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Midnight Liaisons - Zur Unsterblichkeit geboren

Jessica Clare, Jessica Sims

 

Verlag beHEARTBEAT, 2018

ISBN 9783732545698 , 449 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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6,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

Derzeit können über den Shop maximal 500 Exemplare bestellt werden. Benötigen Sie mehr Exemplare, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.


 

Kapitel eins


Als Kind ließ mich mein Vater an Samstagabenden länger aufbleiben, um mit ihm einen Film im Fernsehen anzusehen. Er hatte einen unglaublich schlechten Filmgeschmack. Sein Favorit? Godzilla versus Mothra.

Ich erinnerte mich, dass ich wahnsinnige Angst vor den riesigen wilden Kreaturen hatte, die wütend brüllend und schreiend durch Tokio walzten.

Das dunkle Toben und die unmenschlichen Schreie hatten ein wenig so wie das geklungen, was in diesem Moment aus dem Konferenzraum von Midnight Liaisons zu hören war. Zwar schossen hier keine Laser aus glühenden Augen, aber das wütende Knurren reichte aus, um jeden Menschen vor Angst erzittern zu lassen.

Meine Chefin, Bathsheba Russell, saß auf der Kante meines Schreibtischs, rang die Hände und starrte in Richtung Eingangstür. Eine Situation, die es mir unmöglich machte zu arbeiten, also schob ich meinen Notizblock unter einen Stapel Papier und sah sie fragend an. »Kann ich dir mit irgendwas behilflich sein, Bath?«

Überrascht wandte sie sich halb zu mir um, bevor sie langsam den Kopf schüttelte. Im selben Moment ertönte eine weitere Salve von Knurr- und Brülllauten aus dem Nebenraum. Als sich spitze Schreie dazugesellten, zuckte Bathsheba zusammen. »Nein. Ich bin mir sicher, dass sie bald hier sein werden.«

Mist, das war frustrierend, und vor allem bedeutete es nichts Gutes für meine eigenen Pläne. Möglichst unauffällig warf ich meiner Kollegin Ryder einen Blick zu. Doch die riss nur die Augen auf und zuckte hilflos mit den Schultern, als wollte sie sagen: Was soll man machen?

Schon klar, dass es Ryder nicht sonderlich interessierte, ob unsere Chefin heute ein, zwei Stunden länger in der Agentur herumhing. Immerhin war es mein Abend, der hier auf dem Spiel stand, und nicht ihrer.

Und ich brauchte diesen Abend.

Um genau zu sein, brauchte ich jeden einzelnen Tag, der mir noch blieb. Wenn man wusste, dass man sterben würde, neigte man schon mal dazu, sich wegen verschwendeter Zeit ein wenig mehr aufzuregen als andere.

Die Eingangstür wurde aufgestoßen, und wie aus dem Nichts erstarb der Geräuschpegel im Konferenzraum. Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie sie alle ihre Gestaltwandlerohren spitzten, um herauszufinden, wer gerade die Agentur betreten hatte.

Ein schlaksiger, hoch aufgeschossener und ziemlich finster dreinblickender Kerl betrat das Büro mit einer ziemlich hübschen, aber ängstlich wirkenden Rothaarigen an der Hand. Die junge Frau starrte mich aus weit aufgerissenen Augen an, dann zuckte ihr Blick zu Bathsheba, als hätte sie Angst, meine Chefin könnte sich jeden Augenblick auf sie stürzen.

»Wir sind menschlich«, sagte Bath trocken. »Diejenigen, vor denen du Angst haben solltest, sind da drin.« Sie gestikulierte in Richtung des viel zu stillen Konferenzraums.

Der Mann straffte die Schultern und zog die Frau beschützend an sich. Sie schien vollkommen willenlos zu sein, ihr Gesicht war erschreckend bleich. Das arme Ding. Gemeinsam gingen sie auf den Konferenzraum zu.

»Die beiden sehen aus, als wären sie auf dem Weg zu ihrer eigenen Beerdigung«, flüsterte ich Bath zu.

»Vielleicht sind sie das ja auch«, wisperte sie zurück. »Vic will ihn umbringen.« Sie wurde rot, als der Typ sich zu ihr umdrehte.

Als sich die Türen zum Konferenzraum wie durch Geisterhand öffneten, schwiegen wir.

Die beiden traten ein, und die Tür schloss sich hinter ihnen.

Stille – bevor das Temperament der Gestaltwandler ein weiteres Mal mit ihnen durchgehen würde.

»Was fällt dir ein, einen Menschen zu verwandeln?«, erhob sich das wütende Brüllen des Tiger-Alphas Vic über die Stimmen der anderen. »Was, verdammt noch mal, hast du dir dabei gedacht?«

»Wir haben sonst niemand«, schrie der Mann zurück. »Es gibt keine Frauen in meinem Alter. Überhaupt keine Frauen. Ende der Geschichte!«

»Dann hättest du den Service dieser gottverdammten Agentur in Anspruch nehmen und dir ein Date vermitteln lassen sollen.«

»Ich denke, wir sollten jetzt erst mal alle ein wenig runterkommen«, war Beaus autoritäre Stimme zu hören. Der Anführer der Allianz, ein Werpuma und Bathshebas Ehemann, war normalerweise wahnsinnig cool und vermittelte den Eindruck, jede Situation unter Kontrolle zu haben, doch heute klang er alles andere als ruhig.

Als Vic ein weiteres markerschütterndes Brüllen ausstieß, begann die Frau zu schluchzen.

