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Perry Rhodan 3071: Xirashos Tiefen - Perry Rhodan-Zyklus 'Mythos'

Michelle Stern

 

Verlag Perry Rhodan digital, 2020

ISBN 9783845360713 , 64 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

1,99 EUR


 

1.

Unruhe

Atlan da Gonozal

 

Über mir wehte ein weißer Vorhang, der mich an alte Landhäuser in Frankreich erinnerte. Ich lag auf einem runden, in dunkle Steine eingefassten Bett an einem Sandstrand, blickte über türkisgrüne Wellen. In der Ferne zog ein Schwarm Paradiesvögel über die Landschaft. Wäre im Raum ein leichter Wind gegangen, ich hätte mich ganz im Panoramaholo der winzigen Kabine an Bord der THORA verlieren können.

Der Strand lud dazu ein, aufzustehen, ein Dagorschwert in die Hand zu nehmen und ein paar Übungen zu machen. Leider würde ich in dem Fall gegen mindestens eine Wand laufen. Tief in mir wünschte ich, mich zu bewegen, mich abzulenken, um gegen die Unruhe anzukommen, die mich bei jedem Atemzug begleitete.

Kaery Evans schmiegte sich an mich, legte den Kopf auf meine Brust, um meinem Herzschlag zuzuhören. »Du denkst an Gucky, stimmt's?«

Ich wandte den Blick von der weitläufigen Hololandschaft ab. Auf dem Boden, dem vermeintlichen Strand, lagen unsere Bordkombinationen verteilt. »Die letzte halbe Tonta nicht«, gab ich zu. »Jedenfalls nicht direkt. Aber seit wir im Shiringsystem sind, habe ich sehr viel an ihn gedacht.«

Du hast mehr getan als das, warf mein Extrasinn ein.

Das stimmte. Immer wieder hatte ich in Gedanken Guckys Namen gerufen, seit wir mit der THORA im System um Sasar angekommen waren. Ich hoffte, dass er mich telepathisch hören könnte. Leider hatte es bisher keinen neuen Ausstoß an Nanosonden aus Guckys SERUN gegeben – und mein Freund antwortete mir nicht.

Vielleicht war der Ilt zu schwach, zu weit fort, unter einem Schutzschirm oder parageblendet. Oder ...

Nein.

Wahrscheinlich hatte man ihn medikamentös betäubt.

Je länger wir brauchten, Fortschritte zu machen, umso unausgeglichener wurde ich, doch weiterhin galt mein Vertrauen unserem Trackingsystem. Der Swoon Timberlan hatte es entwickelt, und ich glaubte an ihn. Mit seiner Hilfe würden wir Guckys Aufenthaltsort in Erfahrung bringen. Schließlich hatte es uns in dieses Sonnensystem geführt.

Das Trackingsystem ist in den SERUN integriert, erinnerte der Extrasinn. Vielleicht hat man Gucky seinen SERUN abgenommen und diesen vernichtet.

»Schwarzseher!«, murmelte ich.

»Bitte?« Evans zog sich ein Stück von mir zurück. Ihre langen, schwarzen Haare umflossen das dunkle Gesicht.

Sie hatte interessante Züge, war keine Schönheit im eigentlichen Sinn und faszinierte mich dennoch ungemein. Ein wenig erinnerte sie mich an Florence Hornigold, die Kapitänin der WOODES ROGERS. Selten hatte ich so viel Energie und Willenskraft in einer Person erlebt.

»Ich meinte meinen Extrasinn«, antwortete ich.

