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Management-Diagnostik

Werner Sarges

 

Verlag Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2013

ISBN 9783840923852 , 1160 Seiten

4. Auflage

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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109,99 EUR


 

Übliche Beispiele hierzu waren: Menschen mit hohen Ausprägungen in dem Persönlichkeitsmerkmal „Angst“ werden aufgebrachter sein als Menschen mit niedrigen Ausprägungen, wenn sie in eine Höhle gelangen; Menschen mit hoher Ausprägung in „Gewissenhaftigkeit“ (einem der „Big Five“-Persönlichkeitsfaktoren) werden bei Aufgaben, die dies als Anforderung stellen, anders (nämlich „gewissenhafter“) reagieren als Menschen mit niedrigeren Ausprägungen .

Gegen beide Auffassungen lässt sich zunächst sagen, dass man leicht Situationen so auswählen (und damit andere ausblenden) bzw . so gestalten kann, dass sie die jeweilige Position unterstützen, d . h . hier: Verhaltensvarianz minimieren resp . maximieren (Moser, 1991, S . 31 ff .) . Im übrigen ist die Bedeutsamkeit des Situationseinflusses für Verhalten aus der Allgemeinen Psychologie hinlänglich bekannt; diese beschäftigt sich sogar explizit – zum Zwecke sinnvoller Arbeitsteilung zwischen den Subdisziplinen der Psychologie – mit der Abhängigkeit des Verhaltens von äußeren (situativen) Bedingungen . Und die Bedeutsamkeit der Interaktion von Person und Situation für das Verhalten wird in der frühen Variante des Interaktionismus – dem sog . statischen Interaktionismus – überschätzt, weil deren varianzanalytische Untersuchungspläne Versuchspersonen „ökologisch unvalide“ in Situationen brachten, in die sie „natürlicherweise“ gar nicht gekommen wären (Pawlik, 1982) .

In der späteren Variante des Interaktionismus, dem sog . dynamischen Interaktionismus, wird zweierlei behauptet: einerseits ein wechselseitiger Einfluss von Person und Situation und andererseits eine „Selbstselektion“ von Situationen durch Personen . Auch hier finden wir Wiederentdeckungen altbekannter Phänomene . So ist z . B . das Postulat, dass Personen Situationen aktiv aufsuchen und dass verschiedene Personen unterschiedliche Situationen aufsuchen als Konzeption seit Jahrzehnten in der Persönlichkeitspsychologie eingeführt (Pervin, 1989) und in vielen Persönlichkeitsmerkmalen enthalten: Eine Vielzahl von klassischen Persönlichkeitsmerkmalen lässt neben Prognosen über Verhaltenstendenzen in verschiedenen Situationen auch Aussagen über die Auswahl von Situationen zu bzw . stellte sie sogar in den Mittelpunkt des Interesses . Beispielsweise kann über Extravertierte gesagt werden, dass sie eher gesellige Situationen aufsuchen oder für unterschiedlich Leistungsmotivierte kann postuliert werden, dass sie unterschiedlich schwierige Aufgaben wählen . (Moser, 1991, S . 81)

Darüber hinaus weist Moser (1991) darauf hin, wie eine Grundlagendisziplin, nämlich die Persönlichkeitspsychologie, mit ihrem Programm des dynamischen Interaktionismus von einer angewandten Disziplin, der organisationspsychologischen Eignungsdiagnostik, lernen kann . Im Hinblick auf den Aspekt der Situationsselektion etwa gibt es bereits seit längerem entsprechende Anwendungen und Konzepte: in Inhalten Biografischer Fragebogen, in Modellen der anforderungsorientierten Personalauswahl sowie im ASA-Modell von Schneider (1987) . „Hier werden Situationsselektionen durch Personen als (inhaltliche) Haupteffekte untersucht . Zugleich vermögen Situationsselektionen differentielle Validitäten von Diagnostica für verschiedene Situationen oder Berufe zu erklären“ (Moser, 1991, S . 99) .

Dennoch kann als eigentlicher Ertrag der Konsistenz-Debatte die differenziertere Sicht der Beziehung von Person und Situation angesehen werden (Moser, 1991, S . 100) . Für unsere Überlegungen hier ist vor allem die auf Mischel (1977) zurückgehende, nach dem Merkmal „situational constraint“ vorgenommene Unterscheidung von „starken“ (strukturierten, beschränkenden) und „schwachen“ (mehrdeutigen, erleichternden) Situationen fruchtbar . Ähnliche Konzepte finden sich (dann) z . B . bei Tomaszewski (1978), Hoff, Lappe und Lempert (1982) und Schneider (1987) . Persönlichkeitsmerkmale lassen nur in eher schwachen Situationen vielfältige Verhaltensweisen bzw . viel Verhaltensvariabilität zu – d . h . hier kann überhaupt erst Persönlichkeit gezeigt werden – und erlauben dann auch entsprechende Prognosen (vgl . Ickes, 1982; Monson, Hasley & Chernik, 1981) . Schwache Situationen sind für einen Akteur (mit-)gestaltbar, starke Situationen (wie z . B . die Arbeit am Fließband mit genauen Taktzeiten) nicht . Da nun die Arbeitssituation, in der ein Manager agiert, eher als schwache denn als starke Situation anzusehen ist, sind wir in der Management-Diagnostik von vornherein in der prognostisch günstigeren Ausgangsposition .

Nur am Rande sei vermerkt, dass die obigen Beispiele zur situationistischen Auffassung der Verhaltensdetermination (Fußball, Beerdigung; Vorlesung, Predigt) starke Situationen waren . Wollten wir das beobachtbare Verhalten „Schreien“ bzw . „Schweigen“ z . B . durch das Persönlichkeitsmerkmal „Extraversion“ erklären, so müssten wir wegen der zu geringen Varianz im Kriterium (fast alle Personen schreien bzw . schweigen) schon scheitern . Das würde aber nicht besagen, dass Introvertierte und Extravertierte nicht in anderen (schwachen) Situationen konstruktkonformes Verhalten zeigen würden, denn im testtheoretischen Sinne ist die Fußballsituation eine zu leichte Situation (auch Introvertierte schreien), die Beerdigungssituation eine zu schwere (auch Extravertierte schweigen) . Schwache Situationen sind testtheoretisch solche von mittlerer Schwierigkeit, die vorhandene Persönlichkeitsunterschiede erst verhaltenswirksam werden lassen (vgl . Moser, 1991, S . 77) .

Wir wollen nun zunächst untersuchen, welche zusätzlichen Aussagen über psychologisch relevante Charakteristika von Managementsituationen sich noch treffen lassen – außer dass sie als eher schwache Situationen anzusehen sind . Das heißt, es ist erst zu klären, welches die Arbeitsaufgaben und -tätigkeiten von Managern sind, bevor wir fragen können, ob und evtl . welche Personmerkmale bezogen auf diese situativen Anforderungen und gerichtet auf die Beeinflussung von Managementerfolg in Betracht kommen könnten .

Managementtätigkeiten: mehr als Führung

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