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Im Zeichen des Einhorns - Die Chroniken von Amber 3

Roger Zelazny

 

Verlag Klett-Cotta, 2017

ISBN 9783608109832 , 271 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

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2.


Obwohl Sex das liebste Hobby vieler Menschen ist, gibt es viele andere Dinge, mit denen man sich zwischendurch gern beschäftigt, Corwin. Bei mir sind es das Schlagzeug, die Fliegerei und das Spielen, wobei die Reihenfolge nicht weiter wichtig ist. Na ja, vielleicht steht das Fliegen – in Gleitern, Ballonen und gewissen anderen Maschinen – ein wenig über den anderen Tätigkeiten, doch auch hierbei spielt die jeweilige Stimmung eine große Rolle, wie du weißt. Ich meine, fragtest du mich ein andermal, würde ich vielleicht eins der beiden anderen Steckenpferde obenan stellen. Es hängt immer davon ab, was man sich im Augenblick am meisten wünscht.

Jedenfalls war ich vor einigen Jahren hier in Amber. Ich tat nichts Besonderes, sondern war einfach zu Besuch und ging den Leuten auf die Nerven. Zu der Zeit war Vater noch in der Stadt, und als ich eines Tages bemerkte, dass er sich mal wieder in eine seiner miesen Stimmungen hineinsteigerte, beschloss ich, dass ein Spaziergang angebracht sei. Ein langer Spaziergang. Ich hatte schon oft bemerkt, dass seine Zuneigung mir gegenüber im umgekehrten Verhältnis zu meiner Nähe stand. Zum Abschied schenkte er mir eine hübsche Reitgerte – vermutlich um den Prozess der Zuneigung zu beschleunigen. Es war eine wirklich schöne Gerte – versilbert und herrlich gestaltet –, und ich gebrauchte sie oft. Ich hatte beschlossen, mir einen kleinen Winkel in den Schatten zu suchen, wo ich ungestört meinen schlichten Freuden nachgehen konnte.

Es war ein langer Ritt – ich werde dich nicht mit Einzelheiten langweilen –, der mich ziemlich weit von Amber fortführte. Diesmal suchte ich nicht nach einem Ort, wo ich eine besondere Stellung besaß. Das wird entweder bald langweilig oder problematisch, je nachdem, wie wichtig man sein möchte. Ich jedoch wollte gerade ein verantwortungsloser Niemand sein und einfach Spaß am Leben haben.

Texorami ist eine Hafenstadt mit langen schwülen Nächten, viel guter Musik, Glücksspiel rund um die Uhr, mit Duellen zu jedem Sonnenanfang und Schlägereien zwischendurch für alle, die nicht warten können. Und die Aufwinde dort sind einfach großartig. Ich besaß ein kleines rotes Segelflugzeug, mit dem ich alle paar Tage in den Himmel aufstieg. Ein herrliches Leben. Ich spielte Schlagzeug in einem Kellerlokal am Fluss, wo die Wände fast ebenso schwitzten wie die Gäste und der Qualm als milchige Streifen um die Lampen strich. Wenn ich nicht mehr spielen wollte, suchte ich mir andere Unterhaltung, meist im Bett oder am Kartentisch. Und damit war dann der Rest der Nacht gelaufen. Verdammter Eric! Ich erinnere mich gerade … Er hat mich einmal beschuldigt, falsch zu spielen, wusstest du das? Dabei ist das ungefähr die einzige Sache, bei der ich ehrlich bin. Ich nehme das Kartenspiel ernst. Ich bin ein guter Spieler und ich habe Glück. Beides traf auf Eric nicht zu. Sein Problem war, dass er zu viele Dinge beherrschte, er wollte nicht einmal vor sich selbst eingestehen, dass es etwas gab, von dem andere mehr verstanden. Wenn man ihn immer wieder besiegte, musste man eben betrügen. Eines Abends fing er deshalb eine laute Auseinandersetzung mit mir an, die ernst hätte werden können, wenn Gérard und Caine nicht dazwischengetreten wären. Das muss ich Caine zugestehen – an jenem Abend hat er für mich Partei ergriffen. Armer Kerl … Ein hässlicher Tod. Seine Kehle … Na ja, jedenfalls hielt ich mich in Texorami auf, gab mich mit Musik und Frauen ab, spielte Karten und sauste am Himmel herum. Palmenbäume und des Nachts erblühende Stiefmütterchen. Herrliche Hafengerüche – Gewürze, Kaffee, Teer, Salz … du weißt schon. Adlige, Kaufleute und Bauern – dieselben Figuren wie an den meisten anderen Orten. Ein Kommen und Gehen von Seeleuten und Reisenden verschiedener Herkunft. Burschen wie ich, die am Rande der Szene lebten. Ich verbrachte zwei Jahre in Texorami, glücklich. Wirklich. Kaum Kontakt mit den anderen. Ab und zu ein grußkartenähnliches Hallo durch die Trümpfe, aber das war so ziemlich alles. In dieser Zeit musste ich kaum an Amber denken. Alles änderte sich eines Abends. Ich saß gerade mit einem Full House auf der Hand da, und der Bursche auf der anderen Seite des Tisches versuchte sich darüber klar zu werden, ob ich bluffte oder nicht.

