dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Ökoroutine - Damit wir tun, was wir für richtig halten

Michael Kopatz

 

Verlag oekom Verlag, 2016

ISBN 9783960061243 , 416 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz frei

Geräte

0,00 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

Derzeit können über den Shop maximal 500 Exemplare bestellt werden. Benötigen Sie mehr Exemplare, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.


 

Kapitel 2
Warum nicht geschieht, was geschehen muss


Die globale Erwärmung ist eines der drängendsten Krisenphänomene unserer Zeit. Um sie zu bremsen, müssen die Treibhausgas-Emissionen drastisch reduziert werden, vor allem der Ausstoß von Kohlendioxid. Darin sind sich Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft einig. Zwar gibt es bereits zahlreiche Maßnahmen zum Klimaschutz – Deutschland investiert etwa in den Ausbau von Ökostrom aus Wind und Sonne und hat Förderprogramme zur energetischen Gebäudesanierung aufgelegt –, doch gemessen an der Größe des Problems, sind die bisherigen Bemühungen unzureichend. Wir sind auf dem Weg zu einem achtsamen Umgang mit dem Planeten ins Stocken geraten.
Um die Erderwärmung – wie gerade in Paris beschlossen – auf höchstens zwei Grad zu begrenzen, dürfte jeder Bundesbürger im Jahr 2050 nur noch eine Tonne Kohlendioxid jährlich verursachen. Im Moment stehen wir bei knapp zehn Tonnen pro Jahr. Seit 2009, als die Wirtschaft durch die Finanzkrise einbrach und deshalb die Emissionen zurückgingen, geht es mit dem Klimaschutz nicht mehr so recht voran. Auch der Ressourcenverbrauch entwickelt sich nicht rückläufig, sondern verharrt auf unvermindert hohem Niveau.
Abbildung 2   Die Kohlendioxidemissionen Deutschlands gehen seit einigen Jahren nicht weiter zurück.3 LULUCF: Land use, land-use change and forestry
Dass es beim Klimaschutz nicht so recht vorangeht, hat viele Gründe, die im nächsten Kapitel erörtert werden. Festzuhalten ist hier nur so viel: Offensichtlich wird es immer schwerer, den angestrebten Minderungspfad fortzuschreiben. Österreich beispielsweise lag mit seinen Treibhausgas-Emissionen einmal deutlich unter zehn Tonnen je Einwohner. In der Euphorie der Klimaverhandlungen versprachen sie 1997 in Kyoto, ihren Kohlendioxidausstoß um 13 Prozent zu reduzieren. Tatsächlich kam es zu einer Zunahme von elf Prozent. Alle Anstrengungen der letzten Jahre haben gerade einmal bewirkt, dass man zwischen Bregenz und Wien beim Klimaschutz wieder auf dem Niveau von 1995 ist.
Mehr und mehr drängt sich der Eindruck auf, dass uns das Schwere erst noch bevorsteht. Es ist wie bei einer Diät. Die ersten Kilos fallen schnell, aber dann wird es immer schwerer, und zudem droht der Jo-Jo-Effekt. Viele Unternehmen haben längst in effizientere Technologien investiert, um Energie und damit auch Kosten zu sparen. Einfach verglaste Fenster gibt es kaum noch, viele Dächer sind bereits isoliert und Millionen Sparlampen montiert. Doch die niedrig hängenden Früchte zu ernten genügt nicht. Um den Ressourcenverbrauch zu verringern und die globale Erwärmung zu begrenzen ist es mit einer Diät nicht getan. Notwendig ist eine dauerhafte Ernährungsumstellung.

