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Barbara

Barbara

Gloria Kaiser

 

Verlag Seifert Verlag, 2020

ISBN 9783904123273 , 208 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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17,99 EUR


 

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Vater unser – Dein Wille geschehe


Obwohl alles besprochen und einstudiert war, konnte Elena ihre Fahrigkeit vor dem Verlobungsfest nicht zurückhalten; es rann ihr sogar die Schminke über das Gesicht. Arsinoe und die Dienerinnen des Badehauses hatten sich bemüht, mit Gelee, Puder und Farbstiften das Kindliche aus Elenas Gesicht wegzuschminken. Elena war dreizehn Jahre alt, das wallende Gewand sollte ihre kindliche Figur weiblicher erscheinen lassen. Denn es hatte alles nichts geholfen, weder üppige Süßspeisen noch Bäder in duftendem Wasser, ihr Körper war kindlich geblieben. Auch Arzt und Priesterin konnten nicht helfen. »Der Fluss ihrer Körpersäfte ist ins Stocken geraten, wir können nur hoffen, dass sich nichts verhärtet hat und ihre Knospe am Ende nie zur vollen Weiblichkeit aufspringt. Es fehlt der edlen Tochter an Lebensfreude.« Sie verordneten Massagen, Spaziergänge, von Flötenspielerinnen begleitet, und Gesang von männlichen Sklaven; alles, um das Gemüt von Elena aufzuhellen und in ihrem Körper Weiblichkeit zu entfalten.

Dioskoros wartete schon ungeduldig auf den Verlobungstag; er schob bald die Bedenken und Warnungen wegen des noch zu wenig entwickelten Körpers von Elena beiseite und ließ den Verlobungsvertrag aufsetzen.

Aratos erfüllte mit dieser Verlobung einen Wunsch seines Vaters; diese Verbindung würde das Ansehen von Ramyrakis heben, vielleicht könnte er seinem Vater damit sogar die silberne Rolle des Bürgerstandes zurückerobern und auf diese Weise die Reputation der Familie wiederherstellen.

Teodoro Ramyrakis war der beste Wagenbauer von Nikomedia; doch Ramyrakis hatte die silberbeschlagenen und emailverzierten Wagen auch an Römer verkauft, und deshalb verlor er vor Jahren einen Rang im Ersten Bürgerstand. »Er gilt nicht länger als ein Mitglied der Elite der Griechen, er steht in Geschäften mit den Blutsaugern aus Rom; also soll er auch die höheren Steuern der niederen Bürgerklasse bezahlen!« Dioskoros hatte das dem Kommandanten der Gemeindeorganisation zugerufen, und dieser hatte geantwortet:

»Verstehe, Dioskoros, du willst Elena mit dem Erstgeborenen von Ramyrakis verheiraten, und damit er zustimmt, musst du ihn zuerst eine Stufe tiefer drücken. Aber du hast Recht, dieser Ramyrakis ist ohne Scham und Gewissen, er verhandelt mit Römern! Meine Zustimmung hast du; Ramyrakis kommt in die niedere Bürgerklasse.«

Diese Entscheidung hatte dem Kommandanten einen Beutel voll Münzen eingebracht und eine Sklavin von Dioskoros. »Sie ist gehorsam und immer willig und verfügbar.«

Die Verlobungsfeier begann wie geplant; Aratos saß neben Elena auf dem Brautkissen, sie nickten einander zu, sie hielten einander an den Händen, als der Verlobungsvertrag verlesen wurde: »Damit werden die beiden Häuser Dioskoros und Ramyrakis zusammengeführt. Aratos Ramyrakis wird mit dieser Heirat in den höchsten Rang der Bürgerschichte aufgenommen und an der Seite der künftigen Herrin des Hauses Dioskoros, Elena, stehen. Die Ehe wird vollzogen, wenn Elena achtzehn ist; bis dahin wird Maximinus Dioskoros für Elenas Unberührtheit Sorge tragen, und Aratos wird unverzüglich in die Erfüllung der Geschäfte des Hauses Dioskoros eintreten und sich in den folgenden fünf Jahren dem Wegebau und der Errichtung von Niederlassungen und Pflanzorten auf der Strecke nach Persien widmen.«

Maximinus Dioskoros und Teodoro Ramyrakis unterschrieben, stäubten Goldstaub über ihre Unterschriften, damit war das Eheversprechen besiegelt.

In fünf Jahren würde Dioskoros mit seinem Heer Richtung Persien aufbrechen, damit erfüllte er sich ein Lebensziel. Das Fest zum Aufbruch seines Heeres nach Persien würde dann gleichzeitig das Hochzeitsfest für Elena und Aratos sein; Dioskoros malte sich in seiner Fantasie die schönsten Bilder dieses Festes aus.

Im Verlobungsvertrag war jedes Detail festgehalten; Aratos würde dafür sorgen, dass sich Geld und Vermögen vermehrte; er würde die Qualität von Oliven, Getreide und Holz prüfen und beim Bau der Wagen und Schiffe nur jene Zahl von Sklaven einsetzen, die unbedingt nötig war. In dieser Form würde Elena mit Aratos ein Jahr in Izmit leben, und nach der Geburt des ersten Kindes würde Aratos mit einem Nachschub von Soldaten nach Persien folgen und mit der Rückführung der Kinder aus den Niederlassungen nach Izmit beginnen. Mit diesen Kindern wurde die Zahl der Sklaven in Izmit wieder aufgestockt.