Da begann der Karo-Bube plötzlich zu mir zu sprechen.

Ja, so hat es begonnen. Ich war ohnehin in einer ziemlich verrückten Stimmung. Ich hatte gerade ein paar gute Spiele gehabt und war noch irgendwie berauscht. Außerdem war ich erschöpft von einem langen Flug während des Tages und hatte in der Nacht davor nicht besonders viel geschlafen. Ich habe später überlegt, dass es wohl unser besonderer Umgang mit den Trümpfen gewesen sein muss, der mich aufmerken ließ, sobald mich jemand zu erreichen versuchte, während ich Spielkarten in der Hand hielt – irgendwelche Spielkarten. Normalerweise empfangen wir solche Nachricht ohne etwas in den Händen, es sei denn, der Anruf geht von uns aus. Vielleicht lag es an meinem Unterbewusstsein, das damals irgendwie erschöpft war und sich in diesem Augenblick wohl rein gewohnheitsmäßig der vorhandenen Requisiten bediente. Später habe ich mir das alles noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Ich weiß es letztlich nicht.

Der Bube sagte: »Random.« Dann verschwamm sein Gesicht, und er sagte: »Hilf mir!« Ich begann zu spüren, welche Persönlichkeit dahinterstecken könnte, doch nur vage. Der ganze Impuls war sehr schwach. Schließlich formte sich das Gesicht von neuem, und ich erkannte, dass ich recht gehabt hatte. Es war Brand. Er sah übel aus und schien irgendwo festgebunden oder angekettet zu sein. »Hilf mir!«, sagte er noch einmal.

»Ich bin hier«, sagte ich. »Was ist los?«

»… Gefangener …«, sagte er, und dann noch etwas, das ich nicht verstehen konnte.

»Wo?«, wollte ich wissen.

Daraufhin schüttelte er den Kopf.

»Kann dich nicht holen«, sagte er. »Ich habe keine Trümpfe und bin zu schwach. Du musst auf dem langen Wege kommen …«

Ich fragte ihn nicht, wie er die Verbindung ohne meinen Trumpf hergestellt hatte. Es schien mir wichtiger, seinen Aufenthaltsort zu erfahren. Ich fragte ihn, wie ich ihn ausfindig machen könnte.

»Schau genau her«, sagte er. »Erinnere dich an jede Einzelheit. Vielleicht kann ich dir das Bild nur einmal durchgeben. Und bring Waffen mit …«

Dann sah ich die Landschaft – über seine Schulter, eingerahmt von einem Fenster, über einer Befestigung – ich weiß es nicht genau. Es war ein Ort, weit von Amber entfernt, wo die Schatten verrückt zu spielen beginnen. Weiter entfernt, als mir lieb ist. Eine öde Welt, mit unruhig wechselnden Farben. Flammenzuckend. Ein sonnenloser Tag. Felsen, die wie Segelschiffe über das Land glitten. Brand in einer Art Turm – ein winziger Punkt der Stabilität in einer fließenden Szene. Ich erinnerte mich hinterher ganz deutlich daran. Und ich erinnerte mich an das Geschöpf, das sich um den Fuß des Turms geringelt hatte. Ein prismatisch schimmerndes Gebilde. Offenbar eine Art Wachwesen – zu hell, um die Umrisse zu erkennen, die wahre Größe zu erraten. Dann löste sich alles auf. Und ich saß da und starrte auf den Karo-Buben, und die Burschen auf der anderen Seite des Tisches wussten nicht, ob sie sich über mein langes Schweigen aufregen oder sich Sorgen machen sollten, dass ich irgendeinen Anfall erlitten hatte.

Ich beendete mein Spiel und ging nach Hause. Dort lag ich ausgestreckt auf meinem Bett, rauchte eine Zigarette und überlegte. Als ich Amber verlassen hatte, war Brand noch dort gewesen. Als ich mich jedoch später nach ihm erkundigte, wusste niemand so recht, wo er steckte. Er hatte eine seiner melancholischen Phasen gehabt, hatte sich eines Tages daraus gelöst und war fortgeritten. Und das war alles. Keine Nachrichten – gute oder schlechte. Er reagierte nicht, er sprach nicht.

Ich versuchte, das Problem von allen Seiten zu beleuchten. Brand war schlau, verdammt schlau. Vermutlich der Intelligenteste in der Familie. Er steckte in der Klemme und hatte mich gerufen. Eric und Gérard waren kämpferischer veranlagt als ich und hätten sich wahrscheinlich über das Abenteuer gefreut. Caine wäre vermutlich aus Neugier losgezogen, Julian, um sich über uns andere zu erheben und bei Vater Pluspunkte zu sammeln. Brand hätte sich auch – und das wäre das einfachste gewesen – direkt an Vater wenden können. Vater hätte dann schon die nötigen Schritte unternommen. Doch er hatte sich mit mir in Verbindung gesetzt. Warum?

Mir kam der Gedanke, dass vielleicht einer oder mehrere Brüder für seine Lage verantwortlich waren. Wenn Vater ihn beispielsweise offen begünstigt hatte … Nun ja. Du weißt, wie so etwas geht. Eliminiere...