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Die Maschen der Frauen - - Friday Night Knitting Club - Roman

Kate Jacobs, Rasha Khayat

 

Verlag Heyne, 2009

ISBN 9783641018542 , 482 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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7,99 EUR

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1. Kapitel
Geöffnet: Dienstag bis Sonntag von 10.00 – 20.00 Uhr GARANTIERT!
Gut sichtbar standen die Öffnungszeiten von Walker and Daughter: Strickbedarf in leuchtend bunter Schrift auf dem Reklameschild über dem Treppenabsatz. Allerdings kam es so gut wie nie vor, dass Georgia Walker abends vor Viertel nach acht die Ladentür verriegelte. Oft wurde es sogar viel später. Und selbst dann hatte sie noch längst nicht Feierabend, sondern sammelte auf den Boden gefallene Wollfäden ein, bereitete die nächste Stunde ihres nachmittäglichen Strickkurses vor und rechnete die Kasse ab.
Sie saß auf dem Stuhl hinter der Verkaufstheke, schaltete ab vom Straßenlärm des unten vorbeiführenden Broadways und addierte die Zahlen auf einem Zettel. Das Geschäft läuft ganz gut, könnte aber noch besser sein, dachte sie seufzend und zupfte an ihren langen kastanienbraunen Locken herum. Eine Angewohnheit, die sie einfach nicht ablegen konnte. Am Ende eines stressigen Tages stand ihr Pony manchmal in alle Richtungen ab. Sobald die Buchhaltung erledigt war, strich sie ihr Haar glatt und klopfte sich die Radiergummireste von Jeans und Jerseytop. Etwas blass im Gesicht – sie arbeitete zu viel und war selten in der Sonne – erhob sie sich zu ihren stolzen 1,82 Meter (dank der 7,5 Zentimeter hohen Absätze ihrer abgetragenen Cowboystiefel aus braunem Leder).
Dann drehte sie noch eine Runde durch den Laden und fuhr dabei über die nach Farben sortierten Garne – von Pastell- bis zu sattem Grasgrün, Rost- bis leuchtend Erdbeerrot, Eis- bis Königsblau, Zitronengelb bis Bernsteinfarben sowie alle erdenklichen Nuancen von Grau, Beige, Schwarz und Weiß. All das gehörte ihr. Und natürlich Dakota – deshalb hieß der Laden ja auch Walker und Tochter -, die mit ihren zwölf Jahren ständig die Anweisungen ihrer Mutter ignorierte und sich lieber am Farbenspiel der Wolle erfreute.
Dakota war das Ladenmaskottchen, maßgebende Farbexpertin (mehr Glitzergarne!) und beeindruckend geübt im Umgang mit den Stricknadeln. Georgia staunte oft darüber, wie flink ihre Tochter strickte und wie souverän sie mit heruntergefallenen Maschen umging. Mehr als einmal hatte Georgia beobachtet, wie ihr gar nicht mehr so kleines Mädchen selbstbewusst zu einer Kundin sagte: »Warten Sie, ich helfe Ihnen. Mit einer Häkelnadel kriegen wir das wieder hin …«
 
