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Bedlam Brotherhood - Er wird dich begehren

T. M. Frazier

 

Verlag LYX, 2020

ISBN 9783736311817 , 214 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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4,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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1


Grim

Es liegt eine gewisse Schönheit im Tod, darin mitzuerleben, wie das Leben einen Körper verlässt. Ein Zyklus endet, während ein anderer beginnt. Wie eine verwelkende Blume, die ihr letztes Blütenblatt abwirft, oder ein totes, verwesendes Tier, das die Bäume nährt, die in seinen Knochen Wurzeln schlagen. Ich behaupte nicht, zu wissen, was nach dem Tod passiert, oder ob es nach dem letzten Atemzug so ist, als hätte es nie einen gegeben.

Jemanden zu töten ist mir immer leichtgefallen. Es hat mir sogar Spaß gemacht. Noch nie habe ich jemanden (der nicht zu meiner Familie oder Bedlam gehört) sterben sehen und gedacht: Nein, diese Person sollte leben.

Bei dem blutenden Mädchen, das ich trage, ist es anders. Dieses Gefühl in mir ist anders. Ich will, dass sie lebt. Ich verlange es. Will es unbedingt. Ich will, dass sie ihre Augen öffnet, will sie atmen, ein verdammtes Wort sprechen hören. Nicht weil sie mir etwas bedeutet, sondern weil sie für Tricks’ Glück unentbehrlich ist. Das ist es, was dieses Mädchen auch für mich wichtig macht.

Es ist ein verdammt seltsames Gefühl. Mitgefühl durch Nähe. Ich kenne dieses verdammte Mädchen nicht mal. Hab noch nie ein Wort mit ihr geredet. Und doch hoffe ich von ganzem Herzen, dass Gabby überleben wird.

Es gibt so viele Dinge über eine lebende, atmende beste Freundin hinaus, die ich Emma Jean Parish geben will. Zum Beispiel ein Leben. Ein richtiges Leben. Unser eigenes Haus mit einer großen Küche, einer Garage, in der ich an meinem Motorrad schrauben kann, und einem Schreibzimmer für Tricks.

Seit sie mir zum ersten Mal von den Geschichten erzählt hat, die sie sich ausdenkt, um den schrecklichen Dingen in ihrem Leben zu entkommen, stelle ich mir vor, wie sie spätabends an einem Computer sitzt, wild auf der Tastatur herumtippt und sich blonde Strähnen aus dem Gesicht pustet. Sie könnte Kindermärchen schreiben oder sogar eine Geschichte, die auf ihrem Leben basiert. Tricks’ Fantasie ist einfach nicht von dieser Welt. Sie sollte mehr damit machen als Leute hereinlegen. Auch wenn Tricks’ Gaunereien sowohl ihre brillante Vorstellungskraft als auch eine lächerliche Menge an natürlichem sowie erlerntem Talent erfordern. Ihre Bücher könnten die Menschen unterhalten. Ihnen sogar helfen. Was immer sie tun will, ich bin davon überzeugt, dass sie für etwas Größeres in dieser Welt geschaffen wurde. Ich will, dass sie sich entfalten kann, Erfolg hat und mehr ist als … ich.

Mir kommt ein weiterer Gedanke in den Sinn. Ich will auf die Vorstellung zulaufen, sie aber gleichzeitig auch abschütteln. Tricks hochschwanger mit unserem Teufelsbraten von einem Kind. Aber könnten wir unser Baby in Lacking aufziehen? Einem Ort, an dem die Kinder nur in der Schule draußen spielen können, versteckt hinter hohen Mauern, weit genug entfernt von der Sorge, sie könnten von einem Querschuss getroffen werden.

Ich könnte mit Tricks aus Lacking verschwinden. Und genau das würde ich auch tun, selbst wenn es bedeutet, meine Brüder verlassen zu müssen. Unterm Strich scheint es die beste Option zu sein, doch Bedlam aufzugeben und Lacking zu verlassen, bedeutet nicht automatisch, dass alle Vendettas gegen mich mit uns verschwinden. Man könnte immer noch aus dem einen oder anderen Grund nach mir suchen, und wieder wäre Tricks’ Leben in Gefahr, zusammen mit dem unseres imaginären Kinds. Das ich mir gerade vorstelle, während Blut mein Bein herunterläuft und meine weißen Turnschuhe rot färbt.

Ich will Tricks dieses Kind und dieses Leben geben. Ich will dafür sorgen, dass alle ihre Träume in Erfüllung gehen. Bis jetzt habe ich ihr nur Herzschmerz und Angst gegeben, zusammen mit der Unfähigkeit, sie vor den Leuten zu beschützen, die ihr das Leben zur Hölle machen wollen, auch wenn ich niemanden kenne, der den Himmel mehr verdient hätte als sie.

Selbst wenn Marco nicht da wäre, um jeden unserer Schritte zu bedrohen, was für eine Art Leben könnte ich ihr denn überhaupt bieten? Ich bin Bedlam und werde es immer sein. Natürlich habe ich Geld, eine Menge, versteckt an mehreren Orten, doch mit Geld kann man weder Sicherheit noch Freiheit oder Seelenfrieden kaufen.

Die Vorstellung, Tricks nicht für den Rest meines Lebens an meiner Seite zu haben, fühlt sich an wie eine Axt an meiner Kehle und tut mehr weh als die Kugel in meinem Bein.

Jedes Mal, wenn ich einen Schritt gehe, fühlt es sich an, als ob jemand mit einem Meißel meinen Oberschenkel bearbeitet.

Aber mein Schmerz, ob körperlich oder mental, darf mich nicht davon abhalten, das Reservatskrankenhaus zu erreichen. Ich habe Tricks schon oft genug hängen lassen.

