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Wild Claws (1). Im Auge der Python

Max Held

 

Verlag Arena Verlag, 2019

ISBN 9783401808123 , 176 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

Als Logan und Jack auf Wild Claws ankamen, lag die Rangerstation wie ausgestorben da. Normalerweise war immer einer der Wildhüter auf dem Gelände zu sehen – oder ein Student, der sich mit dem Füttern der Tiere oder dem Ausmisten der Ställe ein paar Dollar dazuverdiente. Als Jack das Propellerboot am Anleger neben dem Eingang zum Stehen brachte und den Motor abschaltete, war es merkwürdig still. Geradezu gespenstisch still. Abgesehen vom Summen des Mückenschwarms direkt neben seinem Kopf.

»Was ist denn hier los?«, fragte Logan und stieg aus dem Boot. Ratlos blickte er sich um.

»Die sind vielleicht alle im Haupthaus«, überlegte Jack und zog den Zündschlüssel heraus. Dann kletterte auch er auf den schmalen Holzsteg, der zur Station führte.

Logan verharrte mit gespitzten Ohren. »Hörst du das?«

Jack lauschte in die Umgebung. »Ich höre nichts.«

»Eben«, sagte Logan. »Keine Menschen, keine Tiere, nicht mal Insekten.« Er zog die Stirn kraus. »Irgendetwas stimmt hier nicht.«

Auf einmal schälte sich ein tiefes Dröhnen aus der Stille und wurde rasch lauter. Es klang wie das Donnern von einem halben Dutzend Pferden, die im Galopp auf die Station zugeritten kamen. Nur gab es in der näheren Umgebung überhaupt keine Pferde.

Logan wurde kreidebleich. »Ich weiß, was das ist.« Er starrte zu Jack. »Das sind …«

»Wildschweine!«, brüllte eine Stimme vom Haupthaus aus. Basil stand am Fenster und winkte ihnen aufgeregt zu. »Hinter euch!«

Logan und Jack drehten sich um. Eine Horde Wildschweine galoppierte ums Säugetiergehege und stürmte direkt auf sie zu.

»Weg hier!« Logan rannte los. Jack folgte ihm auf dem Fuß. So schnell sie konnten, rannten sie Richtung Haupthaus. Aber plötzlich kam um die Ecke des Gebäudes eine zweite Horde Wildschweine gestürmt und schnitt ihnen den Weg ab.

»Zu den Bäumen!«, rief Logan und gab die Richtung vor. Er und Jack rasten zu einem schmalen Streifen Zypressen, der die Rangerstation vom angrenzenden Parkplatz trennte. Kurz vor einem Baum mit tief hängenden Ästen stoppte Logan plötzlich und drehte sich um. Im selben Augenblick kam seine Mum aus der Station gestürzt – mit einem Gewehr in der Hand.

Logan packte den untersten Ast der Zypresse und zog sich hoch. Dann reichte er Jack die Hand. »Komm schon!«

Jack setzte einen Fuß auf den Ast, zog sich ebenfalls hoch und – rutschte ab. »Au!«, schrie er, als er auf den staubigen Boden stürzte. Besorgt kniff Logan die Augen zusammen: Die Wildschweine waren höchstens noch fünfzig Meter entfernt. Seine Mum legte an.

»Nicht schießen!«, brüllte Logan und sprang von der Zypresse hinunter. Hastig half er Jack erst auf die Beine und dann auf den Baum. Als der sicher den untersten Ast erreicht hatte, zog sich Logan wieder hoch. Er hatte das Bein gerade weggezogen, da erreichte die Meute den Baum. Der größte der Keiler richtete sich auf und schnappte nach Logans Fuß. Er verfehlte ihn nur um Zentimeter.

