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Das verdrehte Leben der Amélie, Die ersten vier Bände in einem E-Book

India Desjardins

 

Verlag Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, 2019

ISBN 9783440500408 , 1192 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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19,99 EUR


 

Dienstag, 13. September


Ich bin ganz allein im Universum. Niemand versteht mich – außer vielleicht meine beste Freundin Kat. Aber seit wir uns wegen einer blöden Kleinigkeit verkracht haben, reden wir nicht mehr miteinander.

Natürlich gibt es noch meine Mutter (sie ist unten in der Küche und macht Spaghetti Bolognese und es riecht superlecker). Aber mit ihr kann man einfach nicht über alles reden, und manchmal geht sie mir ganz schön auf die Nerven. Wie gerade jetzt.

Heute ist mir in der Schule im Matheunterricht ein frecher Spruch rausgerutscht. Eigentlich keine große Sache. Echt nicht! Aber meine Mathelehrerin hat sich bei unserem Direktor beschwert, und der hat sich bei meiner Mutter beschwert, und jetzt kriege ich Fernsehverbot. Ich persönlich finde ja, dass man mit vierzehn zu alt für so einen Quatsch ist. Es müsste ein Gesetz geben, dass Eltern ihre Kinder ab, sagen wir mal, elf Jahren nicht mehr mit solchen unnötigen Verboten belästigen dürfen. Denn so was ist doch Mist!

Jetzt verpasse ich heute Abend die neue Folge meiner Lieblingsserie One Tree Hill. Und die Wiederholung, die diese Woche läuft, auch. Ich darf sie noch nicht mal aufnehmen! Meine Mutter meinte, zur Not könne ich sie mir ja nächstes Jahr auf DVD anschauen. Nächstes Jahr! … das ist ja noch ewig hin! Gut, auf DVD hat man die Originalstimmen der Schauspieler. Was mir aber nichts bringt, denn mein Englisch ist nicht gerade berauschend. So etwa klingt es, wenn ich The Anthem von Good Charlotte singe: »You-hu! Nowa, nowa, just like you … nananananana, this is the anthem. Wasa wasa wa You-hu … Dewon nana you!« Völliger Blödsinn natürlich.

Aber echt mal, das Fernsehverbot ist doch total übertrieben! Nur weil ich mir einen winzigen Scherz mit unserer Mathelehrerin erlaubt habe, die seit Beginn des Jahres wirklich zum Kotzen ist. Immer mies drauf! Die ganze Zeit! Kaum sind wir im Klassenzimmer, da schreit sie uns schon an, dass wir niemals irgendwas kapieren werden, wenn wir uns nicht an ihre Ar-beits-me-tho-de halten.

Ihre Arbeitsmethode:

Madame Gagnon, unsere Mathelehrerin, unterrichtet ihr Fach, indem sie uns vorschreibt, welches Wort wir mit welcher Farbe unterstreichen sollen. Zum Beispiel: »Das Volumen eines Körpers ist die Größe des Raums – ›Größe des Raums‹ doppelt grün unterstreichen – die dieser Körper einnimmt. Absatz, zwei Zentimeter frei lassen.«

Heute hat sie geschrien: »IHR MÜSST EUCH AN DIE AR-BEITS-ME-THO-DE HALTEN, SONST IST DER DAMPFER FÜR DIE MITTLERE REIFE ABGEFAHREN!«

Darauf ich: »Dann nehmen wir halt den Zug.«

Ein paar Leute haben zaghaft gelacht. Sie hat drohend gefragt: »Findet ihr das etwa komisch?« Woraufhin sich großes, oder vielmehr RIESIGES Unbehagen ausbreitete (»RIESIGES« doppelt rot unterstreichen!). Und dann hat sie mich zum Direktor geschickt.

Das war mir wirklich wahnsinnig peinlich. Denn immer, wenn ich zu Monsieur Beaulieu (dem Direktor) ins Büro muss, weil ich was angestellt habe, bringe ich keinen Satz zu Ende, ohne zu heulen.

Ungefähr so:

Monsieur Beaulieu: »Warum bist du hier?«

Ich: »Weil ich was gesagt habe, das i-hi-hich …« (Der Rest des Satzes ist unverständlich, aufgrund von Schluchzern, verschluckten Wörtern, Schniefen usw.)

Wie gesagt, superpeinlich!

Ich bin also zu Monsieur Beaulieu ins Büro gegangen. Trotz meines Schluchzens hat er es geschafft, meinen Witz zu verstehen. (Ich hatte sogar den Eindruck, dass er schmunzeln musste. Keine Ahnung, ob das an meinem Geheule lag oder an meinem Witz.) Er hat meine Mutter angerufen, und die hat daraufhin beschlossen, dass ich heute nicht One Tree Hill gucken darf. Total gemein!

Wenn sie mir zur Strafe das Abendessen gestrichen hätte, wäre ich zwar halb verhungert, aber das wäre trotzdem weniger märtyrerhaft gewesen. Ja, genau das ist es: Ich bin eine Märtyrerin!!! Gut, das ist jetzt vielleicht etwas übertrieben. Aber auf jeden Fall kann meine Mutter knallhart sein. Sie hat zum Beispiel einen Putzfimmel, und hat mich sogar schon mal gezwungen, Seife zu essen! Na ja, eigentlich war es ein Versehen: Sie hat die Schokosoßenflasche mit der Spülmittelflasche verwechselt (keine Ahnung, wie sie das geschafft hat). Hinterher haben wir uns kaputtgelacht. Aus Rache habe ich sie gezwungen, selbst einen Löffel zu probieren. Sie hat so getan, als wäre es total lecker.

17:19

Meine Mutter ruft mich zum Essen.

