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Die Könige von Mecklenburg - 4. Band: Die Deutschen kommen

Die Könige von Mecklenburg - 4. Band: Die Deutschen kommen

Horst Dietrich Schulz

 

Verlag Spica Verlag, 2022

ISBN 9783985030972 , 458 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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19,49 EUR


 

Im Jahre 1203 nach Christi Geburt: Neues Land im Osten


Ein kräftiger feuchtkalter Wind trieb am niedrigen Himmel graue Wolken von der Nordsee her über das flache Marschland. Hin und wieder brachten Windstöße ein paar Regentropfen, manchmal kam für wenige Minuten sogar die Sonne heraus. Aber sie konnte Anfang März mit ihrem fahlen Licht noch nicht wärmen, und so gab es in der Dithmarscher Landschaft auch nur das wenige Grün, das noch aus dem vergangenen Jahr übrig geblieben war.

Am Rand des Dorfes Weslingburen stand die kleine Kate der jungen Familie Michaelssen, in der Karl mit seiner Elisabeth und den beiden kleinen Töchtern Anna und Barbara lebte. Nach der Sonntagsmesse war Elisabeth mit den beiden Mädchen noch zu einer Nachbarin gegangen, denn Karl hatte sie darum gebeten, weil sein Freund Jochen Dethloff Sorgen hatte und um ein ernstes Gespräch, vielleicht auch Hilfe gebeten hatte. Die Bauernhöfe der beiden Familien Michaelssen und Dethloff grenzten im Dorf unmittelbar aneinander, so waren die beiden jungen Männer schon seit den ersten Kindertagen eng miteinander befreundet. Nun saßen sie vor der Kate auf einer einfachen Bank und Karl wartete geduldig, bis Jochen zögernd das Gespräch begann.

„Gestern am Nachmittag und Abend war die Familie Jungmann bei uns zu Besuch. Johanna Jungmann und ich wollten bei dieser Gelegenheit den beiden Familien unsere Heiratspläne mitteilen – schließlich kennen und lieben wir uns seit langer Zeit und alt genug sind wir wirklich.“

„Ja gut, aber das weiß doch sowieso jeder im Dorf, dass ihr beide zusammen seid, oder?“

„Ich dachte ja auch, es sei eine reine Formsache und alle würden uns nur zu unseren Plänen beglückwünschen. Aber es kam anders. Irgendwie muss mein Vater vorher davon Wind bekommen haben, denn er bat gleich bei der Begrüßung allgemein um Gehör und verkündete seine Festlegung zur Zukunft des Bauernhofs der Familie Dethloff. Danach soll der Hof auf keinen Fall geteilt werden – obwohl er eigentlich dafür groß genug wäre. Auch soll er nicht mir und meinem Bruder gemeinsam gehören, sondern nur mein Bruder Paul soll künftig der Herr sein. Ich darf als Knecht auf dem Hof arbeiten und soll angemessen versorgt werden.“

„Aber Jochen, das ist doch in den meisten Fällen so üblich. Auch ich werde den Hof der Familie Michaelssen ja nicht erben, sondern ich lebe mit Elisabeth und den Kindern in dieser kleinen Kate und arbeite als Großknecht auf dem Hof meines Bruders. Du und ich, wir beide sind nun mal die Jüngeren und haben unsere älteren Brüder.“

Jochen Dethloff antwortete nicht gleich, sondern nickte ein paarmal nachdenklich mit dem Kopf, bevor er weitersprach.

