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Der psychologische Vertrag

Sabine Raeder, Gudela Grote

 

Verlag Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2012

ISBN 9783840920097 , 94 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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23,99 EUR


 

Inwieweit dies Chance und/oder Gefahr ist, wird sehr unterschiedlich beurteilt . Zentral ist dabei, mit welchen persönlichen Ressourcen ein einzelner Mensch diesen Veränderungen begegnen und sie für sich selbst nutzbar machen kann . Eine bewusste Ausgestaltung des psychologischen Vertrags kann Unsicherheiten reduzieren bzw . die Unsicherheiten so verteilen, dass die Betroffenen sie mit ihren je eigenen Ressourcen bewältigen können .

Arbeitsmarktfähigkeit wird als neues Element in den psychologischen Verträgen zwischen Unternehmen und Mitarbeitenden hervorgehoben (vgl . Lombriser & Uepping, 2001; Raeder & Grote, 2001) . Es scheint, dass zumindest für einen Teil von Beschäftigten dies auch den eigenen Wünschen nach Flexibilität und Weiterentwicklung entspricht, wobei dies vielfach gerade die Mitarbeitenden sind, von denen sich das Unternehmen weiterhin hohe Loyalität erhofft . Arbeitsmarktfähigkeit kann aber auch zu einer Leerformel verkommen, die den Mitarbeitenden keine neuen Sicherheiten bietet, sondern zunehmende und diffuse Anforderungen an ihre Eigenverantwortung stellt . In vielen Untersuchungen hat sich gezeigt, dass die erlebte Arbeitsmarktfähigkeit vor allem mit dem Alter korreliert, d . h . je älter die Beschäftigten sind, desto weniger arbeitsmarktfähig erleben sie sich (Wittekind, Raeder & Grote, 2010) . Angesichts der Personalentwicklungspolitik in vielen Unternehmen, in denen die Obergrenze für Entwicklungsmaßnahmen bei 45 Jahren gesetzt wird, erstaunt dieses Ergebnis nicht . Arbeitsmarktfähigkeit ist dann ein tragfähiges Substitut für Arbeitsplatzsicherheit, wenn gezielte Weiterbildungsangebote im Hinblick auf den unternehmensinternen und den externen Arbeitsmarkt gemacht werden – z .B . aufgrund von Prognosen der Geschäftsentwicklung . Wenn solche Prognosen offen an die Mitarbeitenden kommuniziert und gemeinsam mit ihnen individuelle Entwicklungspläne entworfen werden, kann darin tatsächlich die Basis für einen neuen psychologischen Vertrag gesehen werden . Dies kann die Flexibilität des Unternehmens erhöhen, ohne die Bindung zwischen Mitarbeitenden und Unternehmen zu gefährden, denn anstelle der alten – statischen – Sicherheit eines bestimmten Arbeitsplatzes tritt eine neue – dynamischere – Sicherheit, die auf Optionen beruflicher Laufbahnen beruht .

1.5.2 Offene Kommunikation von Erwartungen und Angeboten

Wesentliche Voraussetzung für die systematische Gestaltung psychologischer Verträge ist eine offene Kommunikation zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden über unternehmensinterne und externe Weiterentwicklungsund Beschäftigungsmöglichkeiten . Dies kann aber in direktem Konflikt mit kurzfristigen Interessen der Vorgesetzten stehen . Sagt eine Vorgesetzte beispielsweise ihrem Mitarbeiter, dass es ein sehr gutes internes oder externes Stellenangebot für ihn gibt, selbst wenn sie ihn gerne noch ein Jahr für ein laufendes Projekt behalten würde? Gerade durch solche Offenheit kann aber paradoxerweise eine tragfähigere Beziehung entstehen .