Der reservierte Staat


Keine Frage, zu viel Bürokratie kann die Effizienz und Effektivität der Wirtschaft einschränken, kann Kreativität und Innovationskraft behindern. Doch was wäre das rechte Maß für ordnungspolitische Maßnahmen? Wie stark soll sich der Staat in das Marktgeschehen einmischen? Die Bandbreite möglicher Antworten reicht vom Nachtwächterstaat, der sich auf den Schutz des Privateigentums und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung beschränkt, bis zum Sozialstaat, der weitreichende Regeln vorgibt, wie etwa das Mindesteinkommen.
Kapitalismus und freie Marktwirtschaft gelten seit dem Niedergang der osteuropäischen Wirtschaft als das überlegene Regime. Der Kommunismus des Ostblocks war geprägt durch Planwirtschaft und starke politische Steuerung. Diese Überregulierung schien verantwortlich für die Misswirtschaft zu sein. Das Scheitern der kommunistischen Systeme gab ab den 1990er-Jahren all jenen Auftrieb, die für einen Rückzug des Staates aus dem marktwirtschaftlichen Geschehen plädierten. Doch wer für einen starken Staat ist, muss nicht gegen den Kapitalismus sein: Seit den Finanzkrisen der vergangenen Jahre hat sich in den Industriestaaten wieder eine eher kritische Haltung zur Deregulierung entwickelt.
Die zurückliegenden Erfahrungen mit der freien Marktwirtschaft lassen es schwer vorstellbar erscheinen, dass sich mit noch weniger Regeln ein Mehr an Nachhaltigkeit bewirken lässt. Es scheint vielmehr so zu sein, dass die schrittweise Abschaffung der Marktregeln ein Nachteil für Klimaschutz und Ressourcengerechtigkeit war. Nun währt der Diskurs über die Frage »Wie viel Staat muss sein?« schon seit Jahrhunderten. Um darin die Ökoroutine zu verorten, sollen hier einige Vordenker verschiedener nationalökonomischer Grundströmungen Erwähnung finden.
Adam Smith
Eine der Grundannahmen der heute vorherrschenden Wirtschaftswissenschaft geht auf Adam Smith (1723–1790) zurück. In seinem Werk »Wohlstand der Nationen« beschrieb Smith den Egoismus des Einzelnen als die Triebfeder der Ökonomie: »Es ist nicht die Wohltätigkeit des Metzgers, des Brauers oder des Bäckers, die uns unser Abendessen erwarten lässt, sondern dass sie nach ihrem eigenen Vorteil trachten.« Jeder denkt also an sich und sorgt dabei unbewusst – wie von einer unsichtbaren Hand geleitet – für das Gemeinwohl.
Liberale Wirtschaftswissenschaftler leiten daraus ein radikales Freiheitspostulat ab: Maximale Freiheit fördere den Schaffensprozess des Einzelnen und diene der Gemeinschaft. So wird seit Jahrzehnten die fortschreitende Deregulierung der Märkte gerechtfertigt, um den Unternehmen und Anlegern möglichst viele Freiheiten zu gewähren. Allerdings ist diese Analyse fragmentarisch. Adam Smith selbst hielt nicht den »Wohlstand der Nationen« für sein Hauptwerk, sondern die »Theorie der ethischen Gefühle«. Moralisches Handeln beschrieb er darin als unabdingbar für nachhaltigen Wohlstand: Tugenden seien die Grundlage eines gesunden Kapitalismus.4 Auf diesen Smith berufen sich die kritischen Ökonomen.
Gewiss gehört Egoismus zur menschlichen Natur. Doch daneben und darüber hinaus haben Menschen viele andere Motivationen, die den Tugenden zuzurechnen sind: Solidarität, Loyalität, Sympathie, Selbstlosigkeit usw. Gäbe es solche Motive nicht und Egoismus wäre tatsächlich der einzige Antrieb, dann müsste jeder jedem mit tiefstem Misstrauen begegnen. Solidarität zwischen Arbeitnehmern etwa im Arbeitskampf funktioniert aber nur durch gegenseitiges Vertrauen.
Genauso gibt es Unternehmer, die nicht nur ihren persönlichen Nutzen maximieren wollen, sondern auch Visionen für die Gesellschaft haben und an das Gemeinwohl denken. Ein berühmtes Beispiel lieferte Henry Ford. Er wollte ganz sicher seinen persönlichen Wohlstand vermehren, so wie es das Postulat der Wirtschaftsliberalen vorsieht. Doch Ford hat nicht nur viel Geld verdient, er war auch fair zu seinen Arbeitnehmern. Er verdoppelte die Gehälter seiner Mitarbeiter und verkürzte die wöchentliche Arbeitszeit von 48 auf 40 Stunden. Die Mitarbeiter sollten sich später selber einen Ford leisten können.5 Verantwortungsvolles Unternehmertum wird in der klassischen Ökonomie nicht bedacht, wenn sie für ein Maximum an Freiheit für den Einzelnen und ein Minimum an Regeln argumentiert. Richtig ist, dass sich die Unternehmen heutzutage unter den Bedingungen eines knallharten Wettbewerbs kaum noch in der Lage sehen, das zu tun, was sie für richtig halten. Viele fordern daher selbst politische Vorgaben (s. »Manager fordern radikalere Vorgaben der Politik«). Hier setzt das Konzept der Ökoroutine an. Es schafft Raum für unternehmerische Tugenden.
Hayek und Friedmann
In zentralwirtschaftlicher Planung sah Friedrich August von Hayek (1899–1992) die Grundlage für besorgniserregende Radikalisierungen. In seinem Werk »Der Weg zur Knechtschaft« beschrieb er sozialistische Bestrebungen als Wegbereiter für den Nationalismus. Diese Analyse leitet direkt über in Hayeks Forderung, staatlichen Interventionismus und die Planwirtschaft zurückzudrängen. Allerdings – und das wird häufig übersehen – war Hayek nicht der Meinung, das habe um jeden Preis und in jeder Hinsicht zu geschehen. Hayek sprach sich für sozialpolitische Maßnahmen aus, etwa für die Einführung eines Mindesteinkommens. Damit trug er der Erkenntnis Rechnung, dass Menschen sich nur entfalten können, wenn sie von der Sorge um die grundlegenden materiellen Bedürfnisse entlastet werden.6
Für Milton Friedman (1912–2006) manifestieren sich Rolle und Einfluss des Staates in der Staatsquote. Diese Kennzahl zeigt den Anteil der Staatsausgaben an der wirtschaftlichen Gesamtleistung einer Volkswirtschaft auf. Sie liegt in Deutschland bei 44 Prozent und in Frankreich bei 57 Prozent.7 Friedman fand, dass zehn Prozent genügen würden. Im Sozialstaat sah er ein teures Monster. Führerschein, Ärztelizenzen und Schulpflicht gehörten abgeschafft. Absurd seien staatliche Altersversorgung und Mindestlohn.8 Der Wirtschaftsprofessor aus Chicago gilt als Schlüsselfigur für den Trend zum Ausverkauf staatlicher Unternehmen und zum Abbau von Regelwerken. Zunächst, in den 1980er-Jahren, verfolgten nur Ronald Reagan und Margaret Thatcher9 seine Ideen. Später machte sich in fast allen Industriestaaten eine Art Liberalisierungseuphorie breit. Milton Friedman dürfte sich auch über das Ende des Goldstandards10 gefreut haben: Seiner Überzeugung nach sollte der Staat nur durch die Ausweitung der Geldmenge zu wirtschaftlichem Wachstum beitragen.
Keynes
Bis zu Reagan und Thatcher waren die Thesen John Maynard Keynes (1883–1946) Leitbild der Wirtschaftspolitik gewesen. Keynes vertrat die Einschätzung, dass...