»Sie denkt noch immer wie ein Mensch, und sie benimmt sich auch so«, sagte Bath verärgert und rutschte von der Schreibtischkante. »Sie werden sie noch zu Tode ängstigen. Ich gehe da jetzt rein.«

Während Bath in Richtung Konferenzraum lief, nahm ich meine Brille ab und tat so, als würde ich die Gläser sauber reiben.

Ganz ruhig. Alles wird gut. Kein Problem.

Aber mein Herz begann, so heftig zu schlagen, dass ich Angst hatte, es könnte mir jeden Moment aus der Brust springen. Ein pochender Schmerz breitete sich hinter meinen Schläfen aus, während das Adrenalin durch meine Adern schoss. Doch ich ignorierte beides genau so, wie ich es mit jedem anderen physischen Symptom in der letzten Zeit tat.

Ryder deutete stumm auf ihren Bildschirm, um mir zu signalisieren, dass sie mir eine Nachricht via Instant-Messenger schicken würde.

Ich zog meinen Laptop zu mir heran, klappte ihn auf und starrte auf das Display.

Du lieber Himmel, hört sich so an, als würden die noch eine ganze Weile da drinbleiben.

Schnell tippte ich eine Antwort. Was genau ist eigentlich los? Hat der Typ die Frau echt verwandelt?

Yep. Als ich heute in die Agentur gekommen bin, haben sie gerade Sara hier rausgeschafft. Du weißt ja, wie B sie immer beschützen will. Genau wie Ramsey.

Sara war Bath’ zurückhaltende, zierliche jüngere Schwester. Sie arbeitete ebenfalls in der Agentur. Abends wurde sie meist von ihrem Partner Ramsey, einem Werbär, abgeholt. Wenn ich das richtig verstanden hatte, war Sara selbst ein Werwolf. Eine Tatsache, die jedem außer mir klar gewesen zu sein schien. Menschen waren in dieser Agentur immer die Letzten, die etwas mitbekamen. Aber da ich nun mal für eine Agentur arbeitete, deren Service exklusiv übernatürlichen Kunden zur Verfügung stand, machte es vermutlich Sinn, dass zumindest eine meiner Kolleginnen selbst dem paranormalen Lager angehörte.

Ich warf wieder einen Blick zu Ryder hinüber. Mehr als eine Kollegin. Sara hatte sich gerade erst geoutet, Ryder dagegen verbarg noch etwas.

Ich begann wieder zu tippen.

Weißt du, was genau passiert ist?

Na jaaaa … Nach allem, was ich mitbekommen habe, klingt es so, als hätte sich der gute Johnny verliebt, und Onkel Vic war nicht sonderlich begeistert davon. Also hat sich Johnny entschieden, seine Freundin zu verwandeln und erst hinterher um Erlaubnis dafür zu bitten. Wenn’s stimmt.

Das klang nicht gut. Ganz und gar nicht gut. Die Gesellschaft der Übernatürlichen blieb unter sich. Menschen durften nichts von ihnen wissen, zumindest nicht, solange man ihnen nicht zuerst erlaubt hatte, der Allianz beizutreten. Und jedes menschliche Wesen, dem bisher Zutritt zur Allianz gewährt worden war, befand sich in diesem Moment in den Agenturräumlichkeiten von Midnight Liaisons: ich, Ryder und Bathsheba.

Die Regeln verboten es Übernatürlichen, Menschen gegenüber ihre wahre Identität zu offenbaren. Wenn einer von ihnen also zuerst die eine Grenze überschritt und diesen Menschen dann auch noch verwandelte, war das schlimmer als schlimm. Und vor allem zog es jede Menge Probleme nach sich. Was, wenn sich ein solches Paar zu einem späteren Zeitpunkt wieder trennte? Was sollten die Eltern eines zuvor menschlichen Wesens mit ihrer Tochter anfangen, die sich plötzlich in einen Wertiger verwandelte? Wer sollte ihnen erklären, warum ihre süße kleine Lola plötzlich einen Kratzbaum brauchte und verrücktspielte, wenn die Katzenminze blühte?

Indem er seine wahre Natur offenbart hatte, hatte Johnny jedes Mitglied der Allianz in große Gefahr gebracht. Das Netzwerk baute auf einer dünnen Vertrauensbasis anderen Spezies gegenüber auf, und jetzt war dieses Vertrauen erschüttert.

Und das brachte auch meine eigenen Pläne durcheinander.

Als das Brüllen und Toben im Konferenzraum wieder zunahm, zog ich meinen Notizblock unter dem Stapel Papier hervor und betrachtete die Liste, an der ich gearbeitet hatte.

Potenzielle Übernatürliche

Wer-Irgendwas

Vampire

Ich runzelte die Stirn, unzufrieden mit der mageren Ausbeute. Hatte ich irgendeine Gruppe vergessen?

»Hey, Ryder?«

»Mhm?« Ryder riss sich vom Anblick der Tür des Konferenzraums los, hinter der es auf einmal wieder unheimlich still geworden war.

Nachdenklich tippte ich mit der Bleistiftspitze auf den Schreibtisch, während ich auf meine Liste starrte. »Welche Übernatürlichen, die jemand verwandeln können, fallen dir ein?«

»Jemand verwandeln?«

»Ja. Ver-wan-deln«, wiederholte ich und betonte dabei jede einzelne Silbe. Als sie mich noch immer misstrauisch beäugte, deutete ich in Richtung Konferenzraum, aus dem jetzt eine hitzige Diskussion zwischen zwei Männern zu hören war. Nur ab und zu unterbrochen von einer deutlich höheren Tonlage. Vermutlich Bathsheba, die versuchte, die Stimme der Vernunft in der ganzen Angelegenheit zu übernehmen.

Ryder schüttelte den Kopf. »Kein guter Zeitpunkt«,...