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The Other Emily - Die Doppelgängerin - Thriller

The Other Emily - Die Doppelgängerin - Thriller

Dean Koontz

 

Verlag Festa Verlag, 2022

ISBN 9783986760137 , 464 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

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5,99 EUR


 

4

Am nächsten Abend, an einem Donnerstag, war die hufeisenförmige Bar schon früh gut besucht. Gut gekleidete Singles in ihren Zwanzigern und Dreißigern tranken sich in Stimmung und waren auf der Jagd nach jemandem, mit dem sie anbandeln konnten – aber nicht zu offensichtlich. Eifer konnte leicht als Verzweiflung fehlinterpretiert werden. Es war ein wohlhabendes Publikum, das Verzweiflung eher mit wirtschaftlicher als mit emotionaler Not verband. Männer wie Frauen scheuten vor jedem zurück, dessen gesamtes Nettovermögen in der Kleidung und dem Schmuck stecken könnte, die er trug, und der womöglich auf einen Fang aus war.

An der Bar war es David zu voll. Er gab der Kellnerin ein Trinkgeld für den Fenstertisch, an dem er am Abend zuvor gegessen hatte. Sie brachte ihn an seinen Platz und sorgte dafür, dass der Kellner ein Glas Caymus Cabernet brachte, als er die Serviette entfaltete und auf seinen Schoß legte.

Die Erwartung, die am Vorabend seine Nerven angespannt hatte, stieg wieder in ihm auf. Er ging nicht davon aus, dass sich daraus etwas ergeben würde. Das tat es nie.

In der Nähe im Hafen ruderten zwei Frauen um die 20 in Bikinis auf Paddleboards an den Docks vorbei und kamen so mühelos voran, dass sie sich gleichzeitig angeregt unterhielten und vergnügt lachten.

Sie waren schön und attraktiv, mit gebräunten und seidigen Gliedmaßen, aber obwohl sie in David ein gewisses Bedürfnis weckten, erfüllten sie ihn nicht mit echtem Verlangen.

Die aufgeblähte Sonne war noch fünf Minuten davon entfernt, im Meer zu versinken, als er in Richtung der lärmenden Bar blickte und sie sah. Er erstarrte mit dem Weinglas auf halbem Weg zum Mund und vergaß für einen Moment, dass es noch in seiner Hand war.

Sie spielte in der Liga jener Schönheiten, die dumme Männer zu Torheiten verleiten und klügere Männer an ihren Unzulänglichkeiten verzweifeln lassen.

Er dachte, er müsse sich täuschen. Dann schaute sie in seine Richtung und blickte ihn einen Moment lang von ferne an, und er stellte aus Angst, den Cabernet zu verschütten, sein Glas ab.

Ihr Blick verweilte weder auf David noch auf sonst jemandem. Sie wandte ihren eleganten Kopf dem Barkeeper zu, als er ihr einen Martini servierte.

Am Horizont stehend, warf die aufgeblähte Sonne apokalyptisches Licht durch die riesigen getönten Fenster.

Das Restaurant und die Bar nahmen einen enormen Raum ein, der so gestaltet war, dass die Gäste sehen und von einem möglichst großen Publikum gesehen werden konnten. Doch als sich der Raum mit dem fantastischen Licht des sterbenden Tages füllte, hatte David das Gefühl, dass alle außer ihm und dieser Frau sich in Luft aufgelöst hatten.

Die Sonne ging unter, die Nacht brach herein wie eine Flut, und das Restaurant verblasste zu einem romantischen Schimmer.

Obwohl er es in Erwägung zog, die Frau an der Bar anzusprechen, wagte er es nicht.

Sie konnte gewiss nicht echt sein.

Er bestellte ein zweites Glas Cabernet und das Filet mignon und beobachtete sie während der nächsten Stunde heimlich. Sie sah ihn nicht mehr an.

Die anderen Frauen an der hufeisenförmigen Bar erkannten in ihr unerreichbare Konkurrenz und verachteten diese schwarzhaarige, blauäugige Schönheit.

Ein paar Männer brachten den Mut auf, sie anzusprechen, aber sie wies sie sanft mit einer kurzen Unterhaltung und einem reizenden Lächeln ab. Ohne Ausnahme schienen sie zu glauben, dass eine höfliche Zurückweisung durch sie eine Art Triumph sei.

Nach und nach fanden sich Paare und gingen zum Abendessen über oder brachen gemeinsam auf, und diejenigen, die keinen Erfolg hatten, steigerten entweder ihren Alkoholkonsum oder zogen weiter zur nächsten Bar.

Sie bestellte einen zweiten Martini und nahm dann ihr Abendessen an der Bar mit einem Glas Rotwein ein. Sie aß mit einem Appetit und einer Konzentration, die David vertraut waren.

Die Erwartung, die zwei Abende hintereinander von ihm Besitz ergriffen und die sich mit der Ankunft dieser Frau erfüllt hatte, war gewiss mehr als bloße Hoffnung oder Intuition. Ein seltsames Schicksal schien sich abzuspulen.

Er bezahlte seine Rechnung und begab sich mit seinem halb vollen Glas Wein an die Bar, wo er sich auf dem Hocker neben ihrem niederließ.

Sie sah ihn nicht einmal an, sondern konzentrierte sich auf den letzten Bissen ihres Steaks.

David wusste nicht, was er zu ihr sagen sollte. Seine Kehle fühlte sich geschwollen an und er hatte Schwierigkeiten zu schlucken. Ihm war leicht zumute vor Hoffnung und schwer wegen der Angst vor einer Enttäuschung.

