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Geächtet - Kriminalthriller

Rick Mofina

 

Verlag MIRA Taschenbuch, 2011

ISBN 9783862780464 , 528 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz DRM

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6,99 EUR

  • Der Mentor - Rolle, Erwartungen, Realität - Standortbestimmung des Mentoring aus Sicht der Mentoren
    Zukunftsfähig im demografischen Wandel - Herausforderungen für die Pflegewirtschaft
    Hypertension and Cardiovascular Aspects of Dialysis Treatment - Clinical management of volume control
    Anti-Gewalt-Training Magdeburg - Ein sozialtherapeutisches Gruppenprogramm der Gewaltprävention
    Der Luftikurs für Kinder mit Asthma - Ein fröhliches Lern- und Lesebuch für Kinder und ihre Eltern
    Die (Un)sterblichkeit der Menscheit: dem Geheimnis auf der Spur
    Traumjob Wissenschaft? - Karrierewege in Hochschule und Forschung
    Qualifikationsreserven durch Quereinstieg nutzen - Studium ohne Abitur, Berufsabschluss ohne Ausbildung
  • Qualifikation + Leiharbeit = Klebeeffekt? - Die (Wieder-)Eingliederung benachteiligter Jugendlicher in den Arbeitsmarkt
    Kooperative Bildungsverantwortung - Sozialethische und pädagogische Perspektiven auf 'Educational Governance'
    Abschlussorientierte Nachqualifizierung - Praxiserfahrungen der regionalen und betrieblichen Umsetzung
    Determinanten der Angst vor und nach Herzoperation

     

     

     

     

     

 

 

2. KAPITEL


Rio de Janeiro, Brasilien

Einen Tag später griff Gabriela Rosa, Reporterin bei der World Press Alliance im Korrespondentenbüro in Rio, zum Telefon, um einen Anruf entgegenzunehmen.

Alo, Gabriela Rosa, WPA.“

„Eu tenho que falar a …“ Die Stimme der Frau ging im Straßenlärm unter. Vermutlich rief sie aus einer Telefonzelle an.

„Bitte sprechen Sie lauter.“

„Ich muss unbedingt mit einem Reporter von Ihrer Nachrichtenagentur reden. Es geht um eine ganz große Story.“

„Ich bin selbst Reporterin“, erwiderte Rosa. „Um was handelt es sich denn?“

„Nicht am Telefon. Wir müssen uns treffen.“

„Dann geben Sie mir bitte Ihren Namen.“

„Das geht nicht.“

„Können Sie vielleicht in unser Büro kommen?“

„Nein. Ich möchte Sie irgendwo draußen treffen. Ich habe Dokumente. Die müssen so bald wie möglich an die Öffentlichkeit gelangen.“

Die Stimme der Frau klang verängstigt und verzweifelt – so, als habe sie ihren ganzen Mut zusammennehmen müssen, um diesen Telefonanruf zu tätigen. Rosa musste eine schnelle Entscheidung treffen. Ihren Bericht über zunehmende Gewaltdelikte in der Metro von Rio hatte sie fast beendet. Danach wollte sie eigentlich noch mit einem Polizisten sprechen, aber diesen Termin konnte sie auch verschieben.

Ein guter Reporter würde wohl niemals leichtfertig einen Informanten ignorieren.

Rosa beschloss, sich mit der Anruferin zu treffen. Aber sie musste vorsichtig sein.

„Na gut“, sagte Rosa schließlich. „Unser Büro ist mitten in der Stadt auf der Rua do Riachuelo in der Nähe der Redaktion des O Dia. Kennen Sie die Gegend?“

„Ja.“

„Fünf Blocks westlich von uns auf der Rua do Riachuelo ist das Café Amaldo. Dort treffen wir uns um Punkt vierzehn Uhr. Ich heiße Gabriela Rosa, habe braune Haare, trage eine Sonnenbrille, eine rosafarbene Bluse und eine weiße Hose. Ich werde das Jornal do Brasil lesen und lege meine weiße Handtasche auf den Tisch. Ich werde allein sein. Kommen Sie auch allein?“

„Ja.“

„Sagen Sie mir Ihren Namen.“

„Keinen Namen. Ich werde Sie schon erkennen.“

„Gut. Dann also bis zwei Uhr. Ich gebe Ihnen meine Handynummer, falls Ihnen etwas dazwischenkommt. Wollen Sie mir auch Ihre Nummer geben?“