Wenn Georgia dann endlich das Licht löschen wollte, war es praktisch an der Tagesordnung, dass eine Kundin atemlos die Treppe zum Geschäft im ersten Stock hinaufgelaufen kam und ihr zurief: »Könnte ich noch kurz reinkommen? Es dauert wirklich nur eine Minute …« Bevor Georgia überhaupt eine Chance hatte, zu sagen, dass bereits geschlossen sei, war die Kundin schon im Laden. »Kommen Sie nur herein«, sagte sie für gewöhnlich und lief dann eben erst später die wenigen Stufen hinauf in ihr spärlich möbliertes Appartement. Allerdings ließ sie an Schultagen niemanden länger als bis neun im Laden bleiben, weil Dakota sonst nicht mit ihren Hausaufgaben fertig wurde. Aber Georgia schickte niemals eine potenzielle Kundin weg.
Sie würde überhaupt nie jemanden wegschicken. Mit einem erschöpften Lächeln, das die ersten Fältchen um ihre grünen Augen sichtbar werden ließ, bat Georgia die Nachzüglerin herein. Auf ein Neues, schien ihr Blick zu sagen. Aber letztendlich war sie dankbar für jeden, der durch diese Ladentür kam. Und sie nahm sich ausreichend Zeit für die Beratung, denn was das Geschäftsleben betraf, hatte Georgia handfeste Vorstellungen: »Jeder Verkauf zieht einen weiteren nach sich – vorausgesetzt, man stellt den Kunden zufrieden.« Mit Theorien wie dieser ging sie Dakota regelmäßig auf die Nerven.
»Du kannst ruhig schon gehen«, würde sie dann über die Schulter hinweg zu Anita sagen, die immer bis nach Geschäftsschluss blieb. Georgia hatte ihr gegenüber manchmal ein schlechtes Gewissen, wenn es so spät wurde. Aber Anita, die in ihrem Chanel-Hosenanzug noch genauso frisch und munter wirkte wie nachmittags um drei, schüttelte lächelnd den Kopf – und ihr silbergrauer Bob lag danach wieder genauso perfekt wie vorher.
Anita teilte Georgias Leidenschaft für Strickmuster und Garne. Und sie genoss es, mit den Kundinnen von Walker and Daughter über das Handarbeiten zu plaudern.
 
Das Stricken hatte Anita von dem Moment an begeistert, als ihre Großmutter – »Bubbe« hatte Anita sie genannt – ihr zum ersten Mal einen Strang dicker, weicher Wolle in die Hände gedrückt hatte. Gebannt hatte sie zugeschaut, wie durch flinkes Klappern mit den Nadeln aus dem jagdgrünen Faden eine kleine, kuschelige Strickjacke entstand – mit dicken Knöpfen, die Anita mit ihren winzigen Fingern schon greifen konnte. Schon bald legte sie ihre Hände auf die der Großmutter, wollte unbedingt mitmachen. Irgendwann zog sie selbst den Faden durch die Schlaufe und erlebte schließlich den aufregenden Moment, zum ersten Mal Maschen aufzunehmen. Als junge Frau strickte sie sich Twinsets aus Angorawolle, die die Eltern ihr nicht kaufen konnten. Später produzierte sie am laufenden Band flauschige Decken und Söckchen für ihre Kinder, während ihr Mann mit dem Aufbau seiner Firma beschäftigt war. Anita blieb dem Stricken treu, auch nachdem ihr Mann längst so gut verdiente, dass er seiner Familie ein mehr als angenehmes Leben bieten konnte. Schließlich – sie hatte die Lebensmitte bereits weit überschritten – schob Anita die Bücher mit Strickvorlagen beiseite und begann, mit Farben zu experimentieren und eigene Muster zu entwerfen.
Inzwischen war sie fast sechzig, Mutter dreier erwachsener Söhne und Großmutter von sieben hübschen und aufgeweckten Enkelkindern.
»Anita ist eine Künstlerin«, pflegte Stan zu sagen, wenn die Leute seine Westen bewunderten, ohne die er nicht ins Büro ging. Stan. Er war immer stolz auf sie gewesen und hatte sie damals ermutigt, den Job bei Georgia anzunehmen. Anita hingegen hatte befürchtet, dass die Leute es für verrückt hielten, wenn sie in ihrem Alter plötzlich arbeiten ging.
»Wie war’s?«, wollte Stan nach ihrem ersten Arbeitstag wissen. »Gut, sehr gut sogar«, hatte sie versichert und sich in seine Arme gekuschelt. »Dann mach es auf jeden Fall«, hatte er gemurmelt.
Von da an arbeitete Anita einmal wöchentlich nachmittags im Laden. Mit der Zeit wurde die kleine Dakota für sie wie ein weiteres Enkelkind. Und zwar eines, dass sie sehen konnte, wann immer sie wollte – im Unterschied zu ihren eigenen Kindern und Enkelkindern, die alle weit weg gezogen waren: nach Israel, Zürich und Atlanta. Man schrieb sich natürlich und telefonierte, aber das war nicht das Gleiche. Anita konnte sie nicht besuchen – sie litt schon seit Ewigkeiten unter Flugangst, gegen die alle Psychologen und Beruhigungsmittel dieser Welt nichts ausrichten konnten. Zwischen den einzelnen Wiedersehen verging so viel Zeit, dass Anita jedes Mal das Gefühl hatte, fremden Menschen gegenüberzustehen.
 
