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Traumschiff der Lust - Kreuz und quer von San Francisco bis Sydney

Robbie Parchee

 

Verlag CARL STEPHENSON, 2009

ISBN 9783798603202 , 288 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

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6,99 EUR


 

I.


Es war ein warmer Tag, doch auf der Terrasse des Flughafen-Restaurants wehte immer ein Wind, mal schwä­cher, mal stärker, als wolle er zeigen, dass nicht nur die glitzernden, donnernden und nach Kerosin stinkenden Riesenvögel die Luft beherrschten.

Mit Bewunderung blickten die Angehörigen, Bekannten und Freunde der Reisenden auf das Gewühl unter ihnen. Es herrschte ein quirlendes, faszinierendes Leben, das jeden immer wieder in seinen Bann zieht, wenn man hier steht und den Platz überschaut, von dem aus unzählige Menschen zu weit entfernten Zielen starten.

Ja, so ist das heute, die Welt liegt offen da, zusammengeschrumpft auf einige Stunden. Es gibt keinen Platz mehr auf dieser Erde, der nicht erreicht werden kann. Der Planet ist erobert und von der Terrasse sieht man, wie aus allen Himmelsrichtungen die Welt in eine einzige große Hand passt.

Die Boing mit den Urlaubern für eine besondere Kreuzfahrt startete pünktlich zu ihrem langen Flug von Frankfurt am Main nach San Francisco mit Zwischenlandung in Miami.

Nach stundenlangem Flug war die Traumstadt am Golden Gate mit der berühmtesten Brücke der Welt erreicht.

Allein die Lage San Franciscos ist etwas ganz Besonderes. Die Stadt mit ihren 43 Hügeln liegt auf einer Halbinsel zwischen dem Pazifik und der weitläufigen San Francisco Bay.

Wenn sich dichter Nebel wie ein unheimliches Lebewesen über die Stadt zu legen beginnt, vom kalten Pazifik in grauen Schwaden hereinströmt, scheint das Ende aller Hoffnungen nahe. Doch dann plötzlich blitzt die Sonne durch, spiegelt sich im blauen Wasser der Bay und den gläsernen Fassaden der Hochhäuser.

Geboren wurde diese Stadt im Chaos, als am 28. Januar 1848 ein Mann namens James Marshall die ersten Goldnuggerts östlich von Sacramento fand.

Die 600 Seelen-Siedlung mit dem Hafen am Eingang zur Bay wuchs innerhalb von wenigen Monaten zu einer Stadt von 25.000 Menschen heran. Im Hafenviertel gab es 500 Kneipen und unzählige Bordells, hier wurden die Funde der Goldsucher verprasst. Zu jener Zeit war San Francisco ein Sündenpfuhl. 1890 war San Francisco bereits eine Großstadt von 300.000 Einwohnern.

Am 18. April 1906 erschütterte ein gewaltiges Erdbeben die Stadt. Dieses übertraf das bisherige Grummeln und Schütteln bei Weitem. Es war allerdings nicht das Beben selbst, dem die meis­ten Menschen zum Opfer fielen, es waren die nachfolgenden Brände, die in drei Tagen und Nächten einen Großteil der Stadt zerstörten, 250.000 Häuser in Schutt und Asche legten und 452 Menschen das Leben kosteten.

Am 17. Oktober 1989 war es wieder einmal so weit, in San Francisco und Umgebung bebte die Erde. Viele Häuser stürzten ein oder gerieten in Brand, weil Gasleitungen gebrochen waren. In Oakland brach die Hoch­straße I-880 auf 1.700 Metern Länge zusammen und begrub den Feierabendverkehr unter sich.

Dass nicht noch Schlimmeres passierte, grenzt an ein Wunder. 60.000 Menschen hatten sich an diesem Nach­mittag im Candlestick Park Stadion zum Baseball-Finale eingefunden. Als die Betonschüssel furcht­erregend zu wanken begann, entstand ein unheimlicher Moment der Angst und des Schweigens, aber die große Panik blieb aus.

Nach wie vor aber ist die Stadt von Erdbeben bedroht. Quer durch Kalifornien verläuft auf einer Länge von fast 1.120 km vom kalifornischen Golf an San Francisco vorbei die San-Andreas-Verwerfung. Diese gigantische Spalte markiert die Grenze zwischen zwei sich gegeneinander verschiebenden Kontinentalplatten.

Während die Nordamerikanische Platte relativ stabil ist, bewegt sich die Pazifische Platte jährlich etwa 5 cm nach Norden. Wenn sich dann Spannungen aufbauen, kommt es zu Erdbeben.

Das heutige San Francisco hat seinen Besuchern recht viel zu bieten. So ist die 2,8 km lange Golden Gate Bridge mit ihren 1,28 km Spannbreite ebenso weltberühmt wie das ratternde Wahrzeichen der Stadt, die Cable Car. Tal- und Bergfahrt mit ihr gehören in San Francisco zum Pflichtprogramm.

Die Stadt ist auch die Heimat der größten chinesischen Gemeinde außerhalb Asiens. In dem traditionellen Wohn­viertel von Chinatown leben etwa 80.000 Menschen. Hier kann der Besucher eine Reise durch Asien mit typischen Gemüsegeschäften, Bäckereien, Fleischereien, Restaurants, Suppenküchen, Kunstgewerbe, Kitsch- und Souvenirläden hautnah erleben.

Eine weitere Sehenswürdigkeit der Stadt ist der Garten von Liebe und Frieden, der Golden Gate Park. Der etwa 400 ha große Park ist nach dem Central Park in New York der bekannteste Stadtpark der USA. Der 5 km lange und 800 m breite Grünstreifen zieht sich von der Pazifikküste weit in die Stadt hinein.