„Nein. Ich bin um zwei Uhr dort.“

„Können Sie mir denn in etwa sagen, worum es bei dieser Geschichte geht?“

„Das erzähle ich Ihnen, wenn wir uns treffen.“

Nachdem Rosa ihren Artikel beendet hatte, ließ sie ihren Blick durch das leere Büro schweifen. Der Büroleiter hielt sich außerhalb der Stadt auf. Der freie Mitarbeiter, der nur stundenweise arbeitete, war mit dem Fotografen auf einem Termin. Die Redaktionsassistentin hatte frei. Rosa war allein. Sie dachte über das Telefongespräch nach – und über die Regeln von WPA, die einzuhalten waren, wenn man sich mit unbekannten Informanten traf: „Sag den Kollegen, wo du hingehst und wen du triffst. Geh niemals allein.“

Rio war eine der schönsten Städte der Welt. Aber auch eine der gefährlichsten. Gewalttaten, Drogenhandel und Bandenkriege – diese Verbrechen waren in den Favelas, den übervölkerten Elendsvierteln über den Hügeln der Stadt, an der Tagesordnung.

Wie alle Reporter in Rio war sich auch Rosa dieser Risiken bewusst. Journalisten, die angekündigt hatten, die Netzwerke und Machenschaften der Verbrecher zu enthüllen, waren von ihnen entführt und getötet worden. Sie würde auf keinen Fall allein zu dem Treffen mit ihrer Informantin gehen. Sie griff zum Handy und wählte eine Nummer.

Alo, Verde“, meldete sich ein Mann.

„Marcelo, hier ist Gabriela. Kommst du bald zurück? Ich brauche dich für einen Job.“

„Ich verlasse Santa Teresa in diesem Augenblick. In New York werden sie über die Fotos jubeln, die ich geschossen habe. Aber ich muss erst mal etwas essen.“

„Vergiss es. Wir treffen uns auf der Straße vor dem Café Amaldo. Ich gebe dir ein Essen aus.“

„Einverstanden. Worum geht’s denn?“

„Ich treffe mich mit einer Informantin. Ich brauche dich als Rückendeckung. Sei um halb zwei dort. Komm nicht zu spät. Ruf mich an, falls etwas dazwischenkommt.“

Ehe Rosa das Büro verließ, versuchte sie, ihren Ehemann John Esper zu erreichen, der auch der Büroleiter war. Vermutlich befand er sich gerade auf dem Rückflug von São Paulo, wo er die Kollegen bei der Berichterstattung über den bevorstehenden Besuch des amerikanischen Vize-Präsidenten unterstützt hatte. Rosa hinterließ eine Nachricht auf Johns Mailbox, in der sie ihm mitteilte, dass sie sich mit einer unbekannten Frau im Café Amaldo traf und von Marcelo begleitet wurde.

Auf dem Weg zum vereinbarten Treffpunkt genoss Rosa das geschäftige Treiben im Zentrum von Rio, mit seinen prächtigen Kolonialbauten, die zwischen Hochhäusern, Ladenlokalen und Bürotürmen eingezwängt standen. An manchen Tagen war die zunehmende Aufregung in der Stadt, deren Einwohner sich auf die Fußballweltmeisterschaft und die Sommerolympiade freuten, geradezu mit Händen greifbar. Als sie nun auf das Lokal zusteuerte, dachte sie jedoch nur über den Anruf nach, den sie bekommen hatte.

Natürlich konnte etwas wirklich Wichtiges dahinterstecken. Oft genug handelte es sich allerdings nur um heiße Luft. Manchmal steckte nur der Racheakt eines Unzufriedenen, Enttäuschten oder Betrogenen, der einem verhassten Gegner die Presse auf den Hals hetzen wollte, dahinter. Selbst wenn das dieses Mal auch der Fall sein sollte, wäre die Zeit nicht vollkommen verschwendet: Wenigstens würde sie im Café Amaldo zu Mittag essen können und John etwas zu berichten haben.

Marcelo wartete bereits in der Nähe des Restaurants auf sie. Bevor er sich als einer der besten Zeitungsfotografen Brasiliens einen Namen gemacht hatte, lebte er in den Tag hinein, verbrachte die meiste Zeit am Strand und posierte gelegentlich als Bodybuilder.