„Ja, ja, das weiß ich selbstverständlich, damit musste ich schließlich immer rechnen, obwohl ich mit einer etwas besseren Stellung durchaus manchmal geliebäugelt hatte. Es hätte ja auch bestimmt niemandem wehe getan, wenn ein kleiner Teil des Hofes in meine Verantwortung gelangt wäre. Aber das eigentlich Schlimmste habe ich noch gar nicht erzählt.“

„Was kann schlimmer sein, als nichts zu erben?“

„Es ist die Reaktion meiner lieben Johanna. Von dem Augenblick dieser Mitteilung an kümmerte sie sich nur noch um meinen Bruder Paul, war ständig bei ihm und machte ihm schöne Augen. Schon beim Abendessen erhob sich Johannas Vater, der alte Friedrich Jungmann und verkündete die Verlobung seiner Tochter mit dem Bauern Paul Dethloff.“

Diese Nachricht war auch für Karl so überraschend, dass er eine ganze Weile darüber nachdenken musste. Schließlich begriff er, was die beiden Familien seinem Freund angetan hatten.

„Das kann nicht so ganz spontan geschehen sein. Wahrscheinlich hat deine liebe Johanna ihrem Vater vorher von euren Plänen berichtet, weil sie als gehorsame Tochter sein Einverständnis zur Hochzeit erlangen wollte. Und Friedrich Jungmann, der alte Fuchs, hielt deinen Bruder Paul eben für den wohlhabenden und damit besseren Schwiegersohn. Bestimmt hat er sich darüber sofort mit deinem Vater und deinem Bruder Paul abgesprochen und Johanna hat als folgsame Tochter ganz brav mitgemacht. Schließlich kommt für sie dabei heraus, dass sie die Bäuerin auf einem großen Hof wird und nicht nur die arme Ehefrau eines Knechts.“

Jochen nickte dazu.

„Ja, ja, so etwa wird es wohl abgelaufen sein. Aber kannst du mir auch sagen, was ich jetzt weiter machen soll?“

„Da Johanna die Pläne zur Hochzeit mit dir so schnell aufgegeben hat, hättest du dich auf ihre Liebe sowieso nicht wirklich verlassen können. Sieh es einfach so, dass du zu dieser Einsicht somit gerade noch rechtzeitig gelangen konntest. Im Übrigen haben auch andere Mütter schöne Töchter…“

„Das mag alles vollkommen richtig sein, aber wie kann ich zukünftig auf dem Dethloff-Hof ein Knecht sein, um ständig vom glücklichen Paar der Jungbauern Paul und Johanna meine Anweisungen zu erhalten?“

Wieder dachte Karl eine Weile nach, bevor er vorsichtig antwortete.

„Und was willst du sonst machen? Gut, du kannst auf einem anderen Hof als Knecht anfangen, aber auf dem Dethloff-Hof bist du immerhin der Bruder des Bauern. Auf einem anderen Hof wärst du ein Niemand, ein junger Knecht, der erst zeigen muss, was er kann.“

„Immer noch besser, als der Knecht meines Bruders und seiner jungen Frau zu sein, die eigentlich mich hatte heiraten wollen. Soll ich etwa von meiner Knechtskammer aus mitbekommen, wie sie abends gemeinsam glücklich ins Bett gehen? Soll ich am Ende noch der Patenonkel eines ihrer Kinder und Hoferben werden?“

„Und wohin willst du gehen? Meines Wissens wird hier bei uns in Weslingburen kein Bauer in nächster Zeit einen weiteren Knecht einstellen. Es gibt einfach zu viele, die jüngere Söhne sind – so wie wir beide. Also noch einmal, wohin willst du gehen?“

Jochen blickte nur ohne Hoffnung still in die Ferne und zuckte ein paarmal mit den Schultern. Nach einer Weile begann Karl vorsichtig weiterzusprechen.

„Auch ich habe übrigens schon daran gedacht, von hier wegzugehen. Ich bin zwar jetzt mit meiner Elisabeth auch in dieser kleinen Kate durchaus glücklich, aber der Gedanke daran, hier mein Leben lang der Knecht meines Bruders zu sein, bedrückt mich doch sehr. Ich habe mich seit einiger Zeit umgehört, welche Möglichkeiten es woanders gibt.“

Jochen hatte schnell und interessiert den Kopf gehoben.