Generell sollte die Perspektive des psychologischen Vertrags genutzt werden, um die Beziehung zwischen Mitarbeitenden und Unternehmen sehr bewusst anzusprechen und zu gestalten, sowohl von Mitarbeiterseite aus als auch von den unternehmensseitigen Vertragspartnern . Damit kann inkongruenten Erwartungen und Angeboten vorgebeugt werden und auch gemeinsam eine Neuausrichtung des psychologischen Vertrags ohne Verlust seiner Tragfähigkeit bewirkt werden . Notwendigkeiten für eine solche Neuausrichtung entstehen aufgrund sich verändernder Bedingungen im Unternehmen sowie im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld, aber auch aufseiten der Mitarbeitenden . Dies heißt nicht, dass notwendigerweise immer optimale Bedingungen für alle Mitarbeitenden geschaffen werden, aber dass Möglichkeiten und Grenzen für jeden Einzelnen bekannt sind und gezielt auch in die individuelle Berufsund Lebensplanung einbezogen werden können .

1.5.3 Der psychologische Vertrag im Zentrum des Personalmanagements

Die zentrale Rolle des psychologischen Vertrags im Personalmanagement ist durch viele Untersuchungen belegt, die im Kapitel 2 ausführlich beschrieben werden . An dieser Stelle soll nur eine Untersuchungsreihe erwähnt werden, die die Wichtigkeit des psychologischen Vertrags durch die wiederholte Bestätigung der statistischen Zusammenhänge besonders eindrücklich belegt .

In einer während fünf Jahren jährlich durchgeführten Repräsentativbefragung bei Beschäftigten in der Schweiz (Grote & Staffelbach, 2006, 2007, 2008, 2009, 2010) konnte gezeigt werden, dass die drei in jedem Jahr erfassten Personalmanagement-Praktiken (Arbeitsgestaltung, Leistungsbeurteilung, Partizipation) immer direkt, aber auch vermittelt über den psychologischen Vertrag auf Arbeitszufriedenheit und Commitment wirken (vgl . Abbildung 2) . Auf das Ausmaß der Kündigungsabsichten wirken sie sogar immer nur vermittelt über den psychologischen Vertrag . Je erfüllter dieser aus Sicht der Beschäftigten ist, desto geringer ist die Kündigungsabsicht . Einzig auf die erlebte Arbeitsplatzunsicherheit hat der psychologische Vertrag keinen Einfluss . Hier wirkt nur das Ausmaß der Partizipation, was ein in sich sehr wichtiges Ergebnis ist, das die Erkenntnisse aus der Forschung zu Prozessen der Organisationsentwicklung bestätigt (Boonstra & Bennebroek Gravenhorst, 1998) .

2 Modelle, Konzepte und Theorien

Eine Vielzahl von Forschungsarbeiten zeigt, dass erfüllte psychologische Verträge förderlich sind, beispielsweise für die Leistung, die Arbeitszufriedenheit und das Commitment von Mitarbeitenden . Dies ist ein zentrales Argument dafür, die Beschäftigungsbeziehung in Unternehmen bewusst zu gestalten . Dieses Kapitel führt die wichtigsten wissenschaftlichen Grundlagen zum psychologischen Vertrag aus, um zu zeigen, in welchem Kontext sich psychologische Verträge wie entwickeln und welche Konsequenzen daraus entstehen . Aufbauend auf den am häufigsten verwendeten Definitionen des Konzepts werden Forschungsergebnisse zu Kontextfaktoren und Folgen des psychologischen Vertrags berichtet . Diese Forschungsergebnisse dienen in einem weiteren Schritt dazu, auf Ansatzpunkte für die Gestaltung der Beschäftigungsbeziehung im Arbeitsalltag aufmerksam zu machen .

2.1 Inhalt und Struktur des psychologischen Vertrags

Die Wurzeln des Konzepts des psychologischen Vertrags reichen in die Organisationsliteratur der 1930er Jahre zurück (vgl . Roehling, 1997) . Zunächst wurde der psychologische Vertrag als Erwartungen umschrieben, die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehen und die idealerweise übereinstimmen (z . B . Kotter, 1973) . Erst in den 1990er Jahren setzte sich mit der zunehmend intensiveren Forschung eine Definition des psychologischen Vertrags durch, die diesen als Verpflichtungen oder Versprechen …