„Ich treffe mich hier in einer halben Stunde mit der besagten Frau“, erklärte Rosa. „Du weißt ja, was du zu tun hast. Am besten setzt du dich da drüben hin.“ Sie deutete mit dem Kopf zu einer Kneipe auf der anderen Seite der belebten Straße.

„Gut.“ Er wedelte mit der Hand. „Aber du hast mir ein Mittagessen versprochen.“

Schmunzelnd drückte Rosa ihm ein paar Geldscheine in die Hand.

„Aber ich will eine Quittung und das Wechselgeld, Freundchen.“

Marcelo zwinkerte Rosa zu und verschwand. Sie setzte sich an einen Tisch an der Straße, wo Marcelo sie gut im Auge behalten konnte, legte ihre Tasche darauf, setzte die Sonnenbrille auf und las ihre Zeitung.

Zwanzig Minuten später hielt ein Taxi in der Nähe des Lokals, was ein wütendes Hupkonzert der nachfolgenden Autofahrer auslöste. Während die Frau den Fahrer bezahlte, fuhr ein Motorrad, auf dem zwei Männer saßen, mit lautem Geknatter am Taxi vorbei. Nachdem die Frau die belegten Tische in Augenschein genommen hatte, steuerte sie zielstrebig auf Rosa zu und blieb vor ihr stehen.

„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte Rosa.

„Gabriela?“

„Ja.“

„Ich habe Sie angerufen.“

Sie hielt den Henkel ihrer Handtasche fest umklammert und rieb sich nervös mit dem Daumen über die Fingerknöchel, während sie misstrauisch in das geschäftige Restaurant spähte. Rosa legte ihre Zeitung beiseite.

„Setzen Sie sich doch.“

Marcelo richtete sein Objektiv auf die beiden Frauen. Gerade als er schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite seinen ersten Schuss vorbereitete, fuhr ein großer Lastwagen vor und versperrte ihm die Sicht. Marcelo stieß einen Fluch aus, ließ das Geld für seinen Drink auf dem Tisch liegen, griff nach seiner Tasche und schlenderte auf das Café Amaldo zu. Dabei kam er an der Einmündung einer düsteren Gasse vorbei.

Er bemerkte das Motorrad nicht, das kurz zuvor das Taxi überholt hatte und nun so weit zurück in der Gasse stand, dass man es von der Straße aus nicht sehen konnte. Zwei Männer standen neben der Maschine und ließen das Lokal nicht aus den Augen. Der Fahrer sprach leise in sein Handy. Der Sozius, der wie ein Bankangestellter gekleidet war, überprüfte seine Frisur im Rückspiegel. Er setzte eine dunkle Sonnenbrille auf, ehe er eine braune Lederaktentasche von dem Gepäckträger des Motorrades löste.

Im Lokal fand Marcelo einen Tisch unmittelbar neben dem großen geöffneten Fenster, von dem aus er den Vorplatz des Restaurants überblicken konnte. Er mochte das Amaldo und hatte es schon oft zusammen mit anderen Reportern für ähnlich konspirative Zwecke genutzt. Es bot einen eigenen WLAN-Hotspot an, sodass er die Fotos von der Speicherkarte seiner Kamera sofort in die Redaktion senden konnte.

Marcelo bestellte ein Sodawasser und ein Sandwich und arbeitete so unauffällig, dass es für Unbeteiligte so aussah, als säubere er nur die Linse, während er in Wirklichkeit seine Fotos schoss.

Rosa klopfte mit dem Kugelschreiber auf ihr Notizbuch und wartete darauf, dass die Frau mit ihrer Geschichte begann. Sie war etwa zwanzig, recht hübsch und hatte eine gute Figur. Sie wirkte gebildet und selbstsicher, aber ihre Hand zitterte, als sie die Sahne in ihren Kaffee goss und dabei ein paar Tropfen neben der Tasse landeten.

„Entschuldigen Sie bitte, ich bin ein wenig nervös.“

„Weswegen?“

„Sie könnten mich beobachten.“

„Wer sind ‘sie’?“

„Lassen Sie mir einen Moment Zeit. Ich werde Ihnen alles...