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Gespensterwald - Phantastische Geschichten aus Mecklenburg-Vorpommern

Gespensterwald - Phantastische Geschichten aus Mecklenburg-Vorpommern

Horst Dietrich Schulz

 

Verlag Spica Verlag, 2022

ISBN 9783985030934 , 426 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

21,99 EUR


 

  1. Gespensterwald

Gespenster, Elfen und Zwerge

An zwei oder drei Stellen gibt es in Mecklenburg dunkle Wälder, über die in Märchen und Sagen als Aufenthaltsort der unterschiedlichsten Gespenstern berichtet wird, und meist rechnet man dabei die Elfen und die Zwerge ebenfalls zu den Gespenstern. Der bekannteste Gespensterwald ist der an der Ostseeküste nur wenig westlich der kleinen Ortschaft Nienhagen. Tagsüber ist das ein fast normaler Buchenwald an der Steilküste, und bei schönem Wetter freuen sich viele Spaziergänger an den vom Seewind oft seltsam geformten Bäumen. Gespensterwald, so sagt man, werde dieser Wald eben wegen seiner so besonders gewachsenen Bäume genannt.

Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit, denn merkwürdig gewachsene Bäume gibt es in fast allen Wäldern, aber Gespenster eben nicht. So werden aus dem Gespensterwald auch schon seit langer Zeit allerlei äußerst merkwürdige Ereignisse berichtet, in denen Zwerge und Elfen von verschiedenen und durchaus vertrauenswürdigen Zeugen beobachtet wurden. In ganz unterschiedlichen Fällen aus verschiedenen Zeiten wurden dabei von Menschen, die nichts voneinander wissen konnten, jeweils unabhängig Elfen und Zwerge ganz ähnlich beschrieben.

Auch tauchen immer wieder Berichte auf, in denen jemand in einem solchen Wald plötzlich einem Menschen begegnete, der schon seit langer Zeit verschollen und vermutlich auf See geblieben war. Oft erschien der Verschollene dann nach mehreren Jahrzehnten jung geblieben und in genau demselben Alter, in dem er damals verschwunden war. Da sich diese Begegnungen meist bei Nacht und Nebel ereigneten, wurden solche Wiedergänger als Gespenster immer gefürchtet und auch gehasst.

Besonders oft wird von Begegnungen mit Zwergen berichtet, wobei diese Wesen nicht nur als kleine Menschen, sondern stets mit gedrungenem Körperbau, charakteristischer Kleidung und ganz bestimmten Verhaltensweisen beschrieben werden. Häufig sind sie wortkarg und mürrisch, manchmal jedoch auch freundlich und hilfsbereit. Immer haben sie die Fähigkeit, sich mit Hilfe einer besonderen Kopfbedeckung unsichtbar zu manchen, und in machen Fällen nutzten sie die Unsichtbarkeit wohl auch für Streiche und kleinere Diebereien. Grundsätzlich sind sie jedoch nicht boshaft, sondern sie reagieren nur verärgert und streitbar, wenn man sie belauert oder ihnen gar nachstellt.

Ein besonders gewitzter Bauernsohn hatte einmal zufällig im Wald beobachtet, wie sich Zwerge aus ihrer Wohnhöhle die unsichtbar machenden Kappen heraus zuwerfen ließen. Schnell ging er hin und erhielt so auch eine Tarnkappe der Zwerge. Als er die aufsetzte, da wurde er nicht nur selber unsichtbar, sondern er konnte nun auch die unsichtbaren Zwerge sehen und ihnen deshalb ganz einfach folgen und sie ausspionieren. Nach einiger Zeit merkten dies die Zwerge aber trotzdem, nahmen ihm die Mütze wieder weg und verpassten ihm derartige Prügel, dass er einige Tage das Bett hüten musste und sich nie wieder in den Gespensterwald traute.

Deutlich seltener wird von Begegnungen mit Elfen berichtet. Alle Menschen, die einmal einer Elfe begegneten, beschreiben sie als besonders zarte Frauengestalt von überirdischer Schönheit, die von schwachem und unwirklichem Licht umgeben mehr durch den Wald schwebt als geht. Immer wenn jemand versuchte eine Elfe anzusprechen, dann wandte sie sich langsam dem Betreffenden zu, sah ihn lange ernst aus tiefblauen Augen an, wurde dann erst durchscheinend, bevor sie ganz verschwand.

Dennoch hat es Menschen gegeben, die längere Zeit mit Elfen und Zwergen in engem Kontakt standen, ja sogar über viele Jahre mit ihnen zusammenlebten. In jüngerer Zeit ist hier die äußerst merkwürdige Geschichte von Klaus Stolten bekannt geworden, die er selber einmal im Vertrauen erzählt, dann später aber meist wieder bestritten hat. Diese Geschichte enthält eine Reihe von Details, die ähnlich auch in verschiedenen älteren Berichten von Elfen und Zwergen vorkommen, so dass sie wohl als weitgehend authentisch anzusehen ist und daher hier berichtet werden soll.

Der Weg zu den Elfen und Zwergen

In Rostock hatte Klaus Stolten Agrarwissenschaften studiert, und nach Abschluss des Studiums auch gleich eine sehr interessante Stelle in Nienhagen bei der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) „Nordlicht“ erhalten. Nur knapp ein Jahr später verlor er diese Stelle jedoch wieder, weil er nach der Wende an seinem bisherigen Arbeitsplatz plötzlich nicht mehr gebraucht wurde. Es folgte eine Zeit von fast zwei Jahren, in denen er mal hier, mal dort außerhalb seines Fachs jeweils kurze Zeit beschäftigt war, bis er endlich eine anspruchsvolle Stelle in einem jetzt privaten landwirtschaftlichen Betrieb fand. Nun wollte er auch endlich seine geliebte Freundin Susanne heiraten. Alles war für die große Hochzeit und die Familienfeier vorbereitet, die Termine standen fest, die Gäste waren eingeladen, das Festtagsessen im guten Restaurant ausgewählt und bestellt.