Ich habe einen Bärenhunger. Eigentlich bin ich jetzt doch ganz froh, dass sie mir nicht das Abendessen gestrichen hat …

20:34

Meine Mutter konnte sich an die Geschichte mit der Schokosoßen-Spülmittelflaschen-Verwechslung nicht erinnern. Na, toll! Das ist eine meiner prägendsten Kindheitserinnerungen, und sie erinnert sich nicht mehr daran! Spülmittel zu essen – das vergisst man doch nicht einfach so! Aber dann dachte ich mir, wenn sie so ein schlechtes Gedächtnis hat, erinnert sie sich vielleicht auch nicht an das Fernsehverbot. Also habe ich einfach mal rechtzeitig zu One Tree Hill den Fernseher eingeschaltet, aber sie konnte sich sehr wohl erinnern (Grrr!). Die Erinnerungslücken meiner Mutter funktionieren leider nicht gerade zu meinem Vorteil.

21:00

Ich bin in meinem Zimmer und überlege, was ich tun soll. Ich habe ein paar dringende unerfüllte Wünsche und suche schon seit ein paar Minuten den Himmel nach einer Sternschnuppe ab. Ich entdecke aber keine und habe nicht wirklich Lust, bis morgen früh hier zu hocken. Nach meinen Kenntnissen im Bereich Wunscherfüllung kann ich jetzt nur noch warten, dass mir eine Wimper ausfällt. Aber da ich jetzt schon eine Ewigkeit blinzele, ohne dass was passiert, bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als … Gott?!

Lieber Gott,

– oder wie auch immer dein richtiger Name lautet. Wir haben dich in der Schule durchgenommen, aber auch andere Religionen, und ich möchte dich nicht beleidigen, falls du nicht der Religion angehörst, die ich dir zuschreibe –

ich melde mich nicht gerade oft bei dir … das liegt daran, dass ich nicht wirklich eine praktizierende Christin bin. Aber heute Abend brauche ich dringend einen Spezialisten im Wünscheerfüllen, und du bist der Einzige, der mir einfällt. Wie läuft das? Muss man sich erst vorstellen, wenn man zu dir betet? Ich stelle mir das ziemlich kompliziert vor, jede Menge Anfragen zu bekommen, ohne zu wissen, von wem. Da weißt du wahrscheinlich gar nicht, wo du deine »Wunder« vollbringen sollst. Kannst du denn überhaupt noch Wunder bewirken? Hast du mehr zu bieten als zum Beispiel Wasser in Wein zu verwandeln? Ich meine, heutzutage gibt es Zauberer, die echt beeindruckende Sachen draufhaben. O.k., es ist ja bekannt, dass das Tricks sind und keine »Wunder«. Aber was dich angeht, ist das nicht so eindeutig, schließlich wurden deine Tricks nie enthüllt. Übrigens finde ich, wenn ich das mal so sagen darf, dass du ein bisschen an Glaubwürdigkeit verloren hast, seit man weiß, dass nicht du das Universum erschaffen hast, sondern der Urknall. Ähm … bist du jetzt beleidigt? Ich will es mir nicht mit dir verscherzen, weil ich wirklich einige Anliegen habe. Tja, du siehst schon, ich liege öfter mal daneben. Wahrscheinlich, weil ich zu viel rede … aber zurück zum Thema.

Also, falls ich mich vorstellen soll: Ich heiße Amélie Laflamme. (Ich bin übrigens nicht getauft, aber ich hoffe, ich darf mich trotzdem an dich wenden?)

  1. Bitte mach, dass heute Abend in der One-Tree-Hill-Folge nicht so wahnsinnig viel passiert, damit ich nicht den Anschluss verpasse. (Na gut, die Erfüllung dieser Bitte ist quasi eine freiwillige Zusatzaufgabe, die stelle ich nur zum Aufwärmen.)
  2. Könnte ich mich bitte wieder mit meiner Freundin Katryne vertragen? Wir haben uns neulich gestritten, und das tut mir wirklich leid, dabei ging es nur um eine Kleinigkeit. Sie fehlt mir so!
  3. Wenn meine Mutter mehr verdienen und dafür weniger arbeiten könnte, wäre das echt cool!
  4. Ach ja, und wenn du dafür sorgen könntest, dass Schokokekse gesund sind und schlank machen, wäre das super! Dann würde mir meine Mutter nicht nur drei Kekse pro Mahlzeit erlauben und ich müsste den Rest nicht heimlich essen.
  5. Und außerdem, wenn das geht, sag bitte meinem Vater, dass er mir fehlt und dass ich ihn lieb habe …

21:12

Meine Mutter ist zu mir ins Zimmer gekommen und hat mich beim Weinen erwischt. Sie meinte, sie hätte nicht gedacht, dass mir One Tree Hill so wichtig sei. Dann hat sie mir verraten, dass sie die Folge für mich aufgenommen hat und mir die DVD gezeigt! Ich habe gar nicht deswegen geweint, aber ich wollte nicht mit ihr über meinen Vater reden, weil sie dann nur traurig geworden wäre. Sie spricht nicht gerne über ihn.

Außerdem hat sie mir gestanden, dass sie meinen Witz von heute Morgen ziemlich lustig fand! Das hat sie auch Monsieur Beaulieu gesagt, dem es anscheinend genauso ging. Er will meine Mutter trotzdem treffen. Aber sie hat mir versprochen, mich zu verteidigen. Sie meinte: »Es ist ja nicht so, als hättest du was verbrochen!«

Ich habe mir erst die DVD geschnappt und dann meine Mutter ganz fest in den Arm genommen. Dabei war allerdings die DVD-Hülle im Weg, weshalb sich meine Mutter mit einem...