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Aufgespießt - Die Chronik des Eisernen Druiden 8

Kevin Hearne

 

Verlag Klett-Cotta, 2018

ISBN 9783608110197 , 400 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

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1


Im Tieflandmoor wurde es auf einmal merkwürdig still. Das eben noch so laute Lärmen der Insekten und das kehlige Krächzen der Lurche in den Stunden vor der Morgendämmerung hatte sich zu einem nervösen Keckern abgeschwächt, und das lag nicht an der Anwesenheit von mir oder Oberon. Wir waren hier nicht die Jäger. Ich kauerte mich neben meinen Hund ins hohe Gras und legte ihm die Hand in den Nacken.

Weil ich niemanden durch lautes Sprechen anlocken wollte, wandte ich mich über unsere mentale Verbindung an ihn. Ganz leise jetzt. Da schleicht uns jemand nach.

›Wer?‹

Ich schätze, das finden wir raus, sobald er sich auf uns stürzt.

›Sobald … Das ist doch hoffentlich nicht dein Plan, oder? Warten, bis er sich auf uns stürzt?‹

Natürlich möchte ich nicht als Beute enden, aber Wesen mit Zähnen und großem Appetit entscheiden nun mal selber über ihren Speiseplan.

›Ach komm, Atticus! Mach doch einfach deinen Druidentrick. Sprich mit dem Elementargeist, damit er den hungrigen Wesen sagt, sie sollen sich was anderes zum Essen suchen.‹

Das wäre gemogelt.

Den Kopf hin- und herschwenkend, hielt Oberon Ausschau nach irgendwelchen Gefahren, die sich womöglich durch das hüfthohe Schilfgras näherten. Es wuchs hier überall rings um unzählige kleine Tümpel mit stehendem Wasser. ›Ich hoffe, du bist jetzt nicht enttäuscht von meiner mangelnden Charakterstärke, aber wenn es darum geht, nicht gefressen zu werden, bin ich ganz fürs Mogeln.‹

Wir müssen unsere Sinne wieder in Form bringen, Oberon, und hier bietet uns die Natur die Gelegenheit zu einer Bewährungsprobe. Nichts ist so gut fürs Gehör wie ein Rollenwechsel vom Jäger zum Gejagten.

›Also, erstens sind meine Sinne völlig in Ordnung. Und warum muss das zweitens ausgerechnet hier sein? Können wir nicht so ein lustiges Rennen mit Fake-Zombies machen, die einfach bloß haufenweise Schminke im Gesicht haben und uns nicht das Gehirn rauslutschen wollen?‹

Den Grund hab ich dir schon genannt. Wir müssen hier jemanden besuchen.

Wir befanden uns im äußersten Westen von Äthiopien, in einer Wildnis, die inzwischen den Namen Gambela-Nationalpark trug. Das meiste davon waren Gras- und tief liegende Sumpflandschaften, aus denen nur gelegentlich – als eine Art Zugeständnis an die Notwendigkeit topografischer und ökologischer Vielfalt – baumbedeckte Erhöhungen ragten. In der Gegend grasten viele afrikanische Büffel- und Antilopenarten. Von ihnen nährten sich Löwen und andere Großkatzen, und die ansässigen Geier verwerteten die Reste.

›Ach ja, die Wahrsagerin. Da hätte ich übrigens noch eine Frage an dich. Was ist, wenn sie im Morgengrauen aufwacht und in ihren magischen Runen liest, dass sie uns heute wahrsagen soll, bloß dass wir gefressen werden, noch bevor wir hinkommen, und sich daraus ergibt, dass sie heute doch frei hat und ihren Runen auf einmal nur noch die Frage einfällt: Hey, wie läuft’s eigentlich für die Broncos?‹

Was? Oberon, das ist die bizarrste Hypothese aller Zeiten. Sie arbeitet nicht mal mit Runen.

›Na ja, du hast mich eben nervös gemacht. Außerdem hast du meine Frage nicht beantwortet.‹

Die Antwort ist, dass Weissagung nicht so funktioniert. Sie erzählt dir nicht, dass eine bestimmte Zukunft gestrichen wurde, und sie betreibt auch keinen Smalltalk. Wenn sie etwas zeigt, dann schlicht die wahrscheinlichste Zukunft, und da bleibt immer Spielraum für Deutungen. Und selbst wenn du es richtig deutest, können sich die Ereignisse durch neue Entwicklungen immer ändern. Weißt du noch, was Meister Yoda über die Zukunft sagt?

›Schwer zu sehen, in ständiger Bewegung die Zukunft ist.‹

Genau. Komm jetzt, wir müssen weiter. Aber halt die Augen offen und die Nase im Wind.

›Na gut, trotzdem bin ich der Meinung, du solltest mogeln. Ich möchte hier keinen Beitrag zum Kreislauf des Lebens leisten. Hey, wo wir gerade davon reden, ist das hier eigentlich der Teil von Afrika, wo Erdmännchen und Warzenschweine fröhliche Lieder über stressfreies Leben singen?‹

Vermutlich. Weißt du was? Wenn wir ihnen begegnen, darfst du mitsingen.

