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Roter Blitz - Roman

John Varley

 

Verlag Heyne, 2010

ISBN 9783641044251 , 480 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

7,99 EUR


 

3 (S. 34-35)

DER PLANET ERDE verfügt wahrscheinlich pro Einwohner über zehn Videokameras. Sie überwachen praktisch jede Straße, jeden Häuserblock und jedes von Menschen bewohnte Gebiet. Na schon, ich übertreibe: In Asien und Afrika gibt es noch Dörfer und Städtchen ohne Überwachungskameras. Doch da, wo der Tsunami erwartungsgemäß zuschlagen würde, war fast jeder Quadratmeter abgedeckt. Während ich lief, zapfte ich - Elizabeth vermutlich auch - die Strandkameras in der Umgebung von Daytona an, egal ob sie starr auf ein Ziel gerichtet waren oder man sie schwenken oder sonst wie steuern konnte.

Ich nahm, was vorhanden war. Es war schwierig. Der Datentransfer muss gewaltig gewesen sein. Die Server waren überlastet. Sooft ich auch versuchte, auf gut Glück ein Objektiv zu erwischen, kam die Meldung: »Derzeit keine Verbindung möglich. Versuchen Sie es später noch einmal.« Irgendwo in meiner Erinnerung war die Codenummer einer Strandkamera vergraben, die auf dem Blast-Off Motel stand, aber da ich es zu eilig hatte, um sie zu suchen und gleichzeitig mein Skop zu steuern, hatte ich nur DAYTONA BEACH eingegeben und musste mich nun durch die zur Verfügung stehenden Kameras klicken.

Ungefähr sieben- oder achthundert Meter vom Motel entfernt bekam ich eine Aussicht aufs Meer, doch außer wunderschönem blauen Himmel, glänzender See und hellweißem Sand gab es nichts zu sehen. Es war ein später Februarabend, und zwar in der Hochsaison … Aber niemand war am Strand. Ich sah allerdings massenhaft Handtücher, Schirme und Kühltaschen. Dann erspähte ich da und dort ein paar winzige Gestalten, die ausnahmslos rannten.

Ein mit Strandzeug beladenes Pärchen stolperte über den trockenen Sand. Wollten die etwa einen Zehn-Dollar-Schirm und eine Zwei-Dollar-Kühltasche retten, während hinter dem Horizont der Weltuntergang im Anmarsch war? Vereinzelte Leute wirkten aufgeregt und suchend. Dann stockte mir der Atem: Ich sah ein etwa fünf bis sechs Jahre altes Kind. Es war allein und weinte. Oh, Gott, nur das nicht! Ich wechselte zu einer anderen Kamera. Elizabeth und ich eilten durch die Empfangshalle. Wir wichen Leuten aus, die wie Statuen mitten im Raum standen und die Nachrichten über ihr eigenes Skop verfolgten.

Ich hatte mehrmals erlebt wie es ist, wenn Ereignisse in die Schlagzeilen kommen - zuletzt bei der unglaublichen Nachricht, dass das berühmte Hollywood-Paar Brad und Bobby Gonzalez sich trennen wollte. In solchen Momenten spricht man von einer »starren Menge«. Wenn man in einer solchen Situation selbst kein Skop auf der Nase hat oder sich einen Scheiß für die Affären hübscher Hohlkopfe männlichen Geschlechts interessiert, hat man den Eindruck, dass die Zeit stillsteht oder als hätte jemand alle anderen mit Flüssigstickstoff eingesprüht. Außer uns hatten es aber auch ein paar andere Menschen ziemlich eilig: Wahrscheinlich hatten sie, wie auch wir, Verwandte an der amerikanischen Ostküste oder in der Karibik.

Unsere Großmutter wohnte nämlich in Daytona Beach Womit ich sagen will: Direkt am Strand. Das Blast-Off war zwar inzwischen größer als in der Zeit, in der mein Vater dort tätig war, doch als Hotel war es noch immer eine Maus zwischen Elefanten. Der »Blast-Off Turm« war dem zweistöckigen Gebäude im Jahr meiner Geburt hinzugefügt worden, doch laut Oma war es nur ein grandioses Wort für einen Anbau, dessen Nachbarn fünfundzwanzig bis dreißig Etagen hoch waren. Was würde einem Tsunami am ehesten widerstehen? Eine zehn Etagen hohe Maus oder ein dreißig Etagen hoher Elefant?