»Oh. Verstehe. Es muss merkwürdig sein, einen zu haben.«

»Man gewöhnt sich daran.«

»So wie an gefährliche Einsätze? Wie war das überhaupt mit den Tomopaten auf Sisden? Ich meine ... wie sind sie?«

»Anders als die Wesen, die ich sonst kenne. Viele Lebewesen lassen sich von Gier leiten. Von ihrem Vorteil. Sie haben Antriebsgründe, die ich zwar nicht gutheiße, aber nachvollziehen kann. Die Tomopaten dagegen sind wie eine Holodatei, zu der man das Passwort vergessen hat und es auch nicht zurücksetzen kann. Dazu kommen ihre ungewöhnlichen Fähigkeiten. Sie können ihre Tentakel auf vielfältige Weise einsetzen, was sie gefährlich wie einen Haluter macht.«

Nachdenklich berührte Evans meine weißen Haare. Sie nahm eine Strähne zwischen zwei Finger, ließ sie wieder los. »Du bist also hinter ihnen und Gucky hergejagt, sobald du wusstest, wo das Ziel der WANN BLÜHT VERTRAUEN? liegt. Und nun hast du sie verloren?«

»Wir haben das Raumschiff nicht verloren. Aber Gucky ist nicht mehr an Bord. Es gab einen Ausstoß an Nanosonden, kurzzeitig. Er kam quasi aus dem Nichts, irgendwo im System. Sie müssen ihn an einen anderen Ort gebracht haben, und noch wissen wir nicht, wohin.«

Im Stillen bedauerte ich, dass wir mit der THORA geflogen waren. Das Schiff war offiziell in diplomatischer Mission unterwegs, und Kommandant Holger Bendisson hatte nicht ganz zu Unrecht angegeben, die THORA folge darüber hinaus einer Spur der Attentäter, die das Chaos auf Sisden angerichtet hatten, bei dem vier Zuhörer gestorben und über fünfzig leicht bis schwer verletzt worden waren. Deshalb hatten wir uns ausgebeten, unsere Ankunft nicht publik zu machen.

Doch die THORA war kein unauffälliges Schiff. Ihr Aufkreuzen konnte die Tomopaten warnen und sie vielleicht dazu bringen, ihre Pläne zu ändern. Zumindest war meine Anwesenheit nicht öffentlich bekannt.

Evans rückte ein Stück von mir ab. »Glaubst du, sie haben Gucky ins Weißwerk gebracht?«

Weißwerk nannten die Asaran die Siedlungen der Cairaner. Auf der Welt Sasar ganz in unserer Nähe gab es eine große, vorwiegend in Weiß gehaltene Stadt, in der sich der Friedensbund niedergelassen hatte.

»Ich zweifle daran, dass die Tomopaten Gucky dorthin gebracht haben. Beim Angriff auf Sisden war auch ein cairanischer Wissenschaftler unter den Opfern. Würden die Tomopaten wirklich für die Cairaner arbeiten, warum hätten sie dann den Tod von Cairanern in Kauf nehmen sollen?«

Eines Cairaners, korrigierte der Extrasinn. Es kann schlicht ein dummer Fehler gewesen sein. Er war womöglich ... unerwünscht. Oder es hat sie nicht interessiert. Wie du ganz richtig festgestellt hast, ist es schwer, dem Handeln von Tomopaten mit Logik beizukommen.

Evans rollte sich auf den Rücken. »Dann meinst du, sie arbeiten für jemand anderen?«

»Du stellst viele Fragen.«

»Und du lernst deine Mitarbeiter gern ziemlich gründlich kennen. Als ich die Information bekommen habe, dass du mich treffen willst, weil ich dich vielleicht demnächst in meiner Jet kutschieren darf, habe ich mit anderem gerechnet.«

Ich lächelte. »Eigentlich wollte ich dich wirklich nur kennenlernen. Du hast mich überraschend in deine Kabine gelockt und bist über mich hergefallen.«

»Ich habe keinen nennenswerten Widerstand gespürt.«

»Touché.«

Mein Multifunktionsgerät gab endlich das feine Summen von sich, das ich seit Stunden hören wollte: Holger Bendisson meldete sich aus der Zentrale.

»Ohne Bild senden!«, forderte ich.