›Super!‹

So leise wie möglich schlichen wir durch das Moorgebiet; ab und zu produzierten meine Füße in dem zähen Schlamm matschige Geräusche, die ohne das übliche Summen der einheimischen Fauna auf einmal abnorm laut wirkten. Ich war dankbar, dass uns wenigstens der Schleier der Dunkelheit schützte.

Ich hatte für uns beide die Nachtsicht aktiviert, und wir lauschten wachsam auf alles, das unser eigenes Rascheln übertönen mochte. Irgendjemand da draußen war uns auf den Fersen.

Hey, Oberon. Ich wette um eine Wurst mit dir, dass es ein Gepard ist.

›Keine Chance! Als ich zum letzten Mal eine Wette um eine Wurst verloren habe, hast du sie vor meinen Augen verspeist und dabei verzückte Laute von dir gegeben. Von dieser entgangenen Wurst habe ich noch immer Albträume. Außerdem weißt du wahrscheinlich sowieso schon längst, wer da hinter uns her ist.‹

Nein. Ich schwöre, dass ich nicht schummle. Mit deiner feinen Nase wirst du es bestimmt vor mir erschnuppern.

›Bis jetzt wittere ich nur uns und muffiges Moor. Oder nein, warte! Atticus, ich rieche da was Totes …‹

Das war die einzige Vorwarnung, dann stürzte wie aus dem Nichts von links ein Vampir mit ausgestreckten Armen aus dem Gras und warf mich in den Morast. Im letzten Moment riss ich schützend den Unterarm hoch, damit er nicht an meinen Hals kam. Mehr an Gegenwehr war nicht möglich, weil meine Schwerthand unter mir eingeklemmt war. Schon bohrten sich Reißzähne in meinen Arm und lange, scharfe Nägel in meine Schultern.

›Atticus!‹

Bleib weg, Oberon! Der Vampir konnte ihn mühelos töten, und diese Möglichkeit wollte ich dem Blutsauger nicht geben, zumal es für mich ein Leichtes war, ihn zu erledigen. Da Vampire keine Lebewesen sind, lässt GAIA es zu, dass wir sie in ihre Bestandteile auflösen. Der Trick dabei war lediglich, dass man nicht den Löffel abgab, bevor man den Entbindungszauber gesprochen hatte. Ich selbst wäre auf diese Weise einmal fast umgekommen, nachdem mich ein alter, äußerst starker Vampir angefallen hatte. Seitdem hatte ich an einem neuen Anhänger für meine Halskette gearbeitet, der über einen mentalen Befehl eine Bindung ausführte. Dummerweise hatte ich ihn ohne Vampire zum Ausprobieren nicht vervollkommnen können.

Meine Mitstreiterin Granuaile hatte einmal gefragt, warum ich nicht einfach mit Toten übte, da Vampire im Grunde ja nichts anderes waren.

»Ein bisschen mehr sind sie schon«, erwiderte ich. »Ein normaler Toter läuft schließlich nicht rum und trinkt Blut. Vampire haben Magie, die ihrem Körper Vitalität und Stärke verleiht – zu erkennen an der grauen Aura mit den zwei roten Machtzentren in Kopf und Herz. Das muss man also vor allem entbinden, nicht nur das Rohmaterial des Körpers. Und genau das bewirken die altirischen Worte des Zaubers, erinnerst du dich? Sie zersetzen zuerst die Magie, damit sie sich nicht einfach wieder mit dem Körper verbinden kann, sobald dieser zerfallen ist. Deswegen brauche ich echte Vampire zum Üben, damit ich das hinbekomme.«

Bei meinem einzigen bisherigen Versuch hatte ich dem anvisierten Vampir gerade mal so etwas wie ein leichtes Verdauungsproblem zugefügt. Er hatte überrascht gewirkt, aber nicht sonderlich mitgenommen. Trotzdem fand ich es ermutigend. Der Anhänger fand offenbar sein Ziel und zeigte eine gewisse Wirkung. Danach hatte ich weiter an seiner Bindung und Gestaltung gefeilt. Daher hoffte ich, dass er jetzt funktionierte. Ich aktivierte ihn, als der Vampir die Reißzähne aus meinem Arm zog und sich erneut auf meinen Hals stürzte. Der Zauber traf ihn wie ein Schlag in den Solarplexus.

Zuckend spuckte er Blut und drückte die Augen zu, ehe er sie vor Staunen weit aufriss. Er presste die Hand an die Brust, als hätte er einen Herzinfarkt. Sofort stieß ich ihn von mir herunter und begann bereits beim Wegrollen mit den Worten der Auflösung. Zwar erholte sich der Vampir schnell und kam schon wieder auf die Beine, um sich auf mich zu werfen. Doch diesmal war ich auf der Hut und ließ mich nicht einfach zu Boden reißen. Mit einem kurzen Seitenschritt wich ich seinem Angriff aus und beendete im selben Moment die Entbindung. Er zerfiel mit einem lauten...