„Und? Hast du etwas gefunden?“

„Vielleicht. Ich war vor ein paar Wochen erst in Heyde, dann in Mildorp und habe mich im Umfeld des Dithmarscher Overboden umgehört. Es wird dort ein Aufruf unseres Grafen Adolf und des Herzogs Bernhard verbreitet, der um deutsche Neusiedler im Osten Holsteins und auch in den erst kürzlich eroberten neuen Ostgebieten des Reiches wirbt. Jeder kräftige und gesunde junge Mann bekommt dort ein gutes Stück Bauernland, das er in den ersten zehn Jahren ohne alle Abgaben und Steuern bewirtschaften kann.“

„Und wieviel Bauernland bekommt man dort?“

„Jeder soll kostenlos eine fertig gerodete Hufe bekommen und gegen eine geringe Zahlung gibt es noch eine zweite Hufe, die allerdings noch nicht gerodet ist. Das Haus muss man sich selber bauen, Vieh und Saatgetreide muss man mitbringen oder dort kaufen.“

„Hört sich nicht schlecht an, aber wie groß wird dort eine Hufe gerechnet?“

„Mir wurde vom Schreiber des Overboden gesagt, dass sie dort die Hufe in fünfundzwanzig Morgen teilen, was nach unserer Rechnung wohl etwa fünfzehn bis siebzehn Tagewerk sind – und es soll wirklich gutes Acker- und Weideland sein. Jedenfalls ist es genug Land, von dem eine Bauernfamilie gut leben und später auch die Abgaben und Steuern bezahlen kann.“

Jochen kamen nun Zweifel. Irgendwie klang das alles viel zu schön, um wirklich wahr zu sein. Wo war nur der Haken?

„Wenn das alles so großartig ist, warum bist du dann nicht gleich dorthin aufgebrochen. Da gibt es doch ganz bestimmt auch Schwierigkeiten oder sogar Gefahren, oder?“

„Ja, die habe ich auch etwas mühsam aus dem Schreiber herausgefragt. Im Osten von Holstein, also in Wagrien oder im Ratzeborger Land gibt es nur noch einzelne freie Stellen, die aus irgendwelchen Gründen den Neusiedlern bisher nicht so gefallen haben. Für richtig gute Bauernstellen muss man weiter nach Osten bis nach Meklenborg ziehen. Da gibt es viel freies Land, aber es gibt auch noch Wenden, die dort schon seit langer Zeit leben. Es sind zwar nach den langen und blutigen Kriegen nicht mehr sehr viele, aber sie werden die Neusiedler ganz bestimmt nicht freundlich begrüßen.“

„Und wie sollen wir uns vor denen schützen? Müssen wir etwa immer Waffen bei uns haben, auch bei der Arbeit auf den Feldern?“

„Nein, natürlich nicht. In Meklenborg herrscht der wendische Fürst Heinrich Borwin. Er ruft gemeinsam mit seinen Grafen und Rittern die deutschen Bauern in sein Land, damit sie es urbar machen, besiedeln, bearbeiten und nutzen. Sie sollen nämlich später an ihren Herrscher auch genug Steuern zahlen. Alle Herren wollen und werden die Neusiedler daher gegen jeden Übergriff schützen, denn nur wenn es denen gut geht, kommen auch sie später zu ihren Einnahmen.“

„Das hört sich nicht schlecht an! Dann kann man doch in Meklenborg in einem neuen Dorf auch nicht viel anders leben als hier bei uns, oder? Daher meine Frage: Warum bist du mit deiner Elisabeth und den beiden Mädchen nicht sofort losgezogen?“

„Ich weiß ja erst seit zwei bis drei Wochen von dieser Möglichkeit, und erst kürzlich habe ich Elisabeth davon erzählt. Sie war – anders als ich – sofort dafür. Sie möchte viel lieber Bäuerin im fernen Meklenborg sein...