Als nächste Punkte der Verlobungszeremonie waren die Huldigungstexte vorgesehen. Aratos hatte dafür vorbereitet, »niemals hätte ich den Gedanken gewagt, dass ich mein Leben mit der edelsten Griechin, mit Elena aus dem Haus Dioskoros verbinden könnte«, und Elena sagte zur Anerkennung von Aratos als ihren zukünftigen Ehemann, »nichts mehr wünschte ich stets als einen Ehemann, der allen Fleiß und allen Willen aufbringen wird, Größe und Macht des Hauses Dioskoros zu erhalten und zu vermehren.« Sie lächelten, sie aßen Oliven und Feigen von einem gemeinsamen Fladen; sie umarmten einander, dass ihre Wangen sich berührten; sie tanzten zu den Harfenklängen und setzten dabei die Schritte so, dass ihre Körper aneinander vorbeischwebten und sich ihrer beider Gerüche vereinten, das Scharfbittere von Aratos und das Würzigsüße von Elena.

Als der Wein ausgeschenkt wurde, streifte der Mundschenk von Elena ihren Oberarm; Ramin ließ seine Hand auf ihrer Schulter liegen, nur einige Momente, doch so lange, bis sie durch die Seide die Wärme seiner Handfläche spürte. Eine Tollkühnheit!

Ramin war einer der Wachsoldaten von Dioskoros, die hinter den Festgästen standen. Wie immer waren mehr Wächter, Soldaten und Ordnungshüter anwesend als Gäste; sie kosteten das Essen vor, den Wein, und sie tranken vom Wasser in den Badegrotten. Irgendwann während des stundenlangen Essens und Trinkens gab es auch hinter dieser Menschenmauer aus Wachpersonal ein Stöhnen, sogar bei der Verlobungsfeier, und ein lebloser Körper wurde weggezogen. Die Wachsoldaten trauten einander nicht; sie waren in Gruppen, in Parteien verbunden, und manchmal reichte schon der Blick eines Bediensteten zur gegnerischen Partei, und es wurde zugestochen.

Die Männer der Tischgesellschaft schauten nur kurz auf, wer hat jetzt einen Wachsoldaten eingebüßt? Und es wurde sofort wieder das Gespräch aufgenommen: Wie viele Steuern werden sie in diesem Jahr bereit sein, an die Römer zu zahlen, es muss weniger sein als im Vorjahr, es muss immer weniger sein als im Vorjahr, und die Hälfte der zurückgehaltenen Steuer muss in die Kasse des Kriegsdepots gezahlt werden; dieses Depot verwaltete Dioskoros, denn er war der reichste Händler und einflussreichste Grieche von Nikomedia.

Die Frauen hatten sich von den offiziellen Feierlichkeiten schon zurückgezogen; nur Arsinoe musste auf die Erlaubnis von Dioskoros warten, dass sie mit Elena die Festtafel verlassen konnte. Aber Dioskoros war mit dem Vater von Aratos intensiv ins Gespräch vertieft; die beiden Männer rückten den Lederfleck, der vor ihnen ausgebreitet lag, zurecht; ein Gelehrter der Astronomie zeigte ihnen auf dieser Landkarte die Wege von Nikomedia über die Gebirge bis nach Persepolis – eine fast unüberwindliche Distanz.

Auch Aratos wurde zu diesem Gespräch gewunken, und als Elena allein auf ihrem Brautkissen saß, beugte sich der Mundschenk, Ramin, neuerlich zu ihr. Er ließ aus seiner Hand Granatapfelkörner auf den Fladen vor ihr rieseln, und in wenigen kreisenden Bewegungen hatte er mit den Körnern eine Rose gezeichnet. »Tanzt noch einmal, allein, tanzt einmal nur für Euch selbst.«

Es hatte niemand auf diese Dreistigkeit geachtet; wie konnte er, ein Diener, wenn auch aus dem oberen Rang der Dienerschaft, mit Elena sprechen, sich an Elena wenden, ohne vorher Arsinoe um Erlaubnis zu fragen.

Aus den Falten des grauen Umhanges von Ramin, aus seinen Händen war Rosenduft zu Elena geweht. Welch ein Unterschied zu den Gerüchen, von denen sie in ihren Räumen umgeben war; dort wölkten schwere, ölige Düfte, Bergamotte, Jasmin, manchmal der Duft von Veilchen.

Der Rosenduft wischte ganz leicht an ihr vorbei: »Tanzt noch einmal, nur für Euch selbst«, lächelte Ramin neuerlich.

Die drei Flötenspielerinnen hatten alles beobachtet und waren herbeigehuscht; sie spielten den Lieblingsreigen von Elena, und sie ging, umhüllt und wie betäubt vom Rosenduft, auf die Tanzfläche. Die Männer lehnten in Diskussionen und im Würfelspiel vertieft auf ihren Bänken und Polstern; die Frauen in ihrer Nische hinter dem Wasserbecken schwätzten und summten; es kümmerte sich niemand darum, dass Elena allein auf der Tanzfläche war. Sie hob die Hände, zog ihre Kämme aus dem Haar, streifte ihre Sandalen ab, schloss die Augen und ließ sich durchdringen vom Flöten- und Harfenspiel. Sie wiegte sich im Rhythmus der Melodie; sie schien zu schweben, der Steinboden unter ihren Füßen trug sie von einem Tanzschritt zum nächsten. Als die Musik sie zu schnelleren Drehungen jagte, umhüllte der Rosenduft sie mehr und mehr, und obwohl sie kaum noch den Boden unter ihren Füßen spürte, verlor sie nicht das Gleichgewicht, so abgeschirmt von aller Welt tanzte sie.

Schließlich blieb sie erschöpft stehen, verbeugte sich; dann öffnete sie ihre Augen und schaute in eine Menschenmenge. Aratos, Dioskoros, Ramyrakis, die Gäste starrten Elena an.

»Wie eine Göttin«, stammelte Dioskoros....