Von den zahlreichen weiteren Touristenattraktionen ist auch eine im Hafen zu sehen: Auf Pier 39 liegen Seelöwen faul in der Sonne und lassen sich betrachten.

Die Busse mit den Urlaubern aus Deutschland und anderen europäischen Ländern brachten die neuen Passagiere in die große, hohe Halle von Pier 7.

Da lag es nun, das Schiff. Dicke Stahltrossen hielten es am Pier fest, Gangways verbanden es mit dem Land, das Hafenwasser klatschte träge gegen die Bordwand.

Ein weiß lackierter Riesenkasten aus Stahl und Glas mit einem breiten, leuchtend roten Schornstein, an Bug und Heck den Namen „BELLA MARIJANA“ in vergoldeten Buchstaben und mit langen Girlanden aus bunten Fähnchen, die kreuz und quer über das Schiff gespannt waren.

Wirklich, sie war ein wunderschönes, großes Schiff, die „BELLA MARIJANA“! Sauber und blitzend von der untersten Ladeluke bis zur Radarmastspitze.

Aus den Prospekten wusste man, dass dieses Schiff 290 m lang und 35,5 m breit ist und das 1.100 Besatzungsmitglieder für 3.000 Passagiere zuständig sind. Das Schiff hat 13 Passagierdecks und verfügt über 1.430 geschmackvoll eingerichtete Kabinen, 505 davon mit Balkon und 55 innerhalb des Wellnessbereiches. Auf dem Schiff gibt es drei Swimmingpools. Davon können zwei bei schlechtem Wetter mit einem ausfahrbaren Dach geschützt werden. Weiterhin stehen den Passagieren eine Auswahl von 13 verschiedenen Bars sowie fünf unterschiedliche Nichtraucher-Restaurants zur Verfügung. Im dreistöckigen Theater finden 2.400 Personen Platz.

In San Francisco gingen außer den übrigen Europäern allein 430 deutsche Passagiere an Bord, erfüllt von der Erwartung, die unendliche Weite der Südsee kennen zu lernen.

Die „BELLA MARIJANA“ würde eine Route fahren, wie sie bisher kein anderes Kreuzfahrtschiff genommen hatte, mit Inseln, deren Namen man zum ersten Mal hörte, wenn man nicht gerade ein Geograf war.

Die neuen Gäste hasteten, als gelte es, eine Burg zu erstürmen, mit ihrem Handgepäck, mit Fototaschen und Beuteln, um über die Gangway das weiße, stolz geflaggte Schiff zu besetzen.

Eine kleine Kompanie Stewards erwartete sie im Foyer des Pazifikdecks. Drei Offiziere in ihren blendend weißen Uniformen bildeten ein eindrucksvolles Empfangskomitee für sie.

Die Gäste verteilten sich schnell nach allen Seiten, nach oben und unten im Schiff. Diejenigen, die das Schiff schon kannten, die Repeater, die treuen Mehrfachfahrer, eilten zu ihren Plätzen.

Die neuen hingegen zeigten ihre Tickets und wurden jeweils von einem Steward zu den Kabinen geleitet, die für drei, vier oder fünf Wochen ihr Zuhause sein würden.

Die in der Borddruckerei hergestellte Passagierliste enthielt etliche bekannte Namen, und Kapitän Theuerkauf hatte bei der Lektüre ein paar Mal aufgeseufzt.

„Mein Gott, die ist auch wieder an Bord?“, hatte er gerufen und auf einen Namen gezeigt.

Gerhard Reimers, der „Hoteldirektor“, hatte mit den Schultern gezuckt. „Sie zahlt, also kann man sie nicht hindern, Herr Kapitän.“

„Man könnte argumentieren, sie gefährde die Moral auf dem Schiff.“

„Herr Kapitän!“ Reimers verzog sarkastisch den Mund. „Wenn wir von so etwas ausgingen, dann müss­ten wir im Laufe der Fahrt schätzungsweise zwanzig bis fünfundzwanzig Prozent der Passagiere an Land setzen – mindestens! Außerdem ist die Dame jetzt sechsundfünfzig!“

„Warten wir’s ab, hoffentlich behalten Sie Recht.“

Theuerkauf hatte die Passagierliste auf seinen Schreibtisch gelegt und war auf die Brückennock an Steuerbord gegangen. Von hier konnte er die ganze Schiffsseite übersehen und hinüberblicken zur Gangway. Hinter den riesigen Fenstern der Halle von Pier 7 hasteten weitere Passagiere heran und setzten zum Sturm auf das Schiff an.

„Du lieber Himmel, da ist sie!“, rief Kapitän Horst Theuerkauf plötzlich. „Hollywood in seinen besten Jah­ren!“

Man sah sie durch die großen Scheiben der Pierhalle, eine mittelgroße, nicht üppige, aber wohlgerundete Gestalt in einem groß geblümten Seidenkleid, bedruckt mit Mohnblumen, die wie Ketchup-Flecke aussahen. Sie trug hochhackige weiße Lackschuhe, in denen sie herantänzelte, als bewege sie sich zu einer kapriziösen Musik.

Den Kopf allerdings sah man nicht sofort. Ihn verschattete ein riesiger weißer, mit Spitzen überzogener Hut, garniert mit roten Rosen und weißen Fliederrispen aus Plastik.

Während sie herantrippelte, schwenkte sie einen wei­ßen Spitzenschirm in der rechten Hand, mit der linken winkte sie nach allen Seiten, als applaudiere man ihr.

Als sie jetzt den Kopf hob, um an der weißen Schiffswand emporzublicken, sah man nun auch ihr Gesicht. Es war makellos, ohne Fältchen, mit viel Rouge bedeckt, feuerrote Lippen, eine schmale, wie knochenlose Nase, durch ungezählte Liftings katzenhaft wirkende Augen...