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Stress - Psyche - Gesundheit - Ein Leitfaden für die betriebliche Praxis

Rolf Satzer, Max Geray

 

Verlag Bund-Verlag GmbH, 2006

ISBN 9783766382856 , 215 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz DRM

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21,90 EUR


 

2. Maßnahmenableitung zu psychischen Belastungen (S. 49-50)



2.1 Start-Verfahren und Maßnahmenableitung

Bei einer Befragung von Betriebsratsgremien aus 128 Betrieben der Metall- und Elektroindustrie im Jahr 2003 wurde u.a. auch der Unterstützungsbedarf betrieblicher PraktikerInnen bezogen auf die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen abgefragt. An erster Stelle wünschten sich die Betriebsräte eine Handlungshilfe zur Maßnahmenableitung im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung. Das hier vorgelegte Handbuch reagiert auf diesen Bedarf. Es soll insbesondere Antworten auf eine zentrale Frage aus der betrieblichen Praxis geben:

Mit welchen Maßnahmen können psychische Fehlbelastungen reduziert, minimiert und im präventiven, vorbeugenden Sinn in ihrer Entstehung gehemmt bzw. verhindert werden? Wie können betriebliche Umsetzungsmaßnahmen hierzu konkret aussehen?

Insgesamt geht es bei der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen nach § 5 ArbSchG immer um die drei Schritte:

- Ermitteln von Belastungen bzw. Fehlbelastungen
- Beurteilen dieser Ermittlungsergebnisse und
- die daraus resultierende Maßnahmenableitung gegen Fehlbelastungen und ihre Umsetzung im Betrieb.

Zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen wurde im Zusammenhang mit der Kampagne »Tatort Betrieb – Stress und psychische Belastungen« der IG Metall in Baden- Württemberg aus der betrieblichen Praxis heraus ein Start-Verfahren entwickelt (siehe oben), das in zahlreichen Betrieben erprobt und erfolgreich angewendet wurde. Welche Aufgaben stellen sich nun speziell bei der Maßnahmenableitung? In diesem Kapitel werden die in Kapitel 1 kurz beschriebenen Schritte der Maßnahmenableitung nochmals wiederholt und dabei detaillierter und ausführlicher behandelt.
Nach der Ermittlung der Gefährdungen im Bereich psychischer Belastungen liegen dem durchführenden betrieblichen Beurteilungsteam Informationen über den Ist-Zustand der Gefährdungen durch psychische Fehlbelastungen vor. Diese wurden im Start-Verfahren in aller Regel ermittelt durch

- Fragebogenerhebung
- ergänzende Fremdbeurteilung der Arbeitsplätze (Vor-Ort-Analyse: Betriebsbegehungen, Interviews mit den Beschäftigten, Checklisten etc.)
- Auswertung aller sonstigen, vorliegenden betrieblichen Daten, z.B. zu Unfallzahlen, BK-Anzeigen, Krankenstand)

Das Beurteilungsteam steht nach diesem Ermittlungsschritt nun vor der Aufgabe, die Ergebnisse zu beurteilen und geeignete Maßnahmen abzuleiten. Da es bezogen auf psychische Belastungen keine allgemein gültigen Grenzwerte gibt, die zu dieser Beurteilung herangezogen werden können, muss das Verfahren eines Ist-Soll-Vergleichs eingesetzt werden:

Das Bewertungsproblem bei psychischen Belastungen kann dadurch gelöst werden, dass der Ist-Zustand der ermittelten Gefährdungen mit dem wünschenswerten Soll- Zustand menschengerechter Arbeitsgestaltung verglichen wird. Der Bedarf an Maßnahmen resultiert dann aus diesem Vergleich zwischen Ist und Soll. Das betriebliche Beurteilungsteam muss folglich die an den Arbeitsplätzen ermittelte tatsächliche Situation mit den Merkmalen und Kriterien vergleichen, die den gesundheitsgerechten Soll-Zustand ausmachen. Beurteilungskriterien und Merkmale des Soll-Zustands sind konkret vorgegeben in:
1. normierten Schutzzielen (Gesetzen, Verordnungen, DIN-Normen, usw.)
2. gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen und Leitsätzen menschengerechter Arbeitsgestaltung (z.B. zusammengefasst in der Sammlung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin)
3. bewährten, gesundheitsgerechten betrieblichen Praxislösungen (z.B. in Listen Guter Praxis der BAuA)
Das Beurteilungsteam muss diese Informationsquellen heranziehen, um die Maßnahmenableitung vornehmen zu können. Dabei ist zu beachten, dass die zugrunde liegenden Normen wie auch arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse in aller Regel nicht in der Sprache betrieblicher Arbeitsschutzpraktiker formuliert worden sind. Die zentralen Aussagen werden daher im Folgenden erläutert und »übersetzt«. Generell können in Normen oder arbeitswissenschaftlichen Leitlinien zur menschengerechten Arbeitsgestaltung nicht alle Aspekte des Zustandekommens psychischer Fehlbelastungen und entsprechender Gegenmaßnahmen im Detail beschrieben werden. Hierzu ist die betriebliche Realität zu komplex, vielfältig und unterschiedlich. Die in Normen und in den Arbeitswissenschaften beschriebenen Hinweise zur Arbeitsgestaltung und Maßnahmenableitung können daher nur bedingt allgemein sein. Sie bilden aber – auch unter rechtlichen Aspekten des Arbeitsschutzgesetzes – die notwendige und hinreichende Basis, auf der das Beurteilungsteam betriebsbezogene Maßnahmen vorschlagen muss. Besonders hilfreich ist dabei die ergänzende Heranziehung bereits existierender Praxislösungen (siehe Kapitel 4). Auf diesem Feld sind die betrieblichen Praktiker des Beurteilungsteams ausgewiesene Experten. Sie können nach einer Bewertung dieser betrieblichen Beispiele entscheiden, ob dort gefundene und umgesetzte Maßnahmen auf die eigenen betrieblichen Fragestellungen »passen« und angewendet werden können oder wie diese im Einzelfall verändert werden müssen.
Generell wird die Arbeit des Beurteilungsteams dadurch erleichtert, dass solche betrieblichen Praxislösungen in Handlungshilfen (z.B. zum »Tatort Betrieb«) oder auch von Institutionen wie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (u.a. auf Internetseiten) zusammengestellt und speziell für betriebliche Praktiker aufbereitet worden sind. Neben der hier vorgelegten Handlungshilfe können und sollten Mitglieder des Beurteilungsteams bei Bedarf weitere Praxishilfen heranziehen, die zu den oben erwähnten Normen bzw. arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen zu Maßnahmen gegen psychischen Fehlbelastungen u.a. von Berufsgenossenschaften oder staatlichen Ämtern für Arbeitsschutz entwickelt wurden. Auf die für die betriebliche Praxis besonders tauglichen Broschüren wird weiter unten hingewiesen.