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Kulturen des Wissens im 18. Jahrhundert

Ulrich Johannes Schneider

 

Verlag Walter de Gruyter GmbH & Co.KG, 2008

ISBN 9783110212402 , 694 Seiten

Format PDF, OL

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VII. KULTUR DES POLITISCHEN WISSENS IM DEUTSCHSPRACHIGEN RAUM DES FRÜHEN 18. JAHRHUNDERTS (S. 297-298)

Einführung von Ursula Goldenbaum

Es ist ein gängiges Vorurteil gegen die deutsche Aufklärung, dass sie erst spät politisch geworden sei. Während die englische und französische Aufklärung schon seit der Mitte des 17. bzw. dem frühen 18. Jahrhundert politische Forderungen vertreten und einen öffentlichen politischen Diskurs begonnen hätten, habe die deutsche Aufklärung sich zunächst im privaten, familiären Raum entwickelt und sich der Literatur und anderen musischen Gegenständen gewidmet, bevor sie sich erst in den letzten drei Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts langsam auch politisierte.1 Dieses Vorurteil sowie die allgemeine Verachtung der deutschen Aufklärung geht zurück bis auf Hegel und andere Größen der deutschen Philosophie- und Literaturgeschichte. Diese Parteiurteile gegen die Aufklärung wurden in der Folge kanonisiert und sind bis heute vorherrschend.

So beklagt auch der viel rezipierte Hegelianer Hermann Hettner die angebliche Autoritätsgläubigkeit der Wolffianer und die politische Kraftlosigkeit der Pietisten, die allesamt hinter der politischen Gestaltungskraft des englischen Puritanismus und des französischen Jansenismus zurückgestanden hätten. In solchem Vergleich der deutschen mit der englischen und französischen Aufklärung werden jedoch ganz unterschiedliche Kriterien verwendet.

Während Milton, Locke, Spinoza und andere Frühaufklärer aufgrund ihrer theologisch-politischen Forderungen gleichermaßen als politische Denker und Frühaufklärer gelten, werden deutsche Aufklärer, die in ähnlicher Weise Toleranz und Religionsfreiheit als politische Themen anspre chen, als „bloß theologisch“ und noch nicht aufgeklärt abgetan. Dabei sind doch die politischen Forderungen nach Toleranz und Religionsfreiheit, die dem politischen Kampf für allgemeine Meinungsfreiheit vorausgingen, auch im deutschsprachigen Raum seit der Reformation entwickelt und erhoben worden.

Leibniz, Pufendorf und Thomasius sind allesamt Streiter für Toleranz, und Christian Wolff, der Vater der deutschen Hochaufklärung, argumentierte in seiner bekannten Rede über die Moral der Chinesen für die Möglichkeit einer säkularen Moral. Kriterium für die übliche Gegenüberstellung der französischen radikalen und der deutschen halbherzigen, moderaten Aufklärung ist gewöhnlich die Bereitschaft zum Sturz der Monarchie und der Errichtung einer Demokratie.

Tatsächlich aber galt die Monarchie auf beiden Seiten mehrheitlich als reformierbare Staatsform. Selbst Mirabeau, als er sich nur wenige Jahre vor der Französischen Revolution für mehr als ein halbes Jahr in Preußen aufhielt, verstand sich sogar ausgesprochen gut mit den nur zu oft als beamtete Leisetreter verachteten Reformbeamten in Preußen, die zugleich Mitglieder der Berliner Mittwochgesellschaft waren.

Über die dazu notwendigen Reformen aber war man sich offenbar einig, und Mirabeau war sogar darauf bedacht, von den preußischen Reformbeamten und ihrem Wirken für eine Reform des Rechts, des Schulsystems und der Staatsfinanzen zu lernen. Er bewunderte auch Mendelssohns und Dohms politisch- rechtliches Projekt der Judenemanzipation und bedauerte, dass er den großen jüdischen Aufklärer nicht mehr persönlich kennen lernen konnte.