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Gefährliche Sünden - Roman

Sandra Brown

 

Verlag Blanvalet, 2012

ISBN 9783641103361 , 240 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

1


Der Mann leerte das Champagnerglas mit dem zerbrechlichen Kristallstiel und stellte es auf das silberne Tablett, das ein vorbeilaufender Kellner in die Höhe hielt. Der mit einem Frack bekleidete Ober blieb kurz stehen, während sich der Mann ein neues Glas voll Schaumwein nahm, bevor er im Gedränge der plaudernden Gästeschar verschwand.

Reeves Grant nippte an seinem frischen Glas und fragte sich, weshalb er es sich überhaupt genommen hatte. Denn im Grunde wollte er es nicht. Mit einem Mal war nichts mehr, wie es eben noch gewesen war. Selbst das erlesenste Getränk der Welt hinterließ einen metallischen Geschmack in seinem Mund. Der Blick seiner grünen Augen wanderte verächtlich über die illustre Menge von Berühmtheiten und VIPs und drückte nachsichtige Langeweile aus.

Eine alternde, aber noch immer wunderschöne französische Filmschauspielerin hatte sich bei ihrem neuesten Ehemann, einem Ölmagnaten aus Tulsa, Oklahoma, eingehakt. Der westdeutsche Abfahrtslauf-Olympiasieger machte sich an die schmollende sinnliche Prinzessin eines Mittelmeerlandes heran, doch sie ignorierte ihn. Ein New Yorker Designer und sein »Begleiter und Protegé«, beide in leuchtend pinkfarbenen Smokings, unterhielten eine Gruppe interessierter Zuhörer mit einer boshaften Geschichte von einem ehemaligen Top-Model, das zwanzig Kilo zugenommen hatte und mit der Bitte um ein Outfit, das seine Figur kaschierte, zu ihnen gekommen war.

Alles in allem waren die hier versammelten Personen reich, wichtig, berühmt. Oder zumindest eins von diesen Dingen. Oder hatten wenigstens auf irgendeine Art Schlagzeilen gemacht.

Eingeladen zu dem üppigen Empfang hatte ein Mann, der dank seiner großen, muskulösen und geschmeidigen Gestalt genau wie der unermesslich reiche Schweizer Industrielle aussah, der er war. Er hatte blondes Haar und blaue Augen und war derart attraktiv, dass ihm ein Platz auf der Liste der »weltweit schönsten Menschen« sicher war.

Doch ein Paar grüner Augen weigerte sich rundheraus, weiter auf dem Gastgeber zu ruhen, sondern wanderte zielstrebig weiter zu der Frau, die an seiner Seite stand. Sie trug ein umwerfendes weißes Kleid. Ausgerechnet weiß!, ging es dem Betrachter hämisch durch den Kopf.

Die letzten vierundzwanzig Stunden hatten Reeves’ Erinnerung an ihre Schönheit nicht getrübt. Das Etuikleid von Dior, das eine Schulter frei ließ, war genauso elegant wie all die anderen Kleider, die man auf der Feier sah, und die opal- und diamantbesetzte Kette, die ihren schlanken Hals betonte, war nicht weniger erlesen als der Schmuck, den all die anderen Frauen trugen, nahm sich aufgrund ihrer Schlichtheit im Vergleich zu all dem anderen Geschmeide aber beinahe bescheiden aus.

Das Haar hatte sie für den förmlichen Anlass beinah etwas zu nachlässig frisiert. Anders, als er es zuletzt gesehen hatte, fiel es nicht in losen Wellen über ihre Schultern, sondern war zu einem Knoten aufgesteckt. Aber die versteckten Nadeln fanden in den dunklen, dichten, weich schimmernden Strähnen offenkundig nur mit Mühe Halt, denn einige der Locken hatten sich bereits wieder befreit. Wahrscheinlich würde schon der kleinste Anreiz – wie zum Beispiel ein sanftes Streicheln – genügen, damit sich die wunderbare Pracht über die Finger des Glücklichen ergoss.

Verdammt! Was ist bloß mit dir los?, fragte er sich selbst. Sie hatte ihn hereingelegt, doch als wäre er nicht nur ein Narr, sondern obendrein auch noch ein Masochist, sah er sie immer wieder an.

Dabei ging ihm immer wieder eine Frage durch den Kopf: Was hatte sie gestern Abend in der Buchhandlung gemacht? Oder, besser noch, was machte sie an diesem Abend hier? Auf diesem exklusiven Fest? Inmitten aller dieser Leute? Neben diesem Mann? Das bescheidene, über der Buchhandlung gelegene Apartment passte nicht zu diesem palastartigen Empfangssaal mit den mit Fresken verzierten, vergoldeten Decken, den marmornen Böden und den glitzernden Kronleuchtern. Sie gehörte nicht hierher. Sie gehörte in die winzig kleine Küche, in der fröhlich die Espressokanne brummte und in der es nach frischem Kaffee roch. Er konnte sie noch, eins der weichen Kissen vor der Brust, mit angezogenen Beinen in der Sofaeckesitzen sehen … verflucht!

Ohne sein Champagnerglas zu leeren, stellte er es neben sich auf einen kleinen Tisch. Seine Nikon-Kamera hing an der dünnen Lederschnur um seinen Hals, und er rückte sie vor seiner Brust zurecht. Er war es derart gewohnt, mit einer Kamera herumzulaufen, dass sie, selbst wenn er wie jetzt einen eleganten Smoking trug, wie ein natürlicher Bestandteil seines Körpers für ihn war. Und auch die Gäste waren es derart gewohnt, fotografiert zu werden, dass ihnen die Kamera nicht weiter aufzufallen schien, als Reeves sich einen Weg durch das Gedränge bahnte und dabei das fein gemeißelte Profil der Frau betrachtete, die gerade mit einem belgischen Diplomaten sprach. Der Mann an ihrer Seite hatte ihn ihr eben vorgestellt.

Sie beugte sich zu ihrem Gegenüber vor, das deutlich kleiner war als sie, und wechselte ein paar höfliche Worte, während Reeves die Kamera vor sein geübtes Auge hob. Er verstellte das Objektiv, bis er ihr fein geschnittenes Gesicht in seiner ganzen Schärfe sah.

Der Diplomat hob beflissen ihre Hand an seine Lippen, und genau in dem Moment klickte der Verschluss. Der automatische Blitz der Kamera erschreckte sie, und sie drehte ihren Kopf in die Richtung, aus der das grelle Licht gekommen war. Abermals verstellte er das Objektiv, und ihr herrliches Gesicht füllte den Sucher vollständig. Ihr Lächeln wirkte zögernd, scheu und etwas unsicher, als er den Auslöser betätigte.

Jetzt traf der Blitz sie direkt in die Augen, weswegen sie kurzfristig geblendet war. Ein Wald aus dunklen Wimpern schloss sich mehrmals über ihren grauen Augen, bis sie wieder richtig sah. Langsam nahm der Fotograf die Kamera von seinen grünen Augen und bedachte sie mit einem bösen, vorwurfsvollen Blick.

Ihr freundliches Lächeln wurde starr, sie riss die Augen auf, und die geheimnisvollen Ringe um die Iris herum verdunkelten sich zusehends. Sie leckte sich plötzlich ihre trocknen Lippen, und ihr Mund formte ein kleines, rundes, überraschtes O.

Denselben Ausdruck der Verwunderung und Vorsicht hatte Reeves schon letzte Nacht bei ihr gesehen. Es hatte gegossen, und das laute Donnergrollen, das die Steinmauern der alten Häuser in der Altstadt von Luzern zurückgeworfen hatten, hatte ihn fast taub gemacht, während ihm der dichte Regen auf den unbedeckten Kopf geprasselt war.

Plötzlich aber hatte das Gewitter keine Rolle mehr gespielt. Als er ihr Gesicht durch die Glastür einer kleinen Buchhandlung gesehen hatte, hatten alle seine anderen Sinne ihre Arbeit eingestellt.

 

»Oh!«, hatte Jordan Hadlock ausgerufen. Erschrocken hatte sie das schwere Buch an ihre Brust gedrückt, denn unter dem nächsten lauten Donnerhall hatten die Schaufenster ihres Geschäfts gebebt. Dann aber war ihr bewusst geworden, dass das Klirren nicht nur eine Folge des Gewitters war. Jemand klopfte lautstark an die Tür.

Da sie vor einem Regal auf einer Leiter stand, konnte sie die Ladentür sehen. Doch als sie vor ein paar Stunden abgeschlossen hatte, hatte sie zugleich die Jalousien zugezogen. Weshalb einzig die vom Blitz erhellte Silhouette der Person zu sehen war, die dort im Regen stand und krachend gegen die Scheibe schlug.

Der Größe und der Gestalt nach war es offenbar ein Mann. Er hatte seine Hände links und rechts von seinem Gesicht gegen das Glas gelegt und versuchte, an der Jalousie vorbei etwas zu sehen. Dabei stieß er eine Reihe lauter Flüche aus, die ein anständiger Mensch noch nicht mal hätte murmeln sollen, ehe er erneut kräftig gegen die Scheibe schlug.

Ihr Herz schlug fast genauso laut wie die geballte Faust des Fremden vor der Tür, als Jordan von der Leiter stieg und an den Körben voller Bücher und den Ständern voller Zeitungen vorbei in Richtung Eingang ging.

Ein neuerlicher Blitz enthüllte eine große, männliche Gestalt, die mit leicht gespreizten Beinen und die Hände in die Hüften gestützt vor dem Laden stand. Die Ungeduld ihres Besuchers nahm sekündlich zu. Unentschlossen wog sie die verschiedenen Möglichkeiten ab. Es wäre gefährlich, derart spät am Abend einem Mann die Tür zu öffnen, der ganz offensichtlich bereits furchtbar wütend war. Aber hätte er es darauf abgesehen, ihr etwas anzutun, hätte er wohl kaum derart vernehmlich an die Tür geklopft. Vielleicht brauchte er ja Hilfe? Vielleicht einen Arzt? Auf alle Fälle sah er recht verzweifelt aus.

Ehe sie es sich noch einmal überlegen konnte, trat sie an die Tür und zog die Jalousie ein Stück zur Seite, um hinauszusehen. Das Licht aus dem Geschäft fiel auf eine breite Brust in einem regennassen Baumwollhemd. Das Hemd war oben aufgeknöpft, und ihr neugieriger Blick wanderte über den muskulösen Hals hinauf zu dem Gesicht.

Ihre Augen wurden groß. Trotz der grimmigen, erbosten Miene sah dieses Gesicht beim besten Willen nicht bedrohlich aus. Das straffe Kinn, die lange, schmale Nase und die fragend hochgezogenen Brauen über den leuchtend grünen Augen schienen sie zu fragen: Also, wollen Sie mich weiter einfach anstarren, oder machen Sie mir vielleicht endlich auf?

Natürlich ließe sie den armen Kerl herein.

Sie ließ die Jalousie fallen, öffnete den Riegel, drehte an dem Messingknauf und zog die Ladentür auf. Zwei Taschen, die sie bisher nicht gesehen hatte, flogen durch die Öffnung, und sie machte eilig einen Schritt zur Seite, als die Taschen auf den Boden krachten und ein Schauer kalter Regentropfen ihre nackten Füße traf.

Direkt nach der braunen Leder- und der...