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Quicksilver - Thriller

Quicksilver - Thriller

Dean Koontz

 

Verlag Festa Verlag, 2023

ISBN 9783986760571 , 512 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

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7,99 EUR


 

1

Mein Name ist Quinn Quicksilver – oder »Ku-Ku« für die gemeinen Kinder, als ich noch klein war –, aber ich kann meinen Eltern keinen Vorwurf machen, denn ich weiß nicht, wer sie sind. Kurz nach meiner Geburt wurde ich auf einem einsamen Highway ausgesetzt, sieben Meilen außerhalb von Peptoe, Arizona, wo 906 Leute so taten, als wäre der Ort, in dem sie lebten, tatsächlich eine Stadt. In eine blaue Decke eingewickelt und in ein weißes Körbchen aus Kunststoffschilf gebettet, hatte man mich auf dem mittleren von drei Teerstreifen abgestellt, wo ich kurz nach Sonnenaufgang gefunden wurde.

Man sollte glauben, dass es keinen schlechteren Start in ein Leben geben kann, aber seien Sie versichert, dass es noch viel schlimmer hätte kommen können. Zum einen war dies das Land der Kojoten. Hätte mich eine dieser Kreaturen gefunden, sie hätte mich nicht gesäugt, so wie die Wölfin es tat, die den ausgesetzten Romulus, den Gründer Roms, fand und rettete. Nein, sie hätte mich als eine Fast-Food-Essenslieferung betrachtet. Ich hätte auch von einem Sattelschlepper überfahren werden und als Pastete für Aasgeier enden können.

Zum Glück wurde ich von drei Männern auf dem Weg zu ihrer Arbeit gefunden. Der erste, Hakeem Kaspar, war ein Leitungsmonteur für den Verwaltungsbezirk, so wie in dem Song von Glen Campbell, den ich immer reizend, aber auch ein wenig seltsam fand. Natürlich hatte ich ihn damals, als ich auf dem Highway gefunden wurde, noch nicht gehört. Der zweite, Bailie Belshazzer, arbeitete als Chefmechaniker für einen der ersten Windparks im Land. Der dritte, Caesar Melchizadek, war der Pit Manager für die Blackjack-Tische in einem Indianercasino.

Laut einem Zeitungsartikel aus jener Zeit machte es mir Hakeem in dem Fußraum der Beifahrerseite seines Trucks von der Elektrizitätsgesellschaft bequem und fuhr mich zum Büro des County-Sheriffs. Bailie und Caesar folgten ihm in ihren Fahrzeugen. Warum sie es für nötig hielten, mich zu dritt den Gesetzeshütern zu übergeben, stand nicht in dem Artikel. Mehr wusste ich von diesen Männern nicht, bis ich, Jahre später und um mein Leben rennend, einen von ihnen in der Hoffnung aufsuchte, irgendein kleines Detail zu erfahren, das mir einen Hinweis darauf geben würde, wer und was ich bin.

Eine Sicherheitsnadel befestigte einen kleinen Briefumschlag an der Decke, in die ich eingewickelt war. Weder Hakeem noch Bailie noch Caesar hatten es gewagt, ihn zu öffnen, weil sie offenbar jahrelang Fernsehserien wie CSI geguckt hatten und befürchteten, dass sie die Fingerabdrücke des Kidnappers verwischen könnten. Entweder vermuteten sie, dass mich irgendein Unmensch entführt hatte, der dann die Nerven verlor und mich an jenem heißen Morgen meinem Schicksal überließ, oder sie glaubten, dass irgendwer meine Eltern verschleppt hatte und nun von mir ein Lösegeld verlangte. Als der Sheriff den Umschlag aufriss, fand er darin nur eine Karte, auf die QUINN QUICKSILVER und mein Geburtsdatum gedruckt waren.

In jenen Tagen gab es niemanden im Staat Arizona mit dem Nachnamen »Quicksilver«. Trotzdem vermuteten alle sofort, dass das mein Name war. Seither trage ich ihn mit mir herum. Natürlich steht der Name auch für Quecksilber oder Merkur, das flüssige Metall, das nach dem römischen Gott Mercurius benannt worden ist. Er war der Bote der anderen Götter und wurde für seine enorme Geschwindigkeit geschätzt – der Typ konnte wie verrückt beschleunigen. Und auch wenn Quinn als eine andere Form von Quentin verwendet wird, so entstammt der Name dem lateinischen Begriff quintus, was »der Fünfte« oder, in gewissen Zusammenhängen, auch »fünfmal« bedeutet. Vielleicht war es also gar nicht mein Name, sondern eine geheimnisvolle Botschaft, die »fünfmal beschleunigen« besagte, auch wenn man solch einen Tipp in Baby-Ratgebern genauso wenig findet wie die Anweisung »in Olivenöl und Basilikumblätter einlegen«.

Dann wurde ich zu einem Mündel des Countys, dem jüngsten, das je der Kinderbetreuung überlassen wurde. Keine Pflegefamilie war bereit, einen drei Tage alten Säugling aufzunehmen, dessen einziger Besitz eine besudelte Wickeldecke war und der, in den Worten von Sheriff Garvey Monkton, »seltsame blaue Augen und einen unheimlich festen Blick für solch einen winzig kleinen Wicht« hatte. Später dann wurde ich ins Mater Misericordiæ geschickt, ein Waisenhaus in Phoenix, das von katholischen Nonnen geführt wurde.

