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Protect and Defend - Die Bedrohung - Ein Mitch Rapp Thriller

Protect and Defend - Die Bedrohung - Ein Mitch Rapp Thriller

Vince Flynn

 

Verlag Festa Verlag, 2022

ISBN 9783986760038 , 448 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

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4,99 EUR


 

1

Puerto Golfito, Costa Rica

Mitch Rapp strich mit der Hand an ihrem glatten nackten Oberschenkel entlang, rauf zur Taille, dann runter zum flachen Bauch. Sein Körper war über die volle Länge gegen ihren gepresst, ihr Kopf ruhte auf seinem Arm. Diese Entwicklung gehörte nicht zum Plan, und doch überraschte es ihn nicht. Es hatte Andeutungen gegeben. Verstohlene Blicke, Bemerkungen, nur halb im Scherz gemeint. Die Spannung zwischen ihnen hatte sich fast ein ganzes Jahr lang aufgebaut. Jeder von ihnen rätselte im Stillen, ob es jemals zu dieser nächsten Stufe kam. Und dann waren sie in dieser abgelegenen Villa mit Blick auf den ruhigen Strand abgestiegen. Die warme, feuchte Luft, die tosende Brandung, die Tequila-Shots – all das entlud sich in einer überwältigenden sexuellen Spannung.

Rapp küsste ihre nackte Schulter, stieß mit der Nase spielerisch eine Locke ihres seidigen schwarzen Haares an und lauschte der Atmung. Sie war fest eingeschlafen. Er lag einen langen Moment einfach nur still da, völlig berauscht vom Geruch und dem Hautkontakt der attraktiven Frau neben ihm. Schon lange hatte er sich nicht mehr so lebendig gefühlt, obwohl die Schuldgefühle in den Tiefen seines Gewissens lauerten und darauf warteten, im passenden Augenblick an die Oberfläche zu drängen. Er spürte, wie sie an seiner Psyche nagten und sich bemerkbar machten. Es zwang ihn, an Erlebnisse zu denken, die er zu gern verdrängt hätte; wohl wissend, dass das unmöglich war.

Er zog sich von ihr zurück, rollte sich auf den Rücken und starrte zum Deckenventilator hinauf. Kerzen flackerten im Rhythmus der Brise und warfen ein schwaches Licht auf die sich langsam drehenden Flügel und die dunklen, gebeizten Holzsparren darüber. Jenseits der offenen Balkontüren wogten Wellen an den Strand. Es war inzwischen zwei Jahre her, dass eine Bombe sein Haus an der Chesapeake Bay zerstört und seine Frau und das Kind in ihrem Bauch getötet hatte. Seit diesem tragischen Tag hatte er nicht ein einziges Mal ruhig geschlafen. In dieser Nacht würde es nicht anders sein.

Sie waren an jenem Herbstnachmittag seinetwegen gekommen – nicht wegen ihr. Die Schuldgefühle aufgrund ihres Todes trieben ihn in die Höhen der Wut und in die Täler des Schmerzes. Wie naiv, sich einzubilden, er könne sesshaft werden und eine Familie gründen. Es gab zu viele Feinde. Zu viele Verwandte der Männer, die er getötet hatte. Zu viele Regierungen und mächtige Individuen, die sich nichts sehnlicher wünschten als Mitch Rapp mit dem Gesicht voran in einer Lache des eigenen Bluts enden zu sehen. Es gab Momente, Momente tiefer Verzweiflung, in denen Rapp sich im Stillen danach sehnte, dass einer von ihnen sein Ziel erreichte. Er begrüßte die Vorstellung. Vielleicht gelang es einem von ihnen, ihn von diesem ganzen Elend zu erlösen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es ausgerechnet in dieser Nacht passierte, war jedoch gering bis nicht vorhanden. Anders als das, was seine aktuelle Bauchlage und die neben ihm liegende Frau vermuten ließen, war Rapp nicht Tausende von Meilen für ein romantisches Abenteuer gereist. Kurz gesagt hielt er sich an diesem tropischen Flecken Erde auf, um einen Mann zu ermorden. Einen narzisstischen politischen Agenten, der selbstsüchtig seine Bedürfnisse und die seiner Partei über Amerikas Interessen gestellt hatte. Seine Intrigen beeinflussten den Verlauf der letzten Präsidentschaftswahlen und führten zum Tod Dutzender unschuldiger Menschen. Mit jeder Woche, die verstrich, wurde offensichtlicher, dass der Mann glaubte, damit durchzukommen. Tatsächlich wussten nur wenige Leute von seiner Rolle in diesem perversen Spiel. Dumm für ihn, dass sie nicht zu denen gehörten, die Verrat ungestraft zuließen.