Eine gute Woche vor der Hochzeit ging Klaus Stolten nach der Arbeit noch ein wenig zusammen mit seinem Großvater Johann Stolten spazieren, an der Steilküste entlang auf dem Weg, der durch den Gespensterwald führt. Meist unterhielten sich die beiden bei solchen Spaziergängen über dies oder jenes Thema aus dem Bereich der Landwirtschaft. Von Klaus kamen dabei die Erkenntnisse der modernen Agrarwissenschaft, von Großvater Johann das alte überlieferte Wissen des Bauern. Heute aber sprach der alte Johann Stolten plötzlich ein vollkommen anderes Thema an.

„Sag mal Klaus, sind dir eigentlich hier im Gespensterwald schon mal Zwerge oder sogar Elfen begegnet?“

Klaus schaute seinen Großvater jetzt doch sehr erstaunt an.

„Wie kommst du denn auf die Idee? Das ist doch nichts als Spinnkram. Du willst doch hoffentlich nicht etwa behaupten, du hättest schon mal welche gesehen, oder? Dann würde ich nämlich erst einmal wissen wollen, ob du schon am Nachmittag Alkohol getrunken hast.“

Großvater Johann blickte versonnen und etwas lächelnd in den Wald hinein, und es dauerte eine ganze Weile, bevor er antwortete.

„Nun ja, betrunken bin ich um diese Tageszeit, wie du wohl weißt, ganz bestimmt nicht. Ich darf dir zwar leider keine Einzelheiten berichten, aber ich habe hier tatsächlich schon einige Zwerge kennengelernt, und besonders an eine Elfe erinnere ich mich gut und sehr gerne. Aber da du es dir überhaupt nicht vorstellen kannst, hast du wohl noch keine Wesen aus der anderen Welt gesehen. Aber was nicht ist, das kann ja noch werden. Denk an meine Worte, wenn es soweit ist, und grüße sie ganz herzlich von mir.“

Danach wollte Großvater Johann über dies Thema nichts mehr sagen, und sein Enkel Klaus wechselte auch gerne wieder zu einem landwirtschaftlichen Thema. Hier war er sicher, nicht an Verstand und Realitätssinn seines Großvaters zweifeln zu müssen.

In der folgenden Nacht hatte Klaus einen seltsamen Traum, den er sehr direkt erlebte und fast wie ein Stück Wirklichkeit empfand. Er sah sich selbst zu mitternächtlicher Stunde langsam durch den ihm gut bekannten Gespensterwald gehen. Nach einiger Zeit erblickte er zwischen den Bäumen einen Lichtschein und ging darauf zu. Bald erkannte er, dass dieses Licht von einer übergroßen weißen Lilie ausging, die mitten zwischen den ältesten Bäumen stand. Klaus verspürte den unwiderstehlich starken Drang, diese wunderschöne Blume näher zu betrachten und vielleicht sogar zu pflücken. Er trat daher näher heran und ging auf die Knie, aber im selben Augenblick, in dem er die Blume berühren wollte, da endete der Traum, und er war schlagartig wach. Den ganzen Tag über ließ ihn dieser Traum nicht wieder los, und er musste sich immer wieder fragen, was das alles wohl zu bedeuten habe. Aber letzten Endes erklärte er sich den Traum als Nachwirkung des merkwürdigen Gesprächs mit seinem Großvater über die Elfen und Zwerge im Gespensterwald.

Auch in den folgenden beiden Nächten wiederholte sich dieser Traum ganz genau in allen Einzelheiten, so dass Klaus endlich beschloss, in einer weiteren Nacht nicht ins Bett, sondern zu der bestimmten Stelle im Gespensterwald zu gehen. Und dort lief nun alles ganz genau wie in seinem Traum ab. Er sah den unwirklichen Lichtschein, er fand die wunderschöne große und schwach leuchtende Lilie, er kniete davor nieder, er berührte sie vorsichtig, und diesmal endete es nicht wie im Traum. Die Blüte verströmte einen wunderbaren Duft, der immer betörender wurde, je mehr sich Klaus ihr näherte. Als er sich endlich mit der Nase direkt über der Blüte befand, da war der Duft so intensiv, dass ihm davon die Sinne schwanden.

Als Klaus wieder aufwachte, lag er auf weiches Moos gebettet. Sein Kopf lag etwas höher, so dass sein erster Blick zu seinen Füßen hin gerichtet war. Aber nicht an seinen Füßen blieb sein Blick hängen, sondern an dem was davor stand, denn das waren drei Zwerge, die ihn irgendwie kritisch musterten. Als er sie anschaute, sprachen sie untereinander.

„Er sieht uns an, jetzt ist er wohl wieder wach und angekommen hier in unserer Welt.“

„Ich glaube, wir müssen uns aber keine Sorgen machen, diese Menschen sind zwar unangenehm groß, aber glücklicherweise auch etwas beschränkt.“

Und auch der dritte Zwerg gab ungeniert und laut seinen Kommentar.

„Na denn, Ayaïna wollte ihn haben, jetzt hat sie ihn also.“

Bei diesen Worten drehten sich die Zwerge um und gingen ohne sich auch nur einmal umzusehen davon in den Wald. Klaus sah ihnen fassungslos nach, bis sie zwischen den Bäumen verschwunden waren. Erst jetzt begann er sich etwas weiter umzusehen, und er bemerkte, dass hinter ihm irgendetwas leuchtete, wohl die schöne...