Als ich sechs Jahre alt war, wurde allen klar, dass ich nicht adoptierbar war. Unter Adoptivkindern gelten die Säuglinge als die begehrteste Altersgruppe und landen schneller in einem stabilen Zuhause, als man »Guddiguddigu« sagen kann. Das liegt daran, dass Babys in der Regel niedlicher als ältere Kinder sind, von Rosemarys berühmtem Baby vielleicht einmal abgesehen, aber auch daran, dass nicht genug Zeit vergangen ist, um von ihren leiblichen Eltern verkorkst worden zu sein. Jeder grinsende Säugling ist eine Persönlichkeit im Entstehen und somit empfänglich, zu einem Spiegelbild seiner Adoptiveltern geformt zu werden. Doch obwohl ich eigentlich niedlich genug war und dazu noch bereit, mich wie Lehm kneten zu lassen, gab es keine Abnehmer für Quinn Quicksilver.

Mein Scheitern, ein endgültiges Zuhause zu finden, lag nicht an dem mangelnden Einsatz der guten Schwestern des Mater Misericordiæ. Sie sind so unermüdlich und raffiniert wie jeder andere Nonnenorden auf diesem Planeten. Sie entwarfen einen Vermarktungsplan für mich, erstellten eine wundervolle PowerPoint-Präsentation und priesen mich den angehenden Eltern so aggressiv an, wie Disney es mit Zeichentrickfilmen über Prinzessinnen und drollige Tiere macht. Doch es half alles nichts. Viele Jahre später erfuhr ich von der Begründung, mit der einige der interessierten Adoptiveltern mir eine Abfuhr erteilten, aber vielleicht spare ich mir ihre Kommentare lieber für später auf.

Das Waisenhaus war außerdem eine Schule, denn Kinder, die sechs und älter waren, blieben oft dort, bis sie 18 wurden. Die Schwestern, die als Lehrerinnen dienten, waren ausgezeichnete Wissensvermittler, und die Kinder wussten, dass es besser war, sich ihrer Schulbildung nicht zu widersetzen. Wer sein Potenzial nicht ausschöpfte, verbrachte eine Menge Zeit damit, den Abwasch zu erledigen, Kartoffeln zu schälen und die Wäsche zu machen, alles Aufgaben, die einem fleißigen Lernenden erspart blieben.

Die Schüler des Mater Misericordiæ gewannen ständig städtische und staatliche Buchstabierwettbewerbe, Debattierklub-Turniere und Wissenschaftspreise. Folglich wurden viele von uns von einigen der herausragendsten jungen Intellektuellen des Staates vermöbelt.

Großzügige Unterstützer des Ordens stellten Stipendien fürs College und für die Handelsschule für alle Interessierten bereit, zu denen ich aber nicht gehörte. Ich strebte eine Karriere als Schriftsteller an. Eine tiefgreifende Ahnung sagte mir, dass der falsche Universitätskurs für kreatives Schreiben meinem Stil jede Originalität austreiben könnte und mich in einen literarischen Roboter verwandeln würde.

Schwester Agnes Mary leitete die Arbeitsvermittlung für solche Schüler, die keine weiterführende Schule besuchen wollten. Als ich 17 ½ Jahre alt wurde, benutzte sie ein paar meiner Textproben, um mir einen Job beim Herausgeber von Arizona! zu besorgen, einem Magazin über die Wunder des Staates und seiner Menschen. Zuerst erlaubten sie mir nicht, über zeitgenössische Personen zu schreiben, weil die sich viel leichter beleidigt fühlten als tote Leute. Stattdessen wurde ich beauftragt, interessante Orte und Bürger aus der geschichtenumwobenen Vergangenheit des Staates zu recherchieren und zu beschreiben, solange ich dabei Bordelle und Banditen außer Acht ließ.

An meinem 18. Geburtstag, nach nur sechs Monaten erfolgreicher Tätigkeit, konnte ich mir eine Einzimmerwohnung leisten und aus dem Waisenhaus ausziehen. Nachdem ich 18 Monate für das Magazin gearbeitet hatte, machte ich einen verhängnisvollen Fehler und befinde mich seitdem auf der Flucht vor finsteren Mächten.

Ich finde es unheimlich, dass ich, als ich diesen Fehler beging, binnen eines Tages und eine ganze Woche, bevor seine Tragweite deutlich wurde, meinen ersten Vorfall dieses, wie ich es eine Weile lang nannte, »seltsamen Magnetismus« hatte, als würde jemand mein Leben schreiben – nicht die Geschichte meines Lebens, sondern mein Leben selbst –, jemand, der wusste, dass die Zeit kommen würde, in der ich einen ganzen Haufen Geld brauchte, um meiner Ergreifung zu entgehen.

Dies war an einem Freitag Anfang Mai. Nachdem ich meine Aufgaben für die Woche erledigt hatte, nahm ich mir den Tag frei mit der Absicht, jede körperliche Anstrengung zu vermeiden, mich mit leeren Kohlenhydraten vollzustopfen und alte Alien- und Terminator-Filme zu streamen, bis mir die Augen bluteten. Stattdessen wurde ich immer unruhiger, noch bevor ich den ersten mit Schokolade überzogenen Donut gegessen hatte, und verspürte ein seltsames Verlangen, mich in meinen alten Toyota zu setzen und seine abgefahrenen Reifen zu testen, indem ich aus der Stadt raus und hinein in die Wüste fuhr. Ich weiß noch ganz genau, wie ich zu mir selbst sagte: »Was mache ich nur? Wohin fahre ich?« Dann hörte ich auf, mir solche Fragen zu stellen, denn mir wurde bewusst, dass ich, wenn ich mit einer etwas anderen Stimme sprechen und mir ein bestimmtes Ziel als Antwort geben würde, vielleicht unter einer multiplen Persönlichkeitsstörung litt, und das wollte ich auf keinen Fall.

Mein Fahrtziel stellte sich nicht als eine Geisterstadt, sondern als eine Art...