Im selben Augenblick durchzuckte ein Schuss die Stille. Die Wildschweine quiekten laut auf und rannten durcheinander. Logan sah zu seiner Mum, die das Gewehr durchlud und den Lauf in den Himmel richtete. Dann drückte sie ein zweites Mal ab. Diesmal trieb der Knall den großen Keiler in Richtung Busch, wohin ihm die übrigen Wildschweine in rasendem Galopp folgten. Kurz darauf waren sie im Dickicht verschwunden und nur ihre Hufspuren auf dem staubigen Weg zeugten noch davon, dass sie gerade eben die Rangerstation aufgemischt hatten.

»Das war knapp«, sagte Sarah, als sie und die beiden Wildhüter den Baum mit Logan und Jack erreichten. »Wenn du nicht gerufen hättest, hätte ich einen von ihnen erlegt.«

»Gut, dass du es nicht getan hast«, gab Logan zurück und sprang vom Ast herunter.

Basil und Tramp halfen Jack herunter, der beim Auftreten das Gesicht verzog.

Sarahs Gesicht verriet Sorge. »Könnte verstaucht sein. Wir bringen dich in die Station. Dann sehe ich mir das an.«

Der OP der Rangerstation war im hinteren Teil des Haupthauses neben dem Labor untergebracht. Nachdem sich Jack mit Basils und Tramps Hilfe auf den Operationstisch gehievt hatte, auf dem normalerweise kranke Tiere behandelt wurden, verließen sie den Raum und überließen ihrer Chefin das Feld.

Vorsichtig öffnete Sarah den Schnürsenkel von Jacks rechtem Sneaker. Er zuckte bei der Bewegung zurück.

»Stück Holz zum Draufbeißen gefällig?«, fragte Logan grinsend.

»Sehr witzig«, erwiderte Jack und spannte seine Muskeln an, während Sarah erst den Schuh und dann die Socke auszog.

Ein Waschbär kam durch die angelehnte Tür gesaust.

»Hey, Sam!«, rief ihm Logan zu. »Wie wär’s, wenn du Jack ein bisschen tröstest?«

Der Waschbär warf Logan einen raschen Blick zu, suchte dann etwas unter einem der Schränke und verschwand unverrichteter Dinge wieder.

»Was ist denn mit dem los?«, murmelte Logan und sah dem Pelztier nach.

»Au!«, rief Jack und zuckte zusammen.

»Sorry«, sagte Sarah und betrachtete Jacks Fuß. »Gebrochen ist er nicht. Aber heftig geprellt.« Sie stand auf und ging zum Arzneischrank. »Ich trage dir eine abschwellende Creme auf und verbinde den Fuß mit einem festen Verband. Und Logan …« Sie schaute kurz zu ihrem Sohn. »Irgendwo müssten auch noch Krücken sein.«

»So schlimm ist es doch gar nicht«, wiegelte Jack ab. »Ein Verband reicht aus. Krücken brauch ich nicht.«

»Je weniger der Fuß belastet wird, desto schneller heilt er«, widersprach Sarah und kam mit Creme und Verbandszeug zurück. »In ein paar Tagen ist die Sache erledigt.«

»Wieso machen die das?«, fragte Logan vom anderen Ende des Raums, wo er zwischen einigen Krokodilgebissen, die die Ranger einer Schmugglerbande abgenommen hatten, zwei Krücken fand.

»Wer macht was?«, fragte Sarah und schraubte die silberfarbene Tube auf.

»Die Wildschweine«, sagte Logan. »Wieso greifen sie uns an?«

»Wildschweine sind von Natur aus aggressiv«, stellte Sarah klar und trug einen dicken Streifen Creme auf Jacks Fuß auf. »Vor denen sollte man sich immer in Acht nehmen.« Sie begann, die weiße Paste einzureiben. Jack biss die Zähne zusammen.

Logan kam mit den Krücken zurückgeschlendert. »Aber die greifen doch keine Station an. Schon gar nicht in zwei Rudeln.«

»Wie meinst du das?«, fragte seine Mum.