Eines Tages war auch Stan von ihr gegangen. Während sie morgens noch mit Toastkrümeln an den Lippen am Frühstückstisch saß, gab er ihr einen flüchtigen Abschiedskuss. Kurz darauf erlitt er im Fahrstuhl seines Bürohauses einen Herzinfarkt. Anita erhielt einen Anruf, sie solle sofort ins Krankenhaus kommen. Doch man hatte nichts mehr für ihn tun können.
Stan hatte mit der gleichen Umsicht für diese Situation vorgesorgt, wie er es immer im Leben gemacht hatte. Aber finanziell abgesichert zu sein war nicht alles. Anita war jetzt allein, mutterseelenallein. Sie blieb in der ersten Zeit nach Stans Tod fast ausschließlich im Bett, weinte viel, schlief, und die Zeitschriftenberge um sie herum wurden immer höher. Ungefähr einen Monat nach der Beerdigung stand sie auf. Sie zog sich die Lippen nach, legte ihre Perlen an und machte sich auf den Weg zu Georgia.
»Du hast mit jedem Tag mehr Kunden und kommst mit deinen Aufträgen kaum noch nach, Georgia«, sagte sie. »Du brauchst jemanden, der dich im Laden unterstützt. Und ich brauche wieder eine Aufgabe – nicht nur an einem Tag in der Woche.« Das stimmte. Dakota war damals gerade zwei geworden und Georgia hatte begonnen, zusätzlich zu der Anfertigung von Strickwaren auch Garne und Kurzwaren zu verkaufen. Sie hatte hart gearbeitet, um ihr Geschäft zum Laufen zu bringen, und zusätzlich morgens von sechs bis zwölf unten im Souterrain in Martys Deli Bagel getoastet und Kaffee ausgeschenkt. Wenn sie mit dem Laden genug verdiente, könnte sie ihren Zweitjob bald aufgeben und mehr Zeit mit Dakota verbringen.
Sie vereinbarten, dass Anita von nun an jeden Nachmittag im Laden helfen sollte. Georgia wollte sie unbedingt bezahlen, aber das lehnte Anita strikt ab. Sie wollte kein Geld – sondern Garn.
Tatsächlich war der Laden – dank sorgfältiger Planung, steter Expansion und einer guten Portion Hoffnung – richtig gut angenommen worden. Im Laufe der Jahre wurde er sogar mehrfach in der Lokalpresse als Geheimtipp genannt; und kürzlich hatte es im New York Magazine einen Artikel über Mompreneurs – Mütter als Unternehmensgründerinnen – gegeben, in dem Walker and Daughter vorgestellt wurde.
»Das bringt uns deine Klassenkameradinnen samt ihren Müttern in den Laden«, hatte Georgia gesagt, als Dakota den Zeitungsartikel mit in die Schule nahm. Wie jeden Morgen brachte sie Dakota zur Schule. Sie umarmten einander kurz und Dakota marschierte davon. Sie war schon fast an der Tür angelangt und hatte den Reißverschluss ihres Anoraks bereits geöffnet, sodass ihr leuchtend türkisfarbener Pullover zum Vorschein kam – eine von Georgias Kreationen, die Dakotas...