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Handbuch der Schulforschung

Werner Helsper, Jeanette Böhme

 

Verlag VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2008

ISBN 9783531910956 , 1000 Seiten

2. Auflage

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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60,23 EUR

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Geschichte des Schulwesens und des Lehrerberufs (S. 203-204)

1 Entwicklungslinien der Forschung

Der säkulare Expansionsschub im Schul- und Hochschulwesen seit den 1960er Jahren und die damit verbundene Ausdifferenzierung des Wissenschaftssystems führte in allen europäischen Ländern auch zu einer breiteren Verankerung der Erziehungswissenschaft als akademischer Disziplin, eine Entwicklung, von der auch die bildungshistorische Forschung pro. tierte (vgl. Heinemann 1985, Herrmann 1991a, Cambi 1992, Novoa/Berrio 1993, Guerena/Berrio/Tiana 1994, Ostenc 1994, Compère 1995, Tenorth 1996, Zymek 1995, Richardson 1999, Lüth 2000, Jablonka 2001). Dabei spielten politische und wissenschaftliche Entwicklungen zusammen: Die politischen Kontroversen über den Ausbau und die Reform der Schulen und Hochschulen wurden auch mit bildungshistorischen Argumenten geführt, die entsprechende schulhistorische Forschungen anregten (in Deutschland z.B. die „Studien zum Wandel von Gesellschaft und Bildung im Neunzehnten Jahrhundert" im Rahmen eines Forschungsschwerpunkts der „Fritz Thyssen Stiftung", vgl. z.B. Heinemann 1974, Müller 1977).

Für die Fragestellungen, die Konzeptualisierung und die methodischen Strategien dieser Forschungen wurde der Aufschwung der Sozialwissenschaften entscheidend. In den Kreisen der Althistoriker, der Mediävisten und der Experten für Stadtgeschichte waren kultur- und sozialhistorische Themen schon immer ein Forschungsschwerpunkt gewesen. Nun aber wurde auch unter den Experten für die neuere Geschichte und die Bildungsgeschichte durch die Rezeption sozialwissenschaftlicher Theorien und empirisch-statistischer Methoden das Spektrum ihrer Fragestellungen und Forschungsfelder erweitert.

Die Sozialgeschichte des Schulwesens und des Lehrerberufs wurde zu einem interdisziplinären Arbeitsschwerpunkt von Historikern, Erziehungswissenschaftlern, Soziologen, Politologen und Geographen. Eines der sozialwissenschaftlichen Konzepte, die seit dem weltweit diskutiert werden, ist die Modernisierungsforschung, die in den 1960er Jahren im Kontext der politischen und akademischen Debatten um erfolgversprechende entwicklungspolitische Strategien entstanden war: Daten zu relevanten Dimensionen des sozialen Wandels wurden zu langfristigen Zeitreihen zusammengestellt und historisch-vergleichend als Indikatoren für Modernisierungsprozesse analysiert.

In diesem Zusammenhang entwickelten sich Forschungen zu den langfristigen Prozessen der Alphabetisierung und des Schul- und Hochschulausbaus in verschiedenen Ländern und Regionen zu interdisziplinären und internationalen Forschungsschwerpunkten (z.B. Flora 1972, Anderson/Bowman 1976, Craig 1981, Schneider 1982, Francois 1983, Block 1995, Hinrichs 1995). Ähnlich waren die Konstellationen und Entwicklungen um Umfeld des Programms der Professionalisierungsforschung: In diesem thematischen Kontext wurden die strukturellen Zusammenhänge von Bildungs- und Beschäftigungssystem und die Geschichte des Lehrerberufs als Fallbeispiele eines Professionalisierungsprozesses zu Forschungsschwerpunkten von Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen (vgl. z.B. Heinemann 1977, Keiner/Tenorth 1981, Conze/Kocka 1985, Herbst 1989, Jarausch 1990, McClelland 1991, Jacobi 1994, 1997, Apel/ Horn/Lundgren/Sandfuchs 1999).

Die Forderung nach einer Schulreformpolitik mit dem Ziel, mehr Chancengleichheit im Bildungswesen zu verwirklichen, führte zu einer interdisziplinären Diskussion über Modelle der Sozialisation, der sozialen Schichtung und sozialen Reproduktion, schließlich auch zu einer großen Zahl von historischen Studien über die soziale Rekrutierung der Schülerinnen und Schüler in verschiedenen Ländern und Epochen (Müller 1977, Ringer 1979, Kaestle/Vinovskis 1980, Koppenhöfer 1980, Lundgren/Kraul/Ditt 1988, Bormann/ Jeismann 1989, Müller/Haun 1994, Dick 1980, Pas 1980, Lowe 1985, Mayners 1985, Stannard 1990, Smelser 1991,). Den Schulreformanstrengungen seit den 1960er Jahren wurde auf nationaler und internationaler Ebene durch neue Dimensionen einer bildungsökonomischen Argumentation Nachdruck verliehen (vgl. Blaug 1985, Orivel 1994, Papadopoulos 1994):

Diese Debatten waren der Anlass für eine große Zahl von Untersuchungen über den historischen Stellenwert der Schule für den Prozess der Industrialisierung und generell der Wirtschaftsentwicklung (vgl. z.B. West 1975, Lundgren 1976, Leschinsky/Roeder 1976, S. 209ff., Wiener 1981, Sanderson 1991, Reinisch 1994, Diebolt 1997, 2000, Orivel 2000). Im Zuge der Expansions- und Differenzierungsprozesse im Schul-, Hochschul- und Wissenschaftssystem wurden in den letzten Jahrzehnten von – inzwischen mehreren Generationen von – Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Forschungsergebnisse zu fast allen Dimensionen der Geschichte der Schulwesens und des Lehrerberufs in den europäischen und den meisten außereuropäischen Ländern veröffentlicht.