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Prekarität, Abstieg, Ausgrenzung - Die soziale Frage am Beginn des 21. Jahrhunderts

Robert Castel, Klaus Dörre

 

Verlag Campus Verlag, 2009

ISBN 9783593405230 , 424 Seiten

Format PDF, OL

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Die Wiederkehr der sozialen Unsicherheit Robert Castel Die Wiederkehr der sozialen Unsicherheit ist ein Hauptmerkmal gesellschaftlicher Entwicklung, an dem seit rund dreißig Jahren die Länder Westeuropas kranken, Deutschland ebenso wie Frankreich. Von einer 'Wiederkehr' zu sprechen bedeutet, im Vergleich zu einem vorhergehenden Zustand eine Verschlechterung zu diagnostizieren. Bis Mitte der 1970er Jahre profitierten die Lohnabhängigen der genannten Länder tatsächlich von dem, was ich an anderer Stelle als 'den sozialen Kompromiss des Industriekapitalismus' bezeichnet habe, von einem Kompromiss also, der sich in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg herausgebildet hatte. Er gewährleistete einen gewissen Ausgleich zwischen Marktinteressen einesteils, das heißt den Erwartungen der Unternehmen in Hinblick auf Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit, und den Interessen der Welt der Arbeitenden anderenteils, was den Schutz und die Absicherung der großen Mehrheit der Arbeitnehmer anbelangt. Durchgesetzt wurde, mit anderen Worten, eine allgemeine soziale Absicherung, das so genannte soziale Netz, das die Mehrheit der Bevölkerung in den genannten Ländern vor den wichtigsten gesellschaftlichen Risiken schützte. Das ist der Zusammenhang, vor dessen Hintergrund nun die Wiederkehr der sozialen Unsicherheit zu beurteilen ist. Nachfolgend sollen in aller Kürze die wesentlichen Elemente des genannten Zusammenhangs in Erinnerung gerufen werden, um dann zu fragen, was in den vergangenen dreißig Jahren passiert ist. Welche neue Dynamik hat uns da erfasst, die sich als eine der Verunsicherung, der Prekarisierung zeigt, die früher vorhandene Strukturen in ihr Gegenteil verkehrt und bewirkt, dass Menschen heute in wachsender Zahl von neuem auf sich selbst gestellt sind, dazu verdammt, 'von der Hand in den Mund zu leben', wie es ehedem hieß, und einer ungewissen Zukunft entgegenzusehen? Was den Gang des erwähnten Transformationsprozesses in seinen allgemeinen Zügen angeht, besteht in der sozialwissenschaftlichen Debatte relative Einigkeit. Prekarisierungsprozesse durchziehen unsere Gesellschaften auf breiter Front und destabilisieren die sozialen Sicherungssysteme, die sich im Verlauf der Entwicklung des industriellen Kapitalismus herausgebildet hatten. Schwieriger hingegen sind die Folgen dieser Transformationen für die Sozialstruktur abzuschätzen. Welche Individuen und Gruppen sind besonders betroffen? Bilden sie eine neue gesellschaftliche Klasse, und wenn ja, welche Stellung kommt einer solchen Klasse in der Gesellschaft insgesamt zu? Lässt sich von einem neuen Proletariat oder Subproletariat sprechen, das sich aus den Opfern der augenblicklichen Veränderungen zusammensetzen würde? Das scheint zumindest teilweise der tiefere Sinn der bedeutsamen Debatte zu sein, die in Deutschland um den Ausdruck 'neue Unterschicht' stattfand und noch immer stattfindet. Ich bin unglücklicherweise nicht ausreichend vertraut mit den deutschen Verhältnissen, um in dieser Kontroverse direkt Stellung beziehen zu können. Ich kann allerdings versuchen, etwas über die Art und Weise zu sagen, in der die Frage in Frankreich formuliert wird, wo die Terminologie ein wenig anders ist oder anders eingesetzt wird. Man spricht dort vom Ausschluss, von der Prekarität und der Pauperisierung der Arbeitenden, doch sind das Ausdrücke, die auf die gleichen Probleme zielen - und dabei die gleichen Schwierigkeiten mit sich bringen. Denn darum ist es mir vor allem zu tun: die Komplexität der Fragestellung hervorzuheben, ohne zu behaupten, fertige Antworten zu haben. Tatsächlich scheint es mir gegenwärtig das Beste, die Bedeutung der Probleme hervorzuheben, die durch die Verschlechterung der sozialen Lage in Frankreich und in Deutschland aufgeworfen werden und die Herausforderungen für die Gesellschaft zu klären. Im günstigsten Fall wird es darum gehen, einer meiner Meinung nach weiterhin offenen Debatte über die Auswirkungen der anhaltenden sozioökonomischen Veränderungen ein paar Aspekte hinzuzufügen.