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Leitfaden China - Der interkulturelle Ratgeber

Hans Jakob Roth

 

Verlag Hogrefe AG, 2008

ISBN 9783456945774 , 182 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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15,99 EUR

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Erstes Kapitel Individual- und Kollektivgesellschaften (S. 23-24)

Viele der heutigen Werke über China sind ausgezeichnet, was die Schilderung der angetroffenen Probleme und ihrer Lösungen angeht. Die operationellen Herausforderungen in Handel und Unternehmensführung scheinen einigermassen bekannt zu sein. Zudem gibt es heute genug Berater, welche dieWege zur Erlangung der Lizenz oder zur Registrierung der Vertretung kennen und bei deren Verwirklichung helfen können. Diese erste Welle der Schwierigkeiten im Umgang mit China scheint mir heute weitgehend bewältigt zu sein. Hingegen weist das umfassendere Verstehen der anderskulturellen Hintergründe immer noch grosse Lücken auf. Im folgenden möchte ich deshalb mit einem Modell versuchen, auf diese Erklärungshintergründe einzugehen. Dieses Verstehen soll eine bessere Abstützung der strategischen Überlegungen für Geschäft oder Auslandsinvestition ermöglichen helfen, denn opertionelles Handeln sollte in den Rahmen der strategischen Unternehmensziele fallen. Meine Absicht ist dabei nicht das Schaffen neuer Stereotypen und Hindernisse zu einem Verständnis Chinas. Aber ohne das Erfassen der Andersartigkeit werden wir kaum zu den Dingen vorstossen können, die uns allen gemeinsam sind. Diese Unterschiede bestehen in erster Linie darin, dass wir wie gesagt anders in eine andere Gesellschaft hineinwachsen. Um die andere Seite zu verstehen, scheint es mir unerlässlich, sich mit dieser Andersartigkeit auseinanderzusetzen, bevor wir uns wieder auf die Gemeinsamkeiten einigen.

Das hier vorgeführte Modell unterscheidet zwischen Kollektiv- und Individualgesellschaft. Ich verwende es laufend in meiner analytischen Arbeit, sowohl im politischen wie auch im wirtschaftlichen Bereich. Ganz Europa und Nordamerika gehören im Modell zu den Individualgesellschaften, Asien, Afrika, Südamerika hingegen zu den Kollektivgesellschaften. Die Unterschiede zwischen einer Individualgesellschaft und einer Kollektivgesellschaft gehen vor allem auf die starken sozialen Dichten und die damit einhergehende psychische Beengung zurück. Der Mangel an physischem Raum hat in diesen Gesellschaften mit ihrer ständigen Rücksichtnahme auf die soziale Umgebung schliesslich auch zu einer relativ starken Beschränkung des psychischen Freiraums geführt.

Dies mag alles ganz abstrakt klingen, ist es jedoch nicht. Mein grösstes Problem als Student in den ersten beiden Jahren in Beijing bestand vor allem in der fehlenden Privatsphäre. Es war zu dieser Zeit noch möglich, im Zweierzimmer auch mit chinesischen Mitstudenten zusammenzuwohnen. Da sich hier die Gelegenheit bot, ein chinesisches Umfeld besser kennenzulernen, nahm ich diese Möglichkeit gerne wahr. Allerdings wusste ich anfangs nicht, was mich dies kosten würde. Da ich während einer langen Zeit in meiner Jugend das Zimmer mit meinem Bruder teilen musste, hätte ich nie gedacht, dass ich mit dieser Lösung doch beträchtliche Schwierigkeiten bekommen würde. Ich habe die chinesischen Umstände völlig unterschätzt. Die Belastungen des anderskulturellen Umfelds waren gross. Die Hitze und Feuchtigkeit im Sommer, die Kälte und extreme Trockenheit im Winter, Probleme mit den hygienischen Verhältnissen, das ständige chinesische Essen, bei dem alles zerschnitten wird – kein Schnitzel war am Stück – und schliesslich das schiere Verzweifeln an der chinesischen Sprache bewirkten, dass ich manchmal von China wirklich die Nase voll hatte. Dann ging ich nach Hause, in mein Zimmer – und da war noch ein Chinese, mein Zimmerkollege. Diese Unmöglichkeit, dem chinesischen Umfeld zu entfliehen, hat mir China hautnah gebracht und die unterschwelligen Probleme in einer Art aufgezeigt, wie sie kein Buch möglich gemacht hätte.

Demographische Dichten selbst sind nur eine Voraussetzung für die psychische Enge, die letztlich durch das nahe Zusammenwohnen entsteht. Crowding, wie die Sozialpsychologie das Phänomen seit dem Grundsatzartikel von D. Stokols (1972) nennt, ist ein konkretes Erfahren der Umgebung. Wenn ich mein Fahrrad nahm, um in die Duftenden Hügel zwanzig Kilometer ausserhalb Beijings zu fahren, machten dies Hunderte von jungen Chinesinnen und Chinesen ebenfalls. Nirgends und nie ist man in China allein, nirgends ist die Privatsphäre mehr gegeben.

Dieses Fehlen von Freiräumen war nicht nur mein erster Eindruck von China und später von Asien generell, es ist bis heute auch der wichtigste Eindruck geblieben. Hier liegt meines Erachtens der grösste Unterschied zwischen West und Ost, das Vorhandensein oder Fehlen von physischen und psychischen Freiräumen. Auf dieser Erkenntnis basiert denn auch das Modell, welches den Unterschied zwischen Individual- und Kollektivgesellschaft macht.