»Na ja, das erste Rudel war ja schon im Lager zugange, als Jack und ich ankamen, oder?«

Sarah nickte. »Die sind ganz plötzlich hier aufgetaucht«, bestätigte sie. »Donnerten wie aus dem Nichts aus dem Busch und hätten uns beinahe überrannt. Nur mit Müh und Not haben wir es in die Station geschafft. Während die Wildschweine durch die Außengehege geprescht sind und die übrigen Tiere aufgescheucht haben.« Sie schüttelte nachdenklich den Kopf. »Ein absolut untypisches Verhalten.«

»Und dann taucht plötzlich ein zweites Rudel auf«, sagte Logan. »Nachdem Jack und ich mit dem Propellerboot angekommen waren. Es wirkte fast so …« Er suchte nach den richtigen Worten.

»Als hätten sie sich abgesprochen«, kam ihm Jack zu Hilfe.

Sarah zog die Stirn kraus. »Wie meint ihr das?« Sie nahm den Verband und schnitt die Packung auf.

»Ist doch merkwürdig, wie sich die Tierwelt in letzter Zeit verhält, finden Sie nicht auch, Mrs Davis?« Jacks Blick fiel auf die Packung in ihrer Hand. »Ist das etwa Verbandsmaterial für Affen?«, fragte er und zeigte auf den Schimpansen, der auf der Verpackung abgebildet war.

»Affen sind deine engsten Verwandten in der Tierwelt«, erwiderte Sarah beiläufig. »Also hab dich mal nicht so.« Sie wickelte den Verband um Jacks Fuß. »Aber was meinst du damit, dass sich die Tierwelt merkwürdig verhält? Abgesehen von Wildschweinen.«

»Na, zum Beispiel die Sache bei Mrs Carwinkle«, sagte Jack. »Falls es wirklich ein Puma oder Alligator und kein Wendigo war.«

»In der Schule haben sie auch merkwürdige Sachen erzählt«, ergänzte Logan. »Von irgendwelchen gigantischen Tieren, die hier unterwegs sein sollen.«

Sarah klebte das Ende des Verbands fest. »Ihr wisst doch, dass noch niemand eins von diesen Riesentieren gesehen hat.«

»Du meinst, die Leute lügen?«, fragte Logan.

»Nicht absichtlich«, erwiderte seine Mum. »Aber Menschen neigen zu Übertreibungen. Besonders wenn sie sich etwas nicht erklären können.«

»Und Mrs Carwinkle?«, fragte Jack.

Sarah neigte den Kopf zur Seite. »Was soll mit ihr sein?«

»Sie hat dieses rote Auge gesehen. Und ihr Hund ist auch verschwunden. Könnte es nicht sein …« Er zog die Stirn kraus. »Dass sich da draußen doch ein ungewöhnlich großes Tier rumtreibt?«

»Zum Beispiel eine Python«, sagte Logan. »Eine Riesenpython.«

»Sie hat Mrs Carwinkle vom Baum aus angestarrt und danach ihren Hund gefressen«, ergänzte Jack. »Wäre doch möglich, oder?«

Sarah schüttelte den Kopf. »Dann hätten wir Spuren finden müssen. Aber es gab keine. Bis auf das hier.« Sie zog das Stück roten Plastiks aus der Brusttasche ihres Hemds.

»Darf ich mal sehen?«, fragte Jack. Sarah reichte ihm das Bruchstück.

»Was ist das?«, fragte Logan.

Seine Mum zuckte mit den Achseln. »Wahrscheinlich einfach nur irgendein Stück Plastik.«

»Dürfen wir es haben?«, fragte Jack.

Sarah zog die Stirn kraus. »Wozu?«

»Vielleicht finden wir raus, woher es stammt«, sagte Logan. »Überlass es uns für ein paar Tage. Dann kriegst du es auch zurück. Okay?«

»Okay«, seufzte Sarah und reichte Jack die Krücken. »Rufst du deine Eltern an und...