Ich darf Gabby nicht sterben lassen.

Und das werde ich auch nicht.

Ohne eine freie Hand trete ich die Doppeltür des Krankenhauses auf. Mit einem lauten Knall schlagen die Türflügel gegen die Wände. Ich trage Gabby in den kleinen Wartebereich, während Sandy und Haze aufsehen.

Ich übergebe Gabbys schlaffen zierlichen Körper dem wartenden Arzt und seinem Team. Sie wird auf eine Trage gelegt und man ruft einander Anweisungen zu, während sie durch eine Tür mit der Aufschrift »Zutritt nur für Personal« gebracht wird.

Ich ziehe meine Kapuze ab und werde von Sandys und Hazes Missbilligung begrüßt.

»Was hast du da für eine verdammte Scheiße abgezogen?«, fragt Haze mit vor der Brust verschränkten Armen. »Marco herauszufordern, ohne uns in deinen Plan einzuweihen?«

»Es war die einzige Möglichkeit«, erwidere ich, erschöpft von der langen Strecke über Seitenstraßen und durch dichtes Gebüsch.

»Du hättest uns Bescheid sagen können. Wir hätten geholfen«, sagt Sandy. Mir wird klar, dass sie eher besorgt als wütend sind. Das Wissen schmerzt mehr als mein Bein. Ich habe nie vorgehabt, meine Brüder zu verletzen. Eher würde ich sterben.

»Oder ihr hättet beide sterben können, und dabei müsst ihr doch für Marci da sein.« Ich sehe mich um. »Wie geht es ihr?«

Als ich Marci erwähne, wird Sandys Gesichtsausdruck milder. »Sie ist immer noch bewusstlos, aber stabil. Hat einen schweren Schlag auf den Kopf bekommen. Die Ärzte behalten sie im künstlichen Koma, bis die Hirnschwellung zurückgegangen ist. Aber sie haben ein paar Tests gemacht und denken, dass sie es schaffen wird.«

»Gott sei Dank«, sage ich und seufze erleichtert.

»Wo zum Teufel ist EJ?«, fragt Haze und sieht hinter mich, als würde sie gleich durch die Tür spazieren.

Ich schüttle den Kopf. »Lemming. Er hat den Kampf beendet und sie verhaftet, dann ging die Schießerei los. Leider ist Gabby zwischen die Fronten geraten und hat einen Schuss in die Brust abbekommen. Außerdem ist Marco noch am Leben. Leider.«

»Du siehst auch ziemlich mitgenommen aus«, kommentiert Haze. Sein Blick wandert von der Schnittwunde über meinem Auge zu dem Loch in meiner Jeans und schließlich zu der Blutlache, in der ich stehe.

»Hab ’ne Kugel ins Bein abbekommen«, sage ich und winke ab. Es gibt gerade wichtigere Dinge. Ich muss zu Lemming und herausfinden, warum er Tricks mitgenommen hat.

Sandy sieht sich um und ich weiß, dass er nach medizinischem Personal sucht, damit meine Wunde behandelt wird.

»Dafür ist es jetzt keine Zeit«, knurre ich.

»Du kannst niemandem mehr helfen, wenn du verblutest. Setz dich.« Sandy drückt mich in auf einen Plastikstuhl.

Eine Schwester sieht sich mein blutendes Bein an. »Ich bereite ein Behandlungszimmer vor«, sagt sie, und ihre Schuhe quietschen über das Laminat, bevor sie hinter einer Tür verschwindet.

»Wie willst du sie denn rausholen?« Haze kratzt sich den Bart. »Wenn du nur einen Schritt in die Wache tust, sperren die dich ein, wahrscheinlich für den Rest deines Lebens. Falls du es vergessen haben solltest, du bist auf der Flucht und wir sind auf Kaution draußen.«

Ich verziehe mein Gesicht, als der Schmerz in meinem Bein mein Rückgrat hochschießt. »Denkst du, das spielt eine Rolle?«, knurre ich. »Ich muss sie da rausholen.«

»Was ist mit Mona?«, fragt Sandy. »Hast du sie gesehen?«

Ich schüttele den Kopf. »Keine Spur von dem Miststück. Allerdings ging auch genug anderes vor.«

»Was denn?«, fragt Haze und nimmt neben mir Platz.

»Zum Beispiel die Hochzeit, in die ich hineingeplatzt bin.«

»Nein …« Sandy sieht mich überrascht an.

Ich nicke. »Ja, dieses Arschloch Marco war dabei, mein Mädchen vor all seinen Leuten zu heiraten.« Ich erzähle meinen Brüdern alles, was auf dem Gelände von Los Muertos passiert ist. Ich bin gerade fertig, als die Eingangstür des Krankenhauses geöffnet wird. Wir drehen uns um und sehen die zitternde Brünette in der Lobby stehen. Ihr laufen Tränen über die Wangen.

Ich stehe auf und balle die Fäuste. Dieses Miststück hat vielleicht Nerven.

Mona.

»Kommt … kommt Gabby wieder in Ordnung?«, wimmert Mona.

»Lass uns hier etwas Zeit sparen«, beginne ich, während Haze sie auf einen Stuhl drückt. Dann wirft er mir ihr Handy zu und ich schaue nach der GPS-Funktion. Sie ist ausgeschaltet. Trotzdem nehme ich die Sim-Karte raus und lasse sie zu Boden fallen. Sandy zertritt sie mit dem Absatz seines Stiefels.

»Du kannst jetzt mit dem falschen Geflenne aufhören«, sage ich ihr. »Spar dir die Krokodilstränen für jemanden, der dich nicht töten will. Was hast du vor, Mona? Warum zum Teufel bist du hier?«

Sie schüttelt den Kopf und schluckt. »Ich habe schreckliche, unverzeihliche Dinge...