Über dem Armbandgerät erschien das Gesicht des blonden Kommandanten. Wie immer lächelte er, doch dieses Mal wirkte es herzlicher als sonst, als hätte er gute Neuigkeiten. »Atlan? Wo steckst du?«

»Ist mein Aufenthaltsort relevant?«

»Nein.« Der Kommandant wirkte irritiert. »Sind das galermische Paradiesvogelschreie?«

Evans schaltete den Ton in der Kabine ab.

»Wie auch immer ...« Bendisson machte eine kurze Pause, als müsste er sich sammeln. »Wir haben endlich ein neues Signal. Es kommt vom Gasplaneten – aus Xirashos Tiefen.«

»Ich bin auf dem Weg! Informier das Team. Wir besprechen alles Weitere in der Zentrale!«

Bendisson nickte. Er wirkte abgelenkt. Ob er noch über die Vogelschreie grübelte? »Bis gleich.«

 

*

 

In der Hauptzentrale zeigte die vierzehn Meter durchmessende Holoprojektion das System, in das wir gereist waren: Um eine orangefarbene, etwa Sol-große Sonne kreisten sieben Planeten. Der dritte und der vierte waren in der habitablen Zone: Sasar und Hidren. Das gesamte System lag oberhalb der Northside an der Grenze zum Halo und war damit weit näher an M 13 als am Solsystem. Zu meiner zweiten Heimat, die sich manchmal wie die erste angefühlt hatte, waren es 30.765 Lichtjahre. Zu Arkon dagegen nur etwas mehr als 15.800.

Illustration: Swen Papenbrock

Im Hintergrund ließ sich die unendliche Weite erahnen, die eine letzte Grenze zwischen unserer Galaxis und dem Leerraum bildete. Mir war, als würde ich tief in die Vergangenheit unserer Geschichte schauen, hinein in einen Ausschnitt aus der Entstehungsphase der Milchstraße. Gase, Einzelsterne, Sternhaufen, dunkle Materie ... ein gewaltiges Feld, das die Milchstraße umschloss, sich gerade noch innerhalb der wirkenden Anziehungskraft bewegte.

Konzentrier dich auf den siebten Planeten!, forderte der Extrasinn.

Ich nickte Bendisson zu, ging an meinen Platz und betrachtete den Gasriesen. Der Planet war ein Gigant, der Respekt einforderte und dazu beigetragen hatte, dass sich das Leben in diesem System ungehindert entwickeln konnte. Durch seine große Anziehungskraft war er ein echter Kometenfänger. Er war dem Jupiter nicht unähnlich, hatte einen Äquatordurchmesser von 111.237 Kilometern. Der Polardurchmesser kam auf stolze 99.909 Kilometer.

Was beides weniger ist als bei Jupiter, ergänzte der Extrasinn. Der hat 142.984 und immerhin 133.708 Kilometer.

Ich ignorierte mein ungefragt kommentierendes Lexikon und las weiter in den Daten. Xirasho hatte einen festen Kern von fünfzehnfacher Erdmasse. Insgeheim wartete ich darauf, dass der Extrasinn auch die Kernmasse des Jupiter benennen würde, doch der Logiksektor verzichtete gnädig.

Bendisson schwenkte den Sessel in meine Richtung. »Wir haben weiter sondiert und endlich etwas gefunden. Eine kurze Sequenz des Trackers von Guckys SERUN. Demnach befindet sich der Ilt tatsächlich auf dem Gasriesen Xirasho.«

Ich betrachtete nachdenklich das Holo, das die Gasatmosphäre zeigte. »Gibt es dort Siedlungsstationen?«

»Nicht, dass wir wüssten. Möglicherweise jedoch Forschungseinrichtungen der Asaran. Wir suchen gerade nach weiteren Daten über das Ziel. Sorgen machen mir die beiden cairanischen Schiffe im System. Vielleicht werden sie aktiv, wenn wir Xirasho...