Als sie fertig war, die Gabel ablegte und einen Schluck Wein trank, sagte er schließlich: »Wo bist du all die Jahre gewesen?«

Sie leckte sich die Lippen, wobei ihre Zunge sich mit besonderer Sorgfalt um den rechten Mundwinkel kümmerte, so wie er es vorausgeahnt hatte.

Als sie ihm ihre Augen zuwandte, waren sie in zwei Blautönen gestreift und strahlten wie Juwelen.

»Von einem Schriftsteller hätte ich eine bessere Anmache erwartet.«

Sein Herz hatte sich beengt angefühlt, wie vom Narbengewebe einer alten Wunde gefesselt. Jetzt löste es sich aus diesen Knoten und schlug wie das unversehrte und gesunde Herz eines Jungen.

»Ich hatte Angst … Angst, du würdest sagen, dass du mich nicht kennst.«

»Viele lesen wahrscheinlich nicht, ich aber schon. Ich habe immer gedacht, dass Sie so ganz anders aussehen als das, was Sie schreiben.«

Das Hochgefühl, das in ihm aufgestiegen war, schwand nun dahin. »Daher kennen Sie mich – von den Fotos auf den Buchumschlägen?«

Sie legte den Kopf schief und sah ihn mit einem halben Lächeln fragend an.

»Nun, ich habe Sie nicht im Fernsehen gesehen. Ich sehe nie fern.«

Ihr Blick war ihm schmerzlich vertraut, nicht nur seine Farbe, sondern auch seine Direktheit.

»Sie spielen nicht irgendein Spiel?«

»Spiel? Nein. Sie etwa?«

Er erkaufte sich einen Moment des Schweigens, indem er einen Schluck Wein trank. »Ich glaube nicht an erstaunliche Zufälle.«

»Welcher Zufall hat Sie denn gerade in Erstaunen versetzt?«

»Emily.«

»Wie bitte?«

»Ihr Name ist Emily.«

»Mein Name ist Maddison.«

»Dann müssen Sie eine Schwester namens Emily haben.«

»Ich bin ein Einzelkind.«

»Ich wusste nie von einer Schwester.«

»Weil es keine gibt.«

»Das ist merkwürdig.«

»Was denn?«

Sie war zu jung. Das sah er jetzt. Ein Jahrzehnt zu jung, aber ansonsten war sie ein genaues Ebenbild.

»Sie sind zu jung.« Er wollte den Gedanken nicht laut aussprechen.

Sie nippte an ihrem Wein, stützte einen Ellbogen auf die Bar und legte ihr Kinn in die Hand, genau wie Emily es getan hatte, und betrachtete ihn einen langen Moment. »Das hat sich zu einer viel besseren Anmache entwickelt. Am Anfang war es echt lahm. ›Wo bist du mein Leben lang gewesen?‹«

»Es war ›Wo bist du all die Jahre gewesen?‹«

»Wie auch immer. Aber Sie haben es in den anschließenden Fassungen erheblich aufpoliert, um eine schöne geheimnisvolle Note ergänzt.«

Er fühlte sich verwirrt. Als wäre er in ein Paralleluniversum abgedriftet. »Zehn Jahre. Sie war 25, als ich sie zuletzt gesehen habe.«

»Ich bin 25.«

»Aber Sie sind nicht Emily.«

»Ich bin froh, dass wir uns da endlich einig sind.«

Er erinnerte sich nicht daran, seinen Wein ausgetrunken zu haben, aber sein Glas war leer. »Keine zwei Menschen, die nicht miteinander verwandt sind, könnten sich so ähnlich sehen. Sie müssen eine ältere Schwester haben, von der Sie nichts wissen.« Er holte sein Smartphone aus einer Jackentasche. »Darf ich ein Foto von Ihnen machen?«

»Das ist alles, was Sie von mir wollen – ein Foto?«

Die Frage ließ ihn verblüfft zurück.

»Was ist mit Ihrem jüngeren Bruder?«, fragte sie.

»Ich habe keinen Bruder, weder jünger noch sonst wie.«

»Schade. Er hätte mich jetzt vielleicht schon nach Hause gebracht.«

»Sie spielen mit mir. Genau wie sie es getan hat.«

»Sie ist die sagenumwobene Emily, nehme ich an.«

»Sie würden nicht mit mir nach Hause gehen, wenn ich Sie fragte. Emily war nicht so leicht zu haben und Sie sind es auch nicht.«

Maddison zuckte mit den Schultern. »Als ob Sie mich kennen würden. Wenn Sie nur ein Foto wollen, machen Sie ruhig eins.«

Er machte drei. »Wie ist Ihr Nachname?«

»Sutton. Maddison Sutton.« Als er das Telefon weglegte, fragte sie: »Was nun?«

Er tat sich nicht leicht mit solchen Dingen, nicht dieser Tage, nicht seit Emily. »Es gibt einen Altersunterschied.«

»Meine Güte, Sie sind doch erst 30.«

»37.«

»Ich nenne Sie Opa, Sie können mich Lolita nennen.«

»Okay, es ist kein Jahrtausend. Würden Sie mit mir zu Abend essen?«

»Ich habe gerade zu Ende gegessen. Sie auch.«

»Morgen Abend.«

»Ich habe Zeit.«

»Ist dieses Lokal in Ordnung?«

»Es ist wunderbar teuer.«

»Ich hole Sie um 17:30 Uhr ab.«

»Lassen wir es langsam angehen. Ich treffe Sie hier.«

»Eben wollten Sie noch mit mir nach Hause gehen.«

»Nicht mit Ihnen. Mit Ihrem Bruder.«

Obwohl er durch ihre Ähnlichkeit mit...