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Marketinggeschichte. Die Genese einer modernen Sozialtechnik

Hartmut Berghoff

 

Verlag Campus Verlag, 2007

ISBN 9783593413174 , 410 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

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1. Werbung oder Propaganda? Zwei Ansätze der NS-Kommunikation (S. 328-329)

Hitler – so die Vermutung – war ein Designobjekt und Markenprodukt, das mit seiner werblichen Visualität in den politischen Markt eindrang und den Bedarf eines erheblichen Teils der Deutschen an Hoffnung und nationaler Aufwertung deckte, ohne dass sich die »Konsumenten« über den Preis des Angebots von vornherein bewusst gewesen waren. Hitler war damit kein bloßer Verführer oder ausschließlich gewaltsam an die Macht gelangter Diktator, sondern – und dafür steht der Aspekt der Werblichkeit – er reagierte auf und kommunizierte mit einem politischen Markt, dessen »Konsumenten« die NS-Bewegung gewinnen wollte.

Insofern deckt der negativ konnotierte Begriff der Propaganda nicht, was hier zum Ausdruck gebracht werden soll. Propaganda steht für eine autoritäre und aggressive Kommunikation, die ausschließlich durch den Kommunikator bestimmt ist und der Verbreitung politischer Ideen dient. Werbung hingegen ist letztlich ein Angebot. Sie überlässt einen Teil der angestrebten Interaktion dem Rezipienten, der am Ende einen Kaufakt vollziehen soll. Zwar war die Souveränität des Konsumenten nach der zeitgenössischen Werbelehre ebenfalls eingeschränkt, vergleicht man aber gängige Definitionen von Propaganda und Werbung, meint die Verwendung des Terminus »Werbung « mit Bezug auf die Kommunikationsarbeit der Nationalsozialisten eine Verschiebung zu Gunsten einer größeren Eigenständigkeit der Rezipienten. Damit ist jedoch nicht gemeint, dass die NS-Propaganda zur Werbung umgedeutet werden soll.

Vielmehr wird unterstrichen, dass sich beide Kommunikationsansätze ergänzten. Die »Gleichförmigkeit des psychischen Geschehens« galt als eine Voraussetzung für das Wirken von Propaganda und Werbung. Die Gesellschaft wurde oftmals als relativ homogene (Konsum-)Gemeinschaft gedeutet. Kein anderer Autor stellte diesen Ansatz so plakativ dar wie Hans Domizlaff, der ›Vater der deutschen Markentechnik‹, der u. a. für Reemts ma, Asbach, die AEG oder Siemens gearbeitet hat, und sogar behauptete, Goebbels habe sein Buch »Propaganda-Mittel der Staatsidee« auswendig gekannt.15 Naive Vorstellungen von einem grenzenlosen Einfluss der Werbung auf die Konsumenten wie sie Domizlaff, wahrscheinlich inspiriert von Le Bon, vortrug, wurden allerdings bereits seit den 1920er Jahren durch Ergebnisse der Werbepsychologie ergänzt, die immerhin das Vorhandensein von Prädispositionen der Konsumenten feststellte.

Domizlaff vertrat Maximalpositionen und verstand Werbung im Sinne einer autoritären und eindimensionalen Kommunikation. Repräsentativer für die Branche war Theodor König, bekanntester deutscher Werbepsychologe, der trotz aller Überzeugung bezüglich der Gleichförmigkeit und damit Beeinflussbarkeit einer Gesellschaft Unterschiede bei den Rezeptionsgewohnheiten der Geschlechter und sozialer Milieus sah. »Es ist nicht zu verkennen«, so König, »daß die Erforschung dieses Gebietes mancherlei Schwierigkeiten bietet, z. B. sind nicht nur die Menschen als Käufer verschieden, auch ein und derselbe Mensch dürfte sich verschieden verhalten, etwa ein Mann, wenn er ein Buch oder eine Maschine kauft, eine Frau, die einen Hut oder einen Haushaltungsgegen- stand auswählt usw.«

Die Forschungen der Werbepsychologie machten klar, dass Werbung auf vorhandene Sehgewohnheiten und Produkte auf Bedürfnisse ausgerichtet sein mussten. Mit Werbung allein ließen sich – das wusste die Branche damals bereits – Produkte nicht verkaufen. Insofern schwankte der Diskurs der 1920er Jahre zwischen einem Verständnis von Werbung als Manipulation und ersten Ansätzen der Kundenorientierung. Wenn dieser Ansatz der Werbewissenschaft tatsächlich eine Grundlage der politischen Werbung der NSDAP war, hätte das weitgehende Konsequenzen für die historiografische Deutung der NS-Zeit. Eine mögliche Kundenorientierung widerspräche dem autoritären Propagandaansatz und würde eine »Verführung« durch Propaganda zumindest partiell in Frage stellen.