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Amnesie - Psychothriller
Michael Robotham
Verlag Goldmann, 2011
ISBN 9783641063047 , 448 Seiten
Format ePUB
Kopierschutz Wasserzeichen
18 (S. 173-174)
Ich träume zu ertrinken – sauge Wasser in meine Lungen. Irgendwo brennt ein helles Licht, dazu dringt Stimmengewirr aus dem Dunkel. Ich würge Erbrochenes und braunes Wasser hervor. Es quillt mir aus Nase, Mund und Ohren. Eine Frau taucht auf und schwebt über mir. Sie nähert ihre Hüfte der meinen und presst sich gegen meine Brust. Sie beugt sich nach unten, und unsere Lippen berühren sich. Ein blasses Muttermal breitet sich auf ihrem Hals aus und tropft in die Mulde zwischen ihren Brüsten.
Das Aufwachen dauert lange. Ich will den Traum nicht verlassen. Ich öffne die Augen und spüre etwas, das ich lange nicht mehr gespürt habe – jedenfalls nicht so. Ich hebe die Decke ein paar Zentimeter an, um mich zu vergewissern, dass ich mich nicht irre. Es sollte mir peinlich sein, aber ich fühle mich mild euphorisch. Wenn ich dieser Tage eine Morgenlatte zustande bringe, ist das ein Grund zum Feiern. Aber meine Euphorie ist nicht von Dauer.
Ich muss an Mickey, das Lösegeld und die Schießerei auf dem Fluss denken. Zu viele Teile fehlen. Es muss weitere Briefe gegeben haben. Was habe ich mit ihnen gemacht? Ich habe sie an einem sicheren Ort deponiert. Ich hätte gewollt, dass jemand die Wahrheit erfährt, wenn mir bei der Lösegeldübergabe etwas zustößt. Als Joe gestern meine Brieftasche durchgesehen hat, befand sich darin die Quittung für ein Einschreiben, das ich irgendwem geschickt haben muss. Ich zerre meine Hose vom Stuhl und breite die Quittungen auf dem Bett aus. Die Druckerschwärze ist beinahe komplett ausgewaschen, aber die Postleitzahl ist noch lesbar, und das reicht. Daj nimmt nach dem ersten Klingeln ab und brüllt ins Telefon.
Ich glaube, sie versteht die drahtlose Technik nicht und denkt, ich würde in eine Konservendose sprechen. »Es ist jetzt drei Wochen her. Du liebst mich nicht.« »Ich war im Krankenhaus.« »Du rufst nie an.« »Ich habe dich letzte Woche zwei Mal angerufen. Du hast jedes Mal aufgelegt.« »Quatsch!« »Ich bin angeschossen worden.« »Liegst du im Sterben?« »Nein.« »Siehst du! Du machst immer ein Drama aus allem. Dein Freund hat mich besucht – dieser Psychologe, Dr. O’Loughlin. Er war sehr liebenswürdig.
Er ist zum Tee geblieben …« Während dieses ganzen Schuldtrips führt sie ein zweites Gespräch mit jemandem im Hintergrund. »Mein anderer Sohn, Luke, ist ein Gott. Ein schöner Junge, blonde Haare… Augen wie Sterne. Er bricht mir das Herz.« »Hör mal, Daj, ich muss dich was fragen. Habe ich dir etwas geschickt?« »Du schickst mir nie was. Mein Luke ist eine so sanfte Seele… Vielleicht könnten Sie ihm etwas stricken. Eine wärmende Weste.« »Komm, Daj.