Rapp und sein Team hatten den Mann fast ein ganzes Jahr lang observiert. Anfangs verlief die Überwachung extrem passiv. Die Zielperson hielt sich auf der einen Seite Amerikas auf, Rapp und seine Leute auf der anderen. Sie verfolgten ihn auf elektronischem Weg über Belastungen der Kreditkarte und Abhebungen an Geldautomaten. Als die Monate ins Land zogen und das Ziel anfing, seine Wachsamkeit zu vernachlässigen, erweiterten sie ihren Maßnahmenkatalog. Abhörgeräte wurden in der Nähe von Wohnung, Büro und eigenem Boot versteckt, mobile Telefonate überwacht. Auf Computern schleusten sie Spyware ein und verfolgten ab diesem Punkt jede seiner Bewegungen, um nach eingefahrenen Mustern und günstigen Gelegenheiten zu forschen.

So stießen sie auf eine geplante Reise, einen einmonatigen Trip von San Diego runter nach Panama und wieder zurück. Er wollte sein nagelneues, zwei Millionen Dollar teures Boot persönlich einem Check auf Seetauglichkeit unterziehen. Rapp beschaffte sich die komplette Reiseroute und schickte ein Team los, um die angelaufenen Häfen vorab auszukundschaften. Die Zielperson in einem abgelegenen Provinzstaat auszuschalten, ging deutlich leichter von der Hand als auf US-amerikanischem Boden.

Es stellte sich heraus, dass Puerto Golfito der perfekte Ort für den Zugriff war. Das relativ überschaubare Fischerdorf konnte auf eine wachsende Tourismusindustrie verweisen. Kreuzfahrtschiffe legten mittlerweile ein paarmal wöchentlich an, um Passagiere von Bord gehen zu lassen. Der örtliche Handel florierte, die Nachfrage nach Immobilien boomte und die ganze Stadt befand sich im Aufwind. Die perfekten Rahmenbedingungen für zwei verliebte Reisende, um unbemerkt zu kommen und zu gehen. Soweit es die Operation betraf, sah er keine besondere Herausforderung. Dennoch bereitete ein Aspekt des Plans Rapp gewisse Sorgen. Die nackte Frau, die neben ihm lag, bestand darauf, diesen Mann persönlich ins Grab zu schicken.

Maria Rivera war die logische Wahl gewesen, um Rapp zu begleiten. Sie sprach fließend Spanisch und war hoch motiviert, wenn es um dieses konkrete Ziel ging. Vielleicht ein bisschen zu motiviert, was Rapp neben einem weiteren Aspekt zögern ließ. Sie war mehr als fähig, das Ziel auszuschalten, egal ob mit oder ohne Waffe, aber es fehlte ihr an praktischer Erfahrung. Es gab einen Grund, warum professionelle Killer typischerweise entweder aus den Special Forces oder von der Straße rekrutiert wurden. Beide Gruppen waren bezüglich der Anwendung von Gewalt abgestumpft. Sie hielten sie für ein valides Mittel zur Erreichung eines Ziels. Die Formel zum Erfolg gestaltete sich meist nicht komplizierter als Gewalt mit überlegener Gewalt zu kontern.

Die hübsche Latina neben ihm hatte weder die brutalen Straßen eines Gettos noch die raue, geheime Welt der Special Forces kennengelernt. Ganz im Gegenteil, sie verbrachte das letzte Jahrzehnt damit, für eine der besten Strafverfolgungsbehörden der Welt zu arbeiten. Maria Rivera besaß einen schwarzen Gürtel zweiten Grades und war ehemalige Secret-Service-Agentin. Als solche konnte sie hervorragend mit einer Pistole umgehen. Ihr hatte eine großartige Karriere bevorgestanden, bis eine Bombe eine ihr anvertraute Autokolonne in Stücke riss. Die anschließende interne Untersuchung sprach sie zwar von jeglicher Inkompetenz oder Schuld frei, aber in einem Business, in dem Erfolge unbemerkt blieben und Misserfolge als Dokumentationen auf dem History Channel landeten, wurde sie still und leise von der Überholspur entfernt und in ein Kellerabteil verfrachtet, wo ihr Ehrgeiz verkümmerte wie die ungenutzten Muskeln eines Komapatienten. Rapp erkannte, dass sie diesen Zustand nicht lange aushalten würde, also bot er ihr die Chance auf eine neue Karriere.

Offiziell arbeitete Rivera für eine private Sicherheitsfirma mit Hauptsitz in McLean, Virginia. Sie erhielt den Titel einer Vize-Vorstandschefin und wurde mit dem Personenschutz und der Abschätzung von Bedrohungspotenzialen betraut. Ihr Gehalt fiel dreimal so hoch aus wie beim Secret Service. Der Krieg gegen den Terror spülte privaten Anbietern eine Menge Geld in die Kassen. Ein Großteil ihrer Arbeit war legitim, aber mehr und mehr setzte Rapp sie für Angelegenheiten ein, die Langley vor der Presse und dem Kongress verheimlichen musste.

Dieser kleine Abstecher in den Süden war das perfekte Beispiel für eine solche Operation. Grundsätzlich hätte Rapp kein Problem damit gehabt, die Sache von einer handverlesenen Auswahl von Senatoren oder Kongressabgeordneten abnicken zu lassen, aber einem kompletten Ausschuss die Zustimmung abzuringen, ohne zum Speichellecker zu verkommen, war schlicht unmöglich. Ego und politischer Ehrgeiz genossen bei den meisten Staatsdienern Vorrang gegenüber nationalen Sicherheitsinteressen.

Rapp drehte sich um und sah Rivera an. Auch wenn der Job vergleichsweise simpel war, gab es absolut keinen Platz für Fehler. Sie mussten es wie einen Unfall hinstellen, sonst kamen zu viele Fragen. Steckte es wirklich in ihr, einen Menschen zu töten, oder meldete sich kurz vor dem entscheidenden Schuss ihr Gewissen zu Wort, das sie der jahrelangen Ausbildung bei den Strafverfolgungsbehörden verdankte, und ließ sie zögern? Grundsätzlich war es gar nicht so schwer, wie man meinen könnte, eine Person zu einem Mord zu bewegen. Ein Minimum an Training und eine Situation, in der man sich selbst oder seine Familie schützen musste, reichten in den meisten Fällen. Ein Secret-Service-Agent mit Hunderten von Ausbildungsstunden wandte dementsprechend effizient und ohne jedes Zögern tödliche Gewalt an, um einen bewaffneten Attentäter von einem Anschlag auf den Präsidenten abzuhalten.

Bat man denselben Agenten, einen unbewaffneten Zivilisten zu töten, begab man sich auf ungewisses Terrain. Selbst wenn die Schuldfrage eindeutig geklärt und die Strafe dem Vergehen angemessen war, fanden nur wenige Gesetzeshüter Freude an der Rolle des Henkers. Für den Agenten ging es nicht länger darum, auf...