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Kontrollverlust - Der vierte Fall für Kommissar Rünz
Christian Gude
Verlag Gmeiner-Verlag, 2010
ISBN 9783839235287 , 274 Seiten
Format PDF, ePUB, OL
Kopierschutz Wasserzeichen
30 (S. 225-226)
Der Kommissar hatte Verdrängung nie als seelischen Vorgang betrachtet, der als krankhaft oder gar neurotisch klassifiziert werden konnte, sondern immer als Gabe, die einem das Leben erträglich machte, wenngleich ganze Heerscharen von Therapeuten und Psychologen mit der Aufarbeitung vermeintlicher psychischer Altlasten ihren Lebensunterhalt verdienten.
Auf Rünz’ Verdrängungsmechanismen war jederzeit Verlass, sie waren spontan und zuverlässig abrufbar, bei Eheproblemen gleichermaßen wie bei beruflichen Konflikten. Außerdem hatte es sich stets bewährt, auf Herausforderungen nicht sofort mit übersteigertem Aktionismus zu reagieren, sondern erst mal abzuwarten. Ein beträchtlicher Teil der Zumutungen des Lebens löste sich in warme Luft auf, wenn man sie eine Weile ignorierte.
Natürlich war die Sache mit Brecker in gewisser Weise beunruhigend – Rünz’ Schwager hatte den Schlosser in der Todesnacht besucht, er verfügte offenbar über eine der leistungsfähigsten automatischen Waffen der Welt einschließlich der notwendigen Munition, und er war wegen seines Sohnes in einem seelisch labilen Zustand. Aber alle Männer bastelten in ihren Garagen herum, wenn sie durcheinander waren. Frauen redeten, Männer schraubten. Und warum sollte sich ein Schusswaffenfan nicht bei der Rekonstruktion einer voll funktionsfähigen und aufmunitionierten Gatling Gun entspannen?
Das war doch – zumindest auf dieses Hobby bezogen – die Krönung eines Lebenswerkes! Und was die scharfe Munition betraf – die war doch einfach nur eine Frage der Ästhetik und der Vollständigkeit. Beim Kauf eines Geländewagens ging es den meisten Leuten ja auch nicht darum, das kostbare Vehikel jenseits befestigter Straßen zu bewegen.
Es ging darum, dazu fähig zu sein. Und warum sah die Werkstatt aus wie Hals über Kopf verlassen? Ganz einfach – Brecker hatte seine Konstruktion fertiggestellt, konnte die drehbare Lafette in der Doppelgarage aber nicht austesten, weil der Platz nicht ausreichte. Also rauf mit dem Kram auf den Defender, um das Gerät irgendwo unbemerkt auf Herz und Nieren zu testen, bevor er es stolz den Vereinskameraden vorstellte. Und die Werkstatt stand offen, weil er in seiner Euphorie über die Vollendung seines Meisterwerkes einfach vergessen hatte, sie abzuschließen. Also kein Grund zur Panik, erst mal den Ball flach und Wedel an der kurzen Leine halten.