn erstaunt an.

»Hier ist sie ja«, fuhr der Inspektor fort und fischte aus seiner Brieftasche einen zusammengefalteten Geldschein. »Das ist eine Fünfzigpfundnote, die auf der Rückseite den Abdruck Ihres Stempels trägt.« Er setzte seinen Kneifer auf und las: »Dr. Donald Wells, Mitglied der Königlichen Ärztegesellschaft, Harley Street 903. Das sind Sie doch, nicht wahr?«

Der Arzt nahm die Banknote in die Hand und betrachtete genau den verblaßten Abdruck eines violetten Stempels.

»Ganz recht«, antwortete er, »das ist mein Stempel. Ich verwende ihn zu den verschiedensten Zwecken